So verändert sich die Suche nach Arbeitskräften
Die Digitalisierung beeinflusst das Recruiting und damit auch die Bewerbung – Einsatz von künstlicher Intelligenz
Bewerbung mit nur einem Klick, Software für den ersten Kandidatencheck, Handyvideos statt Anschreiben: Die Digitalisierung verändert die Suche nach Arbeitskräften und die Art und Weise, wie Stellen vermittelt werden. Der Trend geht weg von klassischen Bewerbungsunterlagen samt Anschreiben und Lebenslauf.
Es handelt sich um einen grundsätzlichen Wechsel – und Personaler sind jetzt verstärkt selbst gefragt. In der Fachwelt spricht man von Active Sourcing. Recruiter oder Headhunter machen sich selbst auf die Suche nach geeigneten Kandidaten. Das passiert vor allem über digitale Netzwerke. „Im akademischen Bereich sind hier Xing oder Linkedin beliebte Wege“, sagt Professor Armin Trost, der an der Business School der Hochschule Furtwangen Personalmanagement lehrt. Diese Netzwerke dienen speziell der Pflege von beruflichen und geschäftlichen Kontakten. „Wer Personaler auf sich aufmerksam machen möchte, sollte sein Profil in jedem Fall gut pflegen“, rät Trost.
Der Experte empfiehlt, die eigene Onlinepräsenz nicht nur auf die klassischen Karrierenetzwerke zu beschränken. „Je nach Berufsgruppe kann ich einen fachlichen Blog schreiben oder über Twitter Stellung zu aktuellen Entwicklungen beziehen.“Das schärfe das eigene Profil und könne die Person für Recruiter besonders interessant machen.
Erst mal nur Interesse bekunden
Entsteht auf diesem Weg ein Kontakt, tauschen die Beteiligten zunächst Eckdaten zur offenen Stelle aus. Für Trost ist das ein besserer Weg, als komplette Unterlagen ohne vorherigen Kontakt zu versenden: „Dabei fällt man ja mit der Tür ins Haus“, sagt der Experte. „Es sollte eher ein Prozess der Anbahnung sein.“Man äußert per Klick Interesse an einem Job, das Unternehmen kann dann darauf reagieren. Das könne Bewerbern viel Arbeit sparen, die auf dem klassischen Weg erst ein individuelles Anschreiben formulieren und den Lebenslauf anpassen müssen.
Bewerber, die sich aktiv auf eine Stelle melden, können auch neue digitale Dialog-Kanäle nutzen. Einige Unternehmen bieten potenziellen Kandidaten die Möglichkeit, über den Messaging-Dienst WhatsApp Interesse an einem Job zu äußern und Fragen zu stellen. Andere Arbeitgeber haben auf ihren Webseiten Chatbots – Computerprogramme, die automatisiert mit dem Anwender kommunizieren und Fragen beantworten. „Wir können einen ansteigenden Einsatz dieser Lösungen beobachten“, sagt Martina Niemann, Präsidiumsmitglied des Bundesverbands der Personalmanager (BPM).
Zudem haben digitale Bewerberplattformen viele Prozesse vereinfacht und neue Möglichkeiten eröffnet. Wer sich zum Beispiel online bei Siemens bewirbt, hat die Option, das Anschreiben wegzulassen. Der Lebenslauf und ein Link zum LinkedinProfil genügen. Der Versandhändler Otto möchte ebenfalls kein Anschreiben – stattdessen beantworten Kandidaten online einige Motivationsfragen.
Videointerviews sind für junge Bewerber oft das Mittel der Wahl. „Die Kandidaten laden neben ihren Bewerbungsunterlagen auch ein Handy-Video hoch. Darin antworten sie meist auf standardisierte Fragen des ausgewählten Unternehmens“, erklärt Martina Niemann das Prozedere. Die Bewerber können so schon vor dem persönlichen Gespräch einen umfassenden Eindruck von sich ermöglichen.
Eine sogenannte One-Click-Bewerbung kann ein noch direkterer Weg von Bewerber zu Unternehmen sein. Kandidaten laden mit dem Klick auf einen Button in der Stellenanzeige den vorbereiteten Lebenslauf hoch oder versenden einen Link zu ihrem Profil in einem BusinessNetzwerk. Das ist eine Form, die sich zunehmend etabliert. Denn in bestimmten Branchen sind gute Leute gesucht. „Entsprechend haben die Kandidaten eine ganz andere Anspruchshaltung“, sagt Martina Weiner, Geschäftsführerin der Personalberatung „i potentials“in Berlin. Da fehlt schon mal die Motivation, viel Zeit in jede Bewerbung zu stecken.
Ideale Zielgruppe ansprechen
„Damit die One-Click-Bewerbung Vorteile bringt, müssen Unternehmen gut darin sein, ihre ideale Bewerberzielgruppe anzusprechen“, sagt Weiner. Sonst folgt Frust auf beiden Seiten: „Für Recruiter, weil sie jede Menge Bewerbungen bekommen, die nicht passen, und die sie trotzdem abarbeiten müssen. Und zwangsläufig auch für Bewerber, weil sie ewig auf eine Antwort warten.“
Der Blick in die Zukunft zeigt, dass die Stellenvermittlung bald noch stärker automatisiert ablaufen kann. Und zwar dann, wenn künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt. „Etwa beim sogenannten Matching, also dem automatischen Abgleich von Kandidatenprofilen und Unternehmensanforderungen“, erklärt Weiner. Hier steht die Entwicklung noch am Anfang. „Diese Technologie benötigt jede Menge Daten, um wirklich vernünftig die Eignung eines Kandidaten zu prognostizieren“, sagt Weiner. „Da wird es zum einen mit dem Datenschutz schwierig, zum anderen braucht es einfach viel Zeit.“
Martina Niemann vom BPM glaubt, dass die Technik in der Personalauswahl irgendwann an ihre Grenzen stößt. „Man sollte bei aller Euphorie und Effizienzdenke immer im Blick haben, dass künstliche Intelligenz nur die Zuarbeit leistet“, sagt die Expertin. „Die Entscheidung über einen Kandidaten muss am Ende immer der Mensch treffen.“(dpa)