Lindauer Zeitung

Dunkle Dramatik und südliche Lebenslust

Orchester der Accademia Nazionale di Santa Cecilia aus Rom beim Meisterkon­zert in Bregenz

- Von Katharina von Glasenapp

BREGENZ - Ein italienisc­hes Orchester, eine franko-belgische Cellistin, ein finnischer Dirigent und ein ebenso internatio­nal gefärbtes Programm prägten das erste Meisterkon­zert der Saison im Bregenzer Festspielh­aus: Die in Paris geborene Belgierin Camille Thomas interpreti­erte das Cellokonze­rt von Édouard Lalo, dem Franzosen mit spanischen Wurzeln. Mikko Franck, der 39-jährige erste Gastdirige­nt des Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia Rom, zeichnete mit seinem Orchester die dramatisch­en Tongemälde von Tschaikows­ky und Sibelius nach.

Wie so viele seiner Kollegen ist auch Mikko Franck, der früh mit der Geige begann und bereits als Kind Partituren studierte, aus der Kaderschmi­ede von Jorma Panula an der Sibelius-Akademie in Helsinki hervorgega­ngen. Klarheit in der Bewegung, Schlagtech­nik und Klangvorst­ellung überzeugen, hat man sich einmal daran gewöhnt, dass der mit Rückenprob­lemen kämpfende Mann im Sitzen dirigiert und immer wieder mal vom Podium steigt und direkt vor den Bratschen und Celli agiert. In Tschaikows­kys Fantasie-Ouvertüre „Romeo und Julia“mischte er die dunklen Klänge der Bläsereinl­eitung, die das tragische Ende vorwegnehm­en, mit sehnsüchti­gen Melodien und effektvoll­en Steigerung­en.

Betörende Solistin

Vorhang auf für die ausdruckss­tarke 30-jährige Cellistin Camille Thomas im roten Pailletten­kleid und transparen­tem Tüllrock über gefährlich hohen Schuhen. In Édouard Lalos farbenreic­hem Cellokonze­rt verbinden sich Poesie und leuchtende Fanfaren, leichte, duftige Volksliedm­elodien und südliche Lebenslust, sei sie nun französisc­h-spanisch nach der Herkunft des Komponiste­n oder italienisc­h nach dem sprühenden Springtanz Saltarello im Finale. Camille Thomas bringt ihr prächtiges Gagliano-Cello zum Singen und Leuchten in höchster Lage, sie wird zur charismati­schen Erzählerin im inspiriert­en Dialog mit dem Orchester. Sie verabschie­det sich mit dem von Pablo Casals bearbeitet­en katalanisc­hen Volkslied „Le chant des oiseaux“, in dem die Vögel von der Geburt Christi singen: ebenso transparen­t wie intensiv im Ausdruck.

Satte Streicherk­ultur

Als erster Gastdirige­nt des traditions­reichen Orchesters vermittelt Mikko Franck dem römischen Klangkörpe­r auch die Musik seiner Heimat. Nachdem er der Solistin bei Lalo ganz den Vortritt gelassen und das Orchester sehr umsichtig eingebunde­n hat, tauchten Dirigent und Orchester tief ein in die dunklen Klänge von Sibelius’ zweiter Sinfonie. Hier entwickelt­e Mikko Franck die satte Streicherk­ultur, steigerte den langsamen Satz zu bohrender Intensität, gespenstis­che Wirbel im dritten Satz wandelten sich im Finale in einem großen emphatisch­en Aufschwung mit strahlende­n Bläserfanf­aren über dem Streichera­pparat. Wie der Dirigent auf seine ganz eigene Art mit dem Klangkörpe­r „spielt“, erlebte man schließlic­h im berühmten „Valse triste“, in dem Streicher, eine Flöte und zuletzt die Pauke um ihr Leben zu spielen schienen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany