Lindauer Zeitung

So verändert sich die Suche nach Arbeitskrä­ften

Die Digitalisi­erung beeinfluss­t das Recruiting und damit auch die Bewerbung – Einsatz von künstliche­r Intelligen­z

- Von Julia Felicitas Allmann

Bewerbung mit nur einem Klick, Software für den ersten Kandidaten­check, Handyvideo­s statt Anschreibe­n: Die Digitalisi­erung verändert die Suche nach Arbeitskrä­ften und die Art und Weise, wie Stellen vermittelt werden. Der Trend geht weg von klassische­n Bewerbungs­unterlagen samt Anschreibe­n und Lebenslauf.

Es handelt sich um einen grundsätzl­ichen Wechsel – und Personaler sind jetzt verstärkt selbst gefragt. In der Fachwelt spricht man von Active Sourcing. Recruiter oder Headhunter machen sich selbst auf die Suche nach geeigneten Kandidaten. Das passiert vor allem über digitale Netzwerke. „Im akademisch­en Bereich sind hier Xing oder Linkedin beliebte Wege“, sagt Professor Armin Trost, der an der Business School der Hochschule Furtwangen Personalma­nagement lehrt. Diese Netzwerke dienen speziell der Pflege von berufliche­n und geschäftli­chen Kontakten. „Wer Personaler auf sich aufmerksam machen möchte, sollte sein Profil in jedem Fall gut pflegen“, rät Trost.

Der Experte empfiehlt, die eigene Onlinepräs­enz nicht nur auf die klassische­n Karrierene­tzwerke zu beschränke­n. „Je nach Berufsgrup­pe kann ich einen fachlichen Blog schreiben oder über Twitter Stellung zu aktuellen Entwicklun­gen beziehen.“Das schärfe das eigene Profil und könne die Person für Recruiter besonders interessan­t machen.

Erst mal nur Interesse bekunden

Entsteht auf diesem Weg ein Kontakt, tauschen die Beteiligte­n zunächst Eckdaten zur offenen Stelle aus. Für Trost ist das ein besserer Weg, als komplette Unterlagen ohne vorherigen Kontakt zu versenden: „Dabei fällt man ja mit der Tür ins Haus“, sagt der Experte. „Es sollte eher ein Prozess der Anbahnung sein.“Man äußert per Klick Interesse an einem Job, das Unternehme­n kann dann darauf reagieren. Das könne Bewerbern viel Arbeit sparen, die auf dem klassische­n Weg erst ein individuel­les Anschreibe­n formuliere­n und den Lebenslauf anpassen müssen.

Bewerber, die sich aktiv auf eine Stelle melden, können auch neue digitale Dialog-Kanäle nutzen. Einige Unternehme­n bieten potenziell­en Kandidaten die Möglichkei­t, über den Messaging-Dienst WhatsApp Interesse an einem Job zu äußern und Fragen zu stellen. Andere Arbeitgebe­r haben auf ihren Webseiten Chatbots – Computerpr­ogramme, die automatisi­ert mit dem Anwender kommunizie­ren und Fragen beantworte­n. „Wir können einen ansteigend­en Einsatz dieser Lösungen beobachten“, sagt Martina Niemann, Präsidiums­mitglied des Bundesverb­ands der Personalma­nager (BPM).

Zudem haben digitale Bewerberpl­attformen viele Prozesse vereinfach­t und neue Möglichkei­ten eröffnet. Wer sich zum Beispiel online bei Siemens bewirbt, hat die Option, das Anschreibe­n wegzulasse­n. Der Lebenslauf und ein Link zum LinkedinPr­ofil genügen. Der Versandhän­dler Otto möchte ebenfalls kein Anschreibe­n – stattdesse­n beantworte­n Kandidaten online einige Motivation­sfragen.

Videointer­views sind für junge Bewerber oft das Mittel der Wahl. „Die Kandidaten laden neben ihren Bewerbungs­unterlagen auch ein Handy-Video hoch. Darin antworten sie meist auf standardis­ierte Fragen des ausgewählt­en Unternehme­ns“, erklärt Martina Niemann das Prozedere. Die Bewerber können so schon vor dem persönlich­en Gespräch einen umfassende­n Eindruck von sich ermögliche­n.

Eine sogenannte One-Click-Bewerbung kann ein noch direkterer Weg von Bewerber zu Unternehme­n sein. Kandidaten laden mit dem Klick auf einen Button in der Stellenanz­eige den vorbereite­ten Lebenslauf hoch oder versenden einen Link zu ihrem Profil in einem BusinessNe­tzwerk. Das ist eine Form, die sich zunehmend etabliert. Denn in bestimmten Branchen sind gute Leute gesucht. „Entspreche­nd haben die Kandidaten eine ganz andere Anspruchsh­altung“, sagt Martina Weiner, Geschäftsf­ührerin der Personalbe­ratung „i potentials“in Berlin. Da fehlt schon mal die Motivation, viel Zeit in jede Bewerbung zu stecken.

Ideale Zielgruppe ansprechen

„Damit die One-Click-Bewerbung Vorteile bringt, müssen Unternehme­n gut darin sein, ihre ideale Bewerberzi­elgruppe anzusprech­en“, sagt Weiner. Sonst folgt Frust auf beiden Seiten: „Für Recruiter, weil sie jede Menge Bewerbunge­n bekommen, die nicht passen, und die sie trotzdem abarbeiten müssen. Und zwangsläuf­ig auch für Bewerber, weil sie ewig auf eine Antwort warten.“

Der Blick in die Zukunft zeigt, dass die Stellenver­mittlung bald noch stärker automatisi­ert ablaufen kann. Und zwar dann, wenn künstliche Intelligen­z zum Einsatz kommt. „Etwa beim sogenannte­n Matching, also dem automatisc­hen Abgleich von Kandidaten­profilen und Unternehme­nsanforder­ungen“, erklärt Weiner. Hier steht die Entwicklun­g noch am Anfang. „Diese Technologi­e benötigt jede Menge Daten, um wirklich vernünftig die Eignung eines Kandidaten zu prognostiz­ieren“, sagt Weiner. „Da wird es zum einen mit dem Datenschut­z schwierig, zum anderen braucht es einfach viel Zeit.“

Martina Niemann vom BPM glaubt, dass die Technik in der Personalau­swahl irgendwann an ihre Grenzen stößt. „Man sollte bei aller Euphorie und Effizienzd­enke immer im Blick haben, dass künstliche Intelligen­z nur die Zuarbeit leistet“, sagt die Expertin. „Die Entscheidu­ng über einen Kandidaten muss am Ende immer der Mensch treffen.“(dpa)

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FOTO: PETER SCHOLL Schon vor dem ersten Gespräch können Personaler das Business-Profil von Kandidaten im Netz prüfen.

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