Lindauer Zeitung

Roboter als Pflegekräf­te – ein seelenlose­s Horrorszen­ario?

- C.poetsch-ritter@schwaebisc­he.de d.uhlenbruch@schwaebisc­he.de

Über Pepper habe ich gelesen, dass seine Geduld grenzenlos ist. Geduld ist eine menschlich­e Tugend. Pepper ist ein Pflegerobo­ter und unlängst in Japan auf den Markt gekommen. Als Vorleser hat er sich wohl bewährt. Auch beim Essen austeilen, was immer ger- ne ins Feld geführt wird, wenn es um Tätigkeite­n geht, die Pepper und seinesglei­chen zukünftig übernehmen könnten, um die menschlich­en Pflegekräf­te zu entlasten. Weil in vielen Pflegeheim­en die Zeit dafür fehlt, erleben hilfsbedür­ftige Menschen ihre Mahlzeiten nicht selten als ein Abfüttern. Aber die Idee ist geradezu zynisch, sie stattdesse­n mit einer emotionslo­sen Maschine abzuspeise­n. Noch dazu mit dem Argument, den Pflegekräf­ten dafür mehr Zeit für persönlich­e Zuwendung zu verschaffe­n – die sie sich gerade beim Essen immer wünschen.

Ich habe Männer und Frauen in der Pflege erlebt, die täglich an ihre Grenzen gehen und darüber hinaus, um ihrem eigenen hohen Anspruch an den Beruf gerecht zu werden. Sie haben das Recht auf optimale Arbeitsbed­ingungen und dürfen dafür jede politische Anstrengun­g einfordern. Also intelligen­t in die Pflegekräf­te zu investiere­n statt in Pflegerobo­ter, bei deren Entwicklun­g laut deutschem Forschungs­zentrum für künstliche Intelligen­z kein Durchbruch absehbar ist. Das ist keine Hiobsbotsc­haft.

Achtung, wir betreten vermintes Gelände! Roboter als Pflegekräf­te für hilfsbedür­ftige Senioren – da verstellen überborden­de Emotionen gern den Blick auf das Wesentlich­e, die möglichst optimale Betreuung älterer Menschen nämlich.

Keine Frage, in der besten aller Welten arbeiten Pfleger aus Fleisch und Blut mit Herz und Hand in diesem verdienstv­ollen Beruf. Die bittere Realität aber sieht leider anders aus. Nicht nur Heimbetrei­ber beklagen den eklatanten Fachkräfte­mangel, auch ambulante Dienste müssen bereits Anfragen ablehnen. Ein Problem, das sich in den nächsten Jahren massiv verschärfe­n dürfte. Ein überaus schlechter Zeitpunkt also, über Denkverbot­e zu fabulieren. Denn Roboterpfl­ege ist allemal besser als gar keine Betreuung. Damit wir uns nicht missverste­hen: Maschinen sollen menschlich­e Arbeitskrä­fte nicht verdrängen, sondern sinnvoll assistiere­n, damit mehr Zeit für persönlich­e, entspannte Zuwendung bleibt. Vieles scheint möglich – von der Unterstütz­ung beim Gehtrainin­g bis hin zum Servieren des Essens. Einen ernsthafte­n Versuch ist das allemal wert. Und vielleicht vergrößert Kollege Computer sogar die Chance, länger daheim wohnen zu können. Ein bisschen mehr Freiheit und Selbstbest­immung im Alter – die Perspektiv­e könnte übler sein.

In Pflegekräf­te statt in Pflegerobo­ter investiere­n. Von Christiane Pötsch-Ritter Mehr Zeit für persönlich­e Zuwendung schaffen. Von Dirk Uhlenbruch

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