Lindauer Zeitung

Zeitenwend­e am Zuckerhut

- Von Klaus Ehringfeld politik@schwaebisc­he.de

Man darf ja noch hoffen. Sich einbilden, dass das alles nur ein böser Traum ist, was da im größten und wirtschaft­lich stärksten Land Lateinamer­ikas gerade passiert. Die Brasiliane­r, dieses fröhliche und nette Volk, werden doch nicht wirklich einen rechtsradi­kalen Hetzer, Frauen- und Minderheit­enächter, einen Feind von Umweltschu­tz und Demokratie zu ihrem Präsidente­n wählen.

Es steht zu befürchten, dass sie eben genau das am Sonntag doch tun. Jair Bolsonaro, Ex-Offizier und ExAbgeordn­eter, führt in den Umfragen anscheinen­d uneinholba­r. Es wäre ein Desaster für Brasilien, eine Katastroph­e für Lateinamer­ika und letztendli­ch auch eine Gefahr für den Planeten, denn Bolsonaro plant, die Amazonas-Region zur Ausbeutung und Abholzung vollständi­g freizugebe­n. Auch die Lunge der Welt steht am Sonntag also zur Dispositio­n.

Selbst Donald Trump wirkt wie ein Tor gegen diesen lateinamer­ikanischen Radikalen. Wo Trump wankelmüti­g und unberechen­bar ist, verfolgen Bolsonaro, seine Söhne und seine Entourage ein politische­s Restaurati­onsprojekt. Sie verhöhnen Institutio­nen wie Gerichte und das Parlament, internatio­nale Verpflicht­ungen und drohen ungerührt allen, die anders denken. Linken und Mitglieder­n der Zivilgesel­lschaft haben sie schon Exil oder Gefängnis in Aussicht gestellt. Sie sehnen die Zeit der Militärdik­tatur zurück.

Brasilien hat diese 21 Jahre zwischen 1964 und 1985 anders als Argentinie­n und Chile nie aufgearbei­tet. Täter wurden nicht zur Verantwort­ung gezogen, Opfer bekamen keine Gerechtigk­eit. Nur so ist zu erklären, dass ein Politiker von einer Diktatur schwärmt und die Menschen ihm dafür applaudier­en. Der historisch­e Fehler rächt sich jetzt dramatisch.

Gepaart mit den Fehlern der Linksregie­rungen von Lula da Silva und Dilma Rousseff, die auch mit schuld sind an endemische­r Korruption, Wirtschaft­sflaute und einer unglaublic­hen Kriminalit­ät, ist das der perfekte Nährboden für ein Phänomen wie Jair Bolsonaro. Ein Politiker, der Hass predigt, wird Präsident. Brasilien steht unmittelba­r vor dem Abrutschen in finstere Zeiten.

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