Lage für die Freie Schule spitzt sich zu
RP setzt Frist für Teilschließung – Die Schule wehrt sich
- Das Regierungspräsidium (RP) Tübingen setzt der Freien Schule Allgäu (FSA) eine Frist zur Schließung der Sekundarstufe: Die Behörde erwartet, dass die betroffenen Schüler nach den Herbstferien auf andere Schulen gehen. Bleibt es dabei, wäre der gestrige Freitag für die Kinder und Jugendlichen der letzte Unterrichtstag an der Spinnereistraße. Die Schule will das nicht hinnehmen und wehrt sich.
Am Dienstag hatte es eine rund zweistündige Besprechung im Tübinger Behördengebäude gegen. Am Tisch: Vertreter des RP, der Schule sowie Wangens OB Michael Lang. Er war nach Bekanntwerden des Gerichtsbeschlusses in der vergangenen Woche von der Schule um Hilfe gebeten worden. In dem Spruch hatte des Verwaltungsgericht (VG) Sigmaringen in einem von der Schule angestrengten Eilverfahren den Widerruf der Genehmigung für die FSA zum Betrieb von Haupt-, Real- und Gemeinschaftsschule bestätigt. Dieser war im Sommer vor allem wegen eines festgestellten Mangels an (genügend qualifizierten) Lehrkräften verhängt worden.
Unklar war zuletzt noch, ob und wann die Schließung umgesetzt wird. Bei dem Gespräch jetzt in Tübingen hat das RP aber verdeutlicht: Die Teilschließung der Schule muss mit dem Ende der Herbstferien abgeschlossen sein. Das jedenfalls erklärte ein Sprecher der Behörde auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Der Grund nach seiner Darstellung: Es habe zwar einen „Austausch der Positionen“gegeben. Dabei habe das RP aber „keine Gesichtspunkte gesehen, von dem Vollzug Abstand zu nehmen“, so der Sprecher.
FSA-Anwälte pochen auf Zeit
Ganz anders beurteilt Stefan Schmaus die Lage: Der Vorsitzende des FSA-Trägervereins verweist auf die Einschätzung durch zwei von der Schule zu Rate gezogene Rechtsanwälte. Demnach dürfe die FSA auch für die Schüler der weiterführenden Jahrgänge nach den Herbstferien weiterhin ihre Türen öffnen. Unterricht für sie könne also nach wie vor stattfinden, wenn Schule beziehungsweise Träger Rechtsmittel einlegten. Juristisch berufen sich Schmaus und die Schul-Rechtsbeistände auf eine „aufschiebende Wirkung“gegen den Eilbeschlusses vom Montag vergangener Woche.
Ob sich die Schule gegen den Sigmaringer Richterspruch wehrt, darüber wurde bei einer Mitgliederversammlung beraten. Das Ergebnis stand bis Redaktionsschluss noch nicht fest. Schmaus ließ vorab im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“aber erkennen, nicht aufgeben zu wollen.
Zeit für eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof (VGH) Mannheim hätte die FSA binnen einer zweiwöchigen Frist nach Eingang des Eilbeschlusses. Diese endet kommende Woche Mittwoch. Denn nach Angaben von Stefan Schmaus war der Gerichtsentscheid am Mittwoch, 17. Oktober, beim Rechtsanwalt der Schule eingegangen.
Das VG Sigmaringen widerspricht allerdings der Auffassung der Schule, dass die mögliche Beschwerde bei der nächsten Instanz tatsächlich „aufschiebende Wirkung“hat. Er verweist auf die Prozessordnung, und nach der gelte diese nur bei „Ordnungs- oder Zwangsmitteln“, also zum Beispiel Geldbußen. „Das ist hier nicht Fall“, so Mors. Es sei in dem Eilverfahren juristisch um die „Prüfung eines Verwaltungsakts“gegangen. Nach Darstellung des VGSprechers wäre die „aufschiebende Wirkung“lediglich durch eine entsprechende Anordnung des Gerichts möglich gewesen: „Das ist aber nicht geschehen.“
Doch zurück zu dem Treffen am Dienstag in Tübingen. Von dem zeigte sich Stefan Schmaus im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“schwer enttäuscht: „Das Regierungspräsidium ist uns kein Stück entgegengekommen.“Dessen Vertreter hätten sich nur auf ihre „Kontrollfunktion“berufen und seien „überhaupt nicht“an Lösungen ohne Schließung interessiert gewesen.
„Wir sind uns unserer Fehler aus der Vergangenheit bewusst“, räumt der Vorsitzende des FSA-Trägervereins. Auch habe man den Willen zur Veränderung dargestellt. Zum Beispiel in Sachen Kommunikation und Organisation bereits in Angriff genommen und weiterhin geplant, diese bräuchten aber Zeit.
Frust nach Gespräch
Zu den Veränderungen zählt Schmaus auch Neueinstellungen. Dem RP sei die Argumentation aber „völlig wurscht“gewesen, dass die FSA aktuell über „hochmotivierte Lehrkräfte“verfüge. Menschen, die zudem bereit seien, sich weiterzubilden, um bemängelte fehlende Qualifikationen auszugleichen. Von diesen aber wollten sich die Behördenvertreter vor Ort an der Schule selbst „kein Bild machen“.
Unverständnis äußert Schmaus ferner darüber, wie das RP die Qualifikation beurteilt. Beispiel: Behörde wie Gericht hatten moniert, dass eine für andere Fremdsprachen ausgebildete Lehrkraft dauerhaft Englischunterricht gegeben habe. In der Schweiz habe die Frau das tun dürfen, nicht aber an der FSA.
Der Elternvertreter sieht durch die im Raum stehende Schließung überdies den Bestand der gesamten FSA gefährdet: Finanziell getragen zu großen Teilen durch die Beiträge der Eltern, sieht er durch den Wegfall von mehr als der Hälfte der aktuell 35 Schüler auch den nicht von dem (Rechts-)Streit betroffenen Grundschulbereich stark gefährdet: „Das wäre unser Ruin“, so Schmaus.
Als besonders bitter empfindet Schmaus die Haltung der Schulaufsicht zudem vor dem Hintergrund, dass staatliche Stellen bis dato in anderen Bereichen auf die FSA gesetzt hätten. Sie hätten die meisten der vergleichsweise zahlreichen Quereinsteiger an die Schule vermittelt. Jetzt werde die Lage der Schüler dagegen nicht berücksichtigt.
OB um Hilfe gebeten
Um die Kinder und Jugendlichen geht es vor allem OB Michael Lang, wie er im Gespräch mit der SZ erklärte. Von der Schule vergangene Woche um Hilfe gebeten, war er in Tübingen mit dabei und sieht sich in der Rolle des Vermittlers. Er habe für die Stadt zugesagt, der Schule zu helfen, „um aus dieser misslichen Situation herauszukommen“. Die Entscheidung des Gerichts beurteilte der gelernte Verwaltungsjurist allerdings als „vergleichsweise nüchtern und eindeutig“. Darüber hinaus sei die Zeit jetzt sehr knapp.
Konkret stellte der Rathauschef Unterstützung bei der Suche nach (Fach-)Räumen in Aussicht. Auch hier sah das RP bislang Mängel – wenngleich die FSA durch eine Kooperation mit der Freien Waldorfschule mittlerweile einen Chemieraum in unmittelbarer Nachbarschaft nutzen darf.
Personell und finanziell sieht der OB dagegen keinen städtischen Spielraum: Auf die Lehrerversorgung habe die Kommune auch bei den städtischen Schulen „keinen Zugriff“. Und finanzielle Verantwortung für eine private Schule könne sie nicht übernehmen.