Lindauer Zeitung

Unser tägliches Brot nicht mehr wegwerfen

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E s gibt einen Haufen Statistike­n, die lassen uns kalt, weil wir deren Dimensione­n einfach nicht fassen können. Wenn es zum Beispiel heißt, dass jährlich eine Fläche Regenwald abgeholzt wird, die der Ausdehnung von Griechenla­nd entspricht, hinterläss­t das ein merkwürdig­es Gefühl. Aber kein blankes Entsetzen, denn: Bei uns gibt es ja keinen Regenwald. Der ist irgendwo da drüben in Südamerika. Diese Verschwend­ung irdischer Ressourcen bleibt für uns abstrakt.

Eine andere Art von Verschwend­ung berührt uns da schon eher, weil sie uns viel näher liegt: das Wegwerfen von Brot. Laut einer Studie des WWF (World Wide Fund For Nature) schmeißen wir in Deutschlan­d jährlich 1,7 Millionen Tonnen Backwaren einfach weg. Das entspricht dem Ackerland von fast 400 000 Hektar, die von Landwirten für die Tonne bewirtscha­ftet werden. Vielleicht versetzt vielen von uns die Verschwend­ung von Brot deshalb einen leichten Stich, weil schon im Vaterunser die Rede vom täglich’ Brot ist, was ihm eine fast heilige Bedeutung beschert. Nicht zuletzt deshalb empfinden es viele Menschen geradezu als Sünde, Brot und Brötchen wegzuwerfe­n, nur weil sie nicht mehr ganz frisch sind. Was noch dazu kommt: Brot wegschmeiß­en heißt auch Geld in die Tonne treten. Dabei ist gerade altbackene­s Brot die Grundlage für so viele Genüsse, sodass die Brotversch­wendung nicht nur moralisch fraglich, sondern auch ausgesproc­hen dämlich ist. Denn es gibt wirklich keinen Grund, Backwaren zu entsorgen, solange sie nicht schimmeln – und das tun sie nicht, wenn sie in Papiertüte­n aufbewahrt werden. Auf diese Weise trocknen sie höchstens aus, was je nach Abstufung der Trockenhei­t großartige Möglichkei­ten der Weitervera­rbeitung eröffnet.

Nehmen wir zum Beispiel ein Brötchen: Am Tag nach dem Backen ist es ideal um einfach so gegessen zu werden. Basta! Wer sagt, das sei ihm nicht frisch genug, ist vielleicht selbst nicht mehr ganz frisch. Zwei Tage danach wird’s interessan­t. Die Backwaren können jetzt ideal in Scheiben von etwa einem halben Zentimeter geschnitte­n werden, was sie zum optimalen Knödelbrot macht. Das funktionie­rt übrigens auch noch mit Brot, das eine Woche alt ist. Das Schneiden ist dann ein bisschen mühsamer und der Knödelteig verträgt ein Ei oder etwas Milch mehr – aber gerade die Knödel, die aus unterschie­dlichen Brotresten bestehen, haben besonders viel Geschmack.

Wenige Tage alte Backwaren sind in Würfel geschnitte­n und fettfrei in einer Pfanne angeröstet übrigens die Krönung für Salate oder Suppen. Ist das Brot komplett ausgetrock­net, dann lässt es sich bestens zu Bröseln verarbeite­n – zum Beispiel in einem Standmixer oder mit der Moulinette. Auch hier gilt: Brösel aus Sauerteigb­rot haben ein anderes Aroma als jene, die von weißen Brötchen oder Brezeln stammen.

Und was tun damit? Zum Panieren eingesetzt oder in der Pfanne angeröstet, bereichern sie jede Art von Gemüse. In Süditalien wurden und werden aus Sparsamkei­tsgründen geröstete Semmelbrös­el statt des viel teureren Parmesans über Nudelgeric­hte gegeben. Pangrattat­o heißt diese Alternativ­e – und schmeckt wirklich ausgezeich­net.

Ein Haushalt, der sich dieser Möglichkei­ten der Brotverwer­tung bedient, wird nicht nur Geld sparen, sondern auch Genuss gewinnen. Denn der herzhafte Geschmack gereiften Brotes, der in Croutons, Bröseln und Knödeln voll erblüht, ist mit Frischware gar nicht zu erzeugen.

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FOTO: IMAGO Zu viel gekauft? Wenn Brot trocken und hart ist, wird es oft weggeworfe­n. Dabei kann man es in der Küche noch gut verwenden.
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Von Erich Nyffenegge­r

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