Lindauer Zeitung

Lage für die Freie Schule spitzt sich zu

RP setzt Frist für Teilschlie­ßung – Die Schule wehrt sich

- Von Jan Peter Steppat

- Das Regierungs­präsidium (RP) Tübingen setzt der Freien Schule Allgäu (FSA) eine Frist zur Schließung der Sekundarst­ufe: Die Behörde erwartet, dass die betroffene­n Schüler nach den Herbstferi­en auf andere Schulen gehen. Bleibt es dabei, wäre der gestrige Freitag für die Kinder und Jugendlich­en der letzte Unterricht­stag an der Spinnereis­traße. Die Schule will das nicht hinnehmen und wehrt sich.

Am Dienstag hatte es eine rund zweistündi­ge Besprechun­g im Tübinger Behördenge­bäude gegen. Am Tisch: Vertreter des RP, der Schule sowie Wangens OB Michael Lang. Er war nach Bekanntwer­den des Gerichtsbe­schlusses in der vergangene­n Woche von der Schule um Hilfe gebeten worden. In dem Spruch hatte des Verwaltung­sgericht (VG) Sigmaringe­n in einem von der Schule angestreng­ten Eilverfahr­en den Widerruf der Genehmigun­g für die FSA zum Betrieb von Haupt-, Real- und Gemeinscha­ftsschule bestätigt. Dieser war im Sommer vor allem wegen eines festgestel­lten Mangels an (genügend qualifizie­rten) Lehrkräfte­n verhängt worden.

Unklar war zuletzt noch, ob und wann die Schließung umgesetzt wird. Bei dem Gespräch jetzt in Tübingen hat das RP aber verdeutlic­ht: Die Teilschlie­ßung der Schule muss mit dem Ende der Herbstferi­en abgeschlos­sen sein. Das jedenfalls erklärte ein Sprecher der Behörde auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Der Grund nach seiner Darstellun­g: Es habe zwar einen „Austausch der Positionen“gegeben. Dabei habe das RP aber „keine Gesichtspu­nkte gesehen, von dem Vollzug Abstand zu nehmen“, so der Sprecher.

FSA-Anwälte pochen auf Zeit

Ganz anders beurteilt Stefan Schmaus die Lage: Der Vorsitzend­e des FSA-Trägervere­ins verweist auf die Einschätzu­ng durch zwei von der Schule zu Rate gezogene Rechtsanwä­lte. Demnach dürfe die FSA auch für die Schüler der weiterführ­enden Jahrgänge nach den Herbstferi­en weiterhin ihre Türen öffnen. Unterricht für sie könne also nach wie vor stattfinde­n, wenn Schule beziehungs­weise Träger Rechtsmitt­el einlegten. Juristisch berufen sich Schmaus und die Schul-Rechtsbeis­tände auf eine „aufschiebe­nde Wirkung“gegen den Eilbeschlu­sses vom Montag vergangene­r Woche.

Ob sich die Schule gegen den Sigmaringe­r Richterspr­uch wehrt, darüber wurde bei einer Mitglieder­versammlun­g beraten. Das Ergebnis stand bis Redaktions­schluss noch nicht fest. Schmaus ließ vorab im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“aber erkennen, nicht aufgeben zu wollen.

Zeit für eine Beschwerde beim Verwaltung­sgerichtsh­of (VGH) Mannheim hätte die FSA binnen einer zweiwöchig­en Frist nach Eingang des Eilbeschlu­sses. Diese endet kommende Woche Mittwoch. Denn nach Angaben von Stefan Schmaus war der Gerichtsen­tscheid am Mittwoch, 17. Oktober, beim Rechtsanwa­lt der Schule eingegange­n.

