Kutschenmuseum: Traumwelt bei Hinterstein wiederbelebt
Zweieinhalb Jahre war das Kleinod geschlossen – Landratsamt hatte Neubau gefordert
BAD HINDELANG-HINTERSTEIN Er macht einen zufriedenen Eindruck, Martin Weber (56), der Betreiber des Kutschenmuseums in Hinterstein (Bad Hindelang). Dabei wollte der Sonthofer vor zweieinhalb Jahren alles hinschmeißen. Wegen Brandschutzproblemen im mystischen, dunklen Hütten-Wirrwarr musste er sein beliebtes Kleinod schließen. Jetzt ist der Neubau des Hauptgebäudes fertig – und wiedereröffnet.
Der Charakter ist gleichgeblieben. Webers Präsentation ist ein Sammelsurium aus Kutschen mit lebensgroßen Puppen darin. Die stecken mal in Tracht, sind mal mit Pelz bekleidet. Präparierte Waldtiere wie Fuchs und Reh stehen im Dunkeln neben Blumen und Grün aus Plastik. Glitzerketten leuchten über „beschneiten“Kunststoff-Tannen. Beruhigende Instrumentalmusik wabert über allem. Eine 43-jährige Urlauberin sagt, „vor allem Kinder können hier viel entdecken. Ich komme immer wieder.“
Es ist ein Ort der Stille. Zum Verweilen fehlt nur noch der Getränkeautomat. „Niemals kommt der, ich will doch keinen Kommerz hier haben“, sagt Weber. Inmitten des vielleicht 800 Quadratmeter großen Geländes plätschert Wasser in einen unscheinbaren Steinbrunnen. Drumherum unter stabilen Holz-Dachaufbauten reihen sich Kutschen aneinander, wie im Halbkreis geparkt. An den Überdachungen hängen Kupferkessel mit Plastikblumen und geschmiedete Pfannen, auch Wagenräder stehen herum. Weber ist ein Sammler, zweifelsohne. Urlauber Jörg Röhricht aus Gummersbach rümpft ein wenig die Nase. Er komme seit Jahren immer wieder, sagt. „Es ist überfrachtet, ganz früher war es eher ein Ort der Besinnung.“Dabei hat Weber doch in den vergangenen Monaten viele Fahrten mit dem Rad zum Wertstoffhof unternommen, um Tassen, Gläser, Kannen, Lampenschirme abzugeben. „Das war notwendig“, gibt er zu. Er erzählt von seinem Drang, immer alles noch besser machen zu wollen. Und da wird es wohl manchmal zu viel.
75 000 Euro habe er in den vergangenen beiden Jahren in den Neubau des Haupthauses gesteckt. Es ist ein Holzstadel ohne Boden, zu erkennen an den frischen roten Dachziegeln und innen an den neuen, hellen Holzbalken. „Die Wandbretter des ursprünglichen Gebäudes haben wir wieder verwertet“, sagt Weber. Sein Bruder Benedikt habe ihm viel geholfen, seine Schwägerin und Handwerker aus der Gemeinde. Er sei dankbar für Angebote, ihn finanziell zu unterstützen. Aber annehmen will er sie nicht, niemandem etwas schuldig bleiben.
Der verstorbene Bad Hindelanger Bürgermeister Adi Martin habe ihm 2016 immer wieder Kraft gegeben und auch die Gemeinde unterstützte ihn. Sie zahlte die Planung für den vom Landratsamt geforderten Neubau. Der ist 130 Quadratmeter groß und „die Fluchtwege sind, wie gefordert, überall da“, sagt Weber. Kein Museums-Labyrinth mehr. Lebensgroße Schweine, Rehe und Pferde aus Bronzeguss „weiden“vorm Hauptgebäude. Die hat sich Weber Stück für Stück selbst geschenkt. „Ich habe keine Kinder, lege keinen Wert auf Luxus, lebe ganz bescheiden.“Weber ist wegen einer Erkrankung arbeitsunfähig. Das Museum ist sein Lebenswerk. Es ist immer offen. Der Eintritt ist frei. Weber hofft, dass die nächste Generation mal froh ist, „dass es so etwas in Hinterstein gibt“.
Schätzungen zufolge kommen jedes Jahr Tausende Besucher – um in Webers Traumwelt einzutauchen. Die hat Kultstatus.