EU-Wirtschaftskommissar bezeichnet italienischen Abgeordneten als „Faschisten“
Im Streit um Italiens Haushalt wird der Ton rauer
FRANKFURT/ROM/PARIS (dpa) - Im Haushaltsstreit zwischen Rom und Brüssel verschärft sich der Ton. EUWirtschaftskommissar Pierre Moscovici hat einen italienischen Europaabgeordneten, der Dokumente von ihm mit Füßen getreten hat, am Freitag als Faschisten beschimpft. „Das ist ein Trottel, ein Provokateur, ein Faschist. Seine Geste war grotesk“, sagte Moscovici dem Sender CNews.
Angelo Ciocca von der rechten italienischen Regierungspartei Lega hatte während einer Pressekonferenz von Moscovici am Dienstag auf Dokumente des EU-Kommissars getreten, während er seinen Schuh in der Hand hielt. Die Kommission hatte zuvor die Haushaltspläne aus Rom zurückgewiesen, da sie darin einen Verstoß gegen die Stabilitätskriterien im Euroraum sieht. Moscovici bezeichnete Cioccas Verhalten nun als Abkehr von der Demokratie. „Das ist die Politik, die ich hasse, und das sind die Leute, die ich bis zu meinem letzten Atemzug bekämpfen werde.“
Der italienischen Regierung droht unterdessen wegen ihrer umstrittenen Haushaltspolitik weiteres Ungemach. Ratingagenturen äußerten sich zuletzt skeptischer zur Kreditwürdigkeit des Landes, was im Ernstfall Großanleger verschrecken und die Krise verschärfen kann. Im Schuldenstreit sind die Finanzmärkte ohnehin alarmiert.
Die Marktzinsen für italienische Staatsanleihen zogen in den vergangenen Wochen schon deutlich an. Sollte der Trend fortbestehen, müsste die Regierung immer mehr Zinsen für ihre Schulden bezahlen. Italien hat mit einem Schuldenstand von 130 Prozent im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) den zweithöchsten Wert in der Eurozone.
Der Druck an den Börsen könnte durch die Entscheidungen der Ratingagenturen steigen. Am vergangenen Freitag hatte die US-Agentur Moody’s die Bonität der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone herabgestuft. Die Märkte reagierten relativ gelassen, weil die aktuelle Note „BBB-“ noch über dem Ramschniveau liegt, das hochspekulative Anlagen beschreibt. Zudem hat Moody’s keine weitere Herabstufung angekündigt.
Auch die Ratingagentur S&P wird die Kreditwürdigkeit voraussichtlich nicht auf Ramschniveau senken. Noch liegt die Note zwei Stufen über der Schwelle. Experten halten eine Senkung des Ausblicks aber für wahrscheinlich. Kurzfristig droht Italien von dieser Seite also noch keine große Gefahr. Dies kann sich jedoch rasch ändern, falls sich die Schuldenlage weiter zuspitzt. „Ich habe keine Angst vor dem Urteil von Standard & Poor’s. Frankreich ist höher verschuldet als wir“, sagte Vizepremier Luigi Di Maio in einem Radiointerview. „Wir haben quasi keine Privatschulden und das schafft Stabilität.“
Problem mit Anleihen
Sollten alle vier großen Agenturen (S&P, Moody’s, Fitch und DBRS) Italiens Note auf Ramschniveau senken, hätte das Land ein großes Problem. Dann dürfte die Europäische Zentralbank (EZB) italienische Anleihen nicht mehr kaufen und auch sonst nicht mehr bei Geschäften akzeptieren. Für konservative Anleger wären die Papiere dann tabu.
Ausgangspunkt für die Nervosität ist der Haushaltsentwurf der europakritischen Regierung aus Fünf-SterneBewegung und rechter Lega. Er sah eine deutliche Ausweitung der Neuverschuldung auf 2,4 Prozent vor – dreimal so viel, wie von der Vorgängerregierung zugesagt. Die EU-Kommission lehnte den Haushalt ab. Bisher haben die italienischen Regierungsparteien keine Bereitschaft zum Einlenken gezeigt.
Die EU-Kommission zeigte sich gesprächsbereit. „Wir werden in den kommenden Tagen weitere Fragen stellen“, sagte Jean-Claude Juncker dem „Spiegel“und kündigte ein Treffen mit Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte an. Er äußerte sich besorgt „wegen der antieuropäischen Stimmung, die manche in Italien aus innenpolitischen Gründen aufbauen“.