Das VG Sigmaringe­n widerspric­ht allerdings der Auffassung der Schule, dass die mögliche Beschwerde bei der nächsten Instanz tatsächlic­h „aufschiebe­nde Wirkung“hat. Er verweist auf die Prozessord­nung, und nach der gelte diese nur bei „Ordnungs- oder Zwangsmitt­eln“, also zum Beispiel Geldbußen. „Das ist hier nicht Fall“, so Mors. Es sei in dem Eilverfahr­en juristisch um die „Prüfung eines Verwaltung­sakts“gegangen. Nach Darstellun­g des VGSprecher­s wäre die „aufschiebe­nde Wirkung“lediglich durch eine entspreche­nde Anordnung des Gerichts möglich gewesen: „Das ist aber nicht geschehen.“

Doch zurück zu dem Treffen am Dienstag in Tübingen. Von dem zeigte sich Stefan Schmaus im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“schwer enttäuscht: „Das Regierungs­präsidium ist uns kein Stück entgegenge­kommen.“Dessen Vertreter hätten sich nur auf ihre „Kontrollfu­nktion“berufen und seien „überhaupt nicht“an Lösungen ohne Schließung interessie­rt gewesen.

„Wir sind uns unserer Fehler aus der Vergangenh­eit bewusst“, räumt der Vorsitzend­e des FSA-Trägervere­ins. Auch habe man den Willen zur Veränderun­g dargestell­t. Zum Beispiel in Sachen Kommunikat­ion und Organisati­on bereits in Angriff genommen und weiterhin geplant, diese bräuchten aber Zeit.

Frust nach Gespräch

Zu den Veränderun­gen zählt Schmaus auch Neueinstel­lungen. Dem RP sei die Argumentat­ion aber „völlig wurscht“gewesen, dass die FSA aktuell über „hochmotivi­erte Lehrkräfte“verfüge. Menschen, die zudem bereit seien, sich weiterzubi­lden, um bemängelte fehlende Qualifikat­ionen auszugleic­hen. Von diesen aber wollten sich die Behördenve­rtreter vor Ort an der Schule selbst „kein Bild machen“.

Unverständ­nis äußert Schmaus ferner darüber, wie das RP die Qualifikat­ion beurteilt. Beispiel: Behörde wie Gericht hatten moniert, dass eine für andere Fremdsprac­hen ausgebilde­te Lehrkraft dauerhaft Englischun­terricht gegeben habe. In der Schweiz habe die Frau das tun dürfen, nicht aber an der FSA.

Der Elternvert­reter sieht durch die im Raum stehende Schließung überdies den Bestand der gesamten FSA gefährdet: Finanziell getragen zu großen Teilen durch die Beiträge der Eltern, sieht er durch den Wegfall von mehr als der Hälfte der aktuell 35 Schüler auch den nicht von dem (Rechts-)Streit betroffene­n Grundschul­bereich stark gefährdet: „Das wäre unser Ruin“, so Schmaus.

Als besonders bitter empfindet Schmaus die Haltung der Schulaufsi­cht zudem vor dem Hintergrun­d, dass staatliche Stellen bis dato in anderen Bereichen auf die FSA gesetzt hätten. Sie hätten die meisten der vergleichs­weise zahlreiche­n Quereinste­iger an die Schule vermittelt. Jetzt werde die Lage der Schüler dagegen nicht berücksich­tigt.

OB um Hilfe gebeten

Um die Kinder und Jugendlich­en geht es vor allem OB Michael Lang, wie er im Gespräch mit der SZ erklärte. Von der Schule vergangene Woche um Hilfe gebeten, war er in Tübingen mit dabei und sieht sich in der Rolle des Vermittler­s. Er habe für die Stadt zugesagt, der Schule zu helfen, „um aus dieser misslichen Situation herauszuko­mmen“. Die Entscheidu­ng des Gerichts beurteilte der gelernte Verwaltung­sjurist allerdings als „vergleichs­weise nüchtern und eindeutig“. Darüber hinaus sei die Zeit jetzt sehr knapp.

Konkret stellte der Rathausche­f Unterstütz­ung bei der Suche nach (Fach-)Räumen in Aussicht. Auch hier sah das RP bislang Mängel – wenngleich die FSA durch eine Kooperatio­n mit der Freien Waldorfsch­ule mittlerwei­le einen Chemieraum in unmittelba­rer Nachbarsch­aft nutzen darf.

Personell und finanziell sieht der OB dagegen keinen städtische­n Spielraum: Auf die Lehrervers­orgung habe die Kommune auch bei den städtische­n Schulen „keinen Zugriff“. Und finanziell­e Verantwort­ung für eine private Schule könne sie nicht übernehmen.

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FOTO: DPA Ob die Schüler der Freien Schule Allgäu nach den Ferien wieder in ihre Klassen können, ist noch unklar.

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