Grüne lehnen Polizeigesetz komplett ab
Was Baden-Württembergs Innenminister den Beamten erlauben will und woran es Kritik gibt
STUTTGART - Ein Angriff auf die Freiheit des Einzelnen oder notwendige Maßnahmen, um Bürger zu schützen? Mit seinen Vorschlägen für ein neues Polizeigesetz hat Innenminister Thomas Strobl (CDU) Streit mit dem grünen Regierungspartner ausgelöst. „Darüber verhandeln wir nicht, ein solches Gesetz ist mit den Grünen nicht zu machen“, sagt Hans-Ulrich Sckerl, Innenexperte der Grünen. Was Strobl plant:
Grundsätzliches
Aus Sicht der Grünen atmet der Gesetzesentwurf den „Geist des Misstrauens“gegenüber dem Bürger. Strobl wolle die neuen Instrumente nicht nur bei Terrorgefahr nutzen. Das bestreitet dieser nicht. Organisierter Kriminalität, häuslicher oder sexueller Gewalt müsse die Polizei ebenfalls mit allen Mitteln vorbeugen. Die Grünen warnen: Trete der Entwurf in Kraft, würden unbescholtene Bürger ins Visier der Ermittler geraten oder Menschen für vergleichsweise leichte Delikte drastischen Polizemitteln ausgesetzt.
Präventive Maßnahmen
Die neuen Befugnisse dürfte die Polizei vorbeugend einsetzen. Das heißt: Nicht, wenn ein konkreter Verdacht besteht und bereits eine offizielle Ermittlung läuft. In solchen Fällen haben sie mehr Rechte – sie dürfen unter anderem mit Zustimmung eines Richters Wohnungen und Computer durchsuchen. Ein Beispiel: Die Behörden wissen , dass ein Mann Islamisten nahesteht. Doch es gibt keinen Beweis dafür, dass er einen Anschlag plant. In solchen Fällen beobachten die Ermittler, doch ihre Befugnisse sind eingeschränkt. Erfahren die Ermittler aber, dass jemand Zutaten für Sprengstoff bestellt, wird ein Ermittlungsverfahren eröffnet – und dann ist viel mehr erlaubt als vorher.
Onlinedurchsuchung
Strobl will es Ermittlern erlauben, Computer, Handys und Daten in Cloud-Speichern im Netz heimlich zu durchsuchen. Seit 2017 dürfen Polizisten zwar mitlesen, was mögliche Verdächtige sich etwa bei Whatsapp schreiben. Allerdings geht das bislang nur in der Theorie: die nötigen Spähprogramme gibt es noch nicht, das Innenministerium sucht nach geeigneten Lösungen. Dem hatten die Grünen zugestimmt, doch eine Durchsuchung mit solcher Schnüffelsoftware lehnen die Grünen ab. Dass der Staat ohne konkreten Verdacht heimlich PCs anzapfen dürfe, sei nicht mit der Verfassung vereinbar. Gegen Onlinedurchsuchungen laufen Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht.
Neue Regeln für Gewahrsam
Die Polizei darf Bürger nur unter strengen Regeln in Gewahrsam nehmen. Hat jemand keine Straftat begangen oder steht unter Verdacht, ist das nur in bestimmten Fällen zulässig – und zwar, wenn man die Allgemeinheit vor einer konkreten Gefahr schützen will. Das geschieht bei terroristischen Gefährdern, bei häuslicher Gewalt zum Schutz möglicher Opfer, bei Hooligans oder Demonstranten, die vor einer Veranstaltung vorsorglich in Gewahrsam genommen werden. Nach einem Tag muss ein Richter dem zustimmen. Länger als zwei Wochen ist ein „Schutzgewahrsam“nicht erlaubt. Strobl will diese Frist auf drei Monate ausdehnen, mit richterlicher Erlaubnis immer wieder verlängerbar.
Anlasslose Personenkontrollen
Die Polizei darf Bürger nur kontrollieren und durchsuchen, wenn es einen konkreten Anlass gibt. Strobl will das für Veranstaltungen mit „Gefährdungsrisiko“grundsätzlich erlauben. Welche Veranstaltungen damit gemeint sind, bleibt offen. So könnte die Polizei Bürger bei Fußballspielen oder Weihnachtsmärkten anhalten und durchsuchen.
Erfassung von DNA
Die Polizei vermutet, dass sich mögliche Straftäter in einem Café getroffen haben. Geht es nach Strobl, dürfte sie dort DNA-Proben sammeln und auswerten. Das ist bisher verboten, es sei denn, es ist bereits eine Straftat passiert. Die DNA will Strobl auch darauf untersuchen, was sie über die Herkunft eines Menschen aussagt. Die Grünen sind gegen jede präventive Auswertung von DNA. Sie enthalte intime Daten, dass Untersuchungen nur in Ausnahmen erlaubt sein sollten. Sie sind erst recht gegen die Analyse der biogeografischen Merkmale. Sie ließen keinen zuverlässigen Schluss auf die Herkunft eines Menschen zu.
Bodycams in Wohnungen
Polizisten dürfen eine Kamera an der Uniform tragen. Noch gibt es aber technische Probleme bei der Umsetzung. Werden die Kameras geliefert, kann ein Polizist auf der Straße filmen, etwa wenn er bedroht wird. Das soll Angreifer abschrecken und helfen, Beweise zu sichern. Das will Strobl auch in Wohnungen erlauben.