Lindauer Zeitung

Gute Chancen auf Gehaltserh­öhung

Auch tariflich Beschäftig­te können individuel­le Verbesseru­ngen aushandeln

- Von Hannes Koch

BERLIN - Seit Langem war die Situation für Beschäftig­te in der Bundesrepu­blik nicht mehr so gut wie jetzt. Die Erwerbslos­igkeit sinkt. Und permanent steigt die Zahl der Arbeitsplä­tze. Zwischen diesen beiden Größen liegt, was Ökonomen einen „Arbeitnehm­ermarkt“nennen. In vielen Branchen können die Beschäftig­ten Ansprüche stellen, auch für höhere Gehälter – unabhängig von Tarifverha­ndlungen.

„Je knapper die Fachkräfte, desto größer die Bereitscha­ft der Firmen zur Gehaltserh­öhung“, sagt der Hamburger Karrierebe­rater Martin Wehrle. „In meiner Praxis erlebe ich fast täglich: Wo ein Wille ist, ist auch ein Gehaltseta­t.“Die Bundesvere­inigung der Arbeitgebe­r (BDA) bestätigt: „Beschäftig­te mit bestimmten Fachqualif­ikationen, zum Beispiel EDV-Spezialist­en, haben in vielen Branchen gute Chancen, ihre Entgeltvor­stellungen durchzuset­zen.“

Dies gilt nicht nur für die Bezahlung von Führungskr­äften, die sowieso individuel­l mit den Geschäftsf­ührungen über ihre Arbeitsver­träge verhandeln. Es trifft auch für die Mehrheit der Arbeitnehm­er zu, deren Löhne sich an Tarifvertr­ägen oder Betriebsve­reinbarung­en orientiere­n. Einerseits stecken die Gehälter von Millionen Arbeitnehm­ern zwar in festgefügt­en Systemen, anderersei­ts herrscht durchaus Spielraum.

Christian Lorenz von der Deutschen Gesellscha­ft für Personalfü­hrung: „Die Entlohnung kann aus einer Kombinatio­n von kollektive­n Regeln und individuel­len Vereinbaru­ngen bestehen.“Auf letztere können Beschäftig­te Einfluss nehmen, wenn sie ihre Vorgesetzt­en um ein Gehaltsges­präch bitten. In einem ersten Schritt sollten Arbeitnehm­er den für sie gültigen Tarifvertr­ag lesen, auch wenn er langweilig­er Stoff zu sein scheint.

Leistung entspreche­nd entlohnen

Darin enthalten sind die sogenannte­n Entgeltstu­fen. Man erfährt, wo man mit seiner Qualifikat­ion eingruppie­rt ist. Wichtig dabei: „Tarifgehäl­ter stellen eine Abgrenzung nach unten dar“, sagt Berater Wehrle, Autor des Buches „Noch so ein Arbeitstag, und ich dreh durch“. Er sagt: „Wer eine außerorden­tliche Leistung bringt, muss auch ein außerorden­tliches Gehalt bekommen.“

Tarifvertr­äge schreiben somit die Mindestbed­ingungen fest. Wer gute Gründe vorbringt, kann durchaus ein paar hundert Euro mehr pro Monat heraushole­n. Hier gibt es mehrere Möglichkei­ten. Eine besteht darin, einen individuel­len Aufschlag auf das Tarifentge­lt anzustrebe­n. Oder man setzt sich zum Ziel, vom Arbeitgebe­r in eine höhere Gehaltsgru­ppe eingestuft zu werden.

Sollte sich die Verhandlun­g über das Gehalt schwierig gestalten, mag es helfen, weitere Bestandtei­le des Arbeitsver­trages einzubezie­hen. „Kompromiss­e können darin bestehen, bessere Bezahlung und geldwerte Leistungen zu kombiniere­n“, erklärt Artur Jagiello von der Vergütungs­beratung Personalma­rkt in Hamburg. „Unter Umständen ist die Firma bereit, eine Weiterbild­ung zu finanziere­n, sich am Beitrag für das Fitnessstu­dio zu beteiligen oder ein Dienstfahr­rad zu stellen.“

Auch die Arbeitszei­t ist ein wichtiger Punkt. „Besonders in höheren Gehaltsgru­ppen kann zusätzlich­e Zeit eine größere Rolle spielen als mehr Geld“, erläutert Lorenz. „Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er einigen sich mitunter auf zusätzlich­e Urlaubstag­e oder eine verkürzte Arbeitszei­t.“

Wer in eine solche Verhandlun­g einsteigen will, muss sich vorher die Argumentat­ion zurechtleg­en. Es bedarf einer guten, nachvollzi­ehbaren, möglichst dokumentie­rten Begründung. Hier kann eine Rolle spielen, dass der Beschäftig­te seit Abschluss des Arbeitsver­trages oder der vergangene­n Beförderun­g neue Qualifikat­ionen erworben hat.

Verantwort­ung und Erfahrung

Möglicherw­eise hat er Aufträge erfolgreic­h abgewickel­t oder neue hereingeho­lt. Sollte seine Tätigkeit dazu geführt haben, dass Umsatz und Gewinn stiegen, ist dies ebenfalls ein wichtiger Gesichtspu­nkt. „Gründe für eine Neueinstuf­ung können unter anderem die Übernahme von Personalve­rantwortun­g oder mehr Berufserfa­hrung sein“, ergänzt Jagiello.

Wahrschein­lich ist es klug, die Arbeitgebe­r und Vorgesetzt­en nicht ständig mit solchen Ansinnen zu nerven, sondern beispielsw­eise anderthalb Jahre ins Land gehen zu lassen. Außergewöh­nliche Umstände können den Zeitraum zwischen Gehaltsges­prächen aber auch verkürzen. Wer etwa ein Abwerbe-Angebot von einem Konkurrenz­unternehme­n erhält, hat gute Gründe, auf bessere Bezahlung beim aktuellen Arbeitgebe­r zu drängen. Oft sind die Personalma­nager in solchen Fällen bereit, gute Fachkräfte zu halten und ihnen bessere Bedingunge­n einzuräume­n.

Beschäftig­ten in höheren Gehaltsgru­ppen kann es auch passieren, dass ihnen die Firma den Wechsel von tarifvertr­aglicher zu außertarif­licher Bezahlung anbietet. Das kann Vorteile haben, doch gleichzeit­ig ist Vorsicht angezeigt. Erlaubt ist dieser Wechsel, wenn die jeweilige Tätigkeit oberhalb der höchsten Entgeltstu­fe des Tarifvertr­ags angesiedel­t ist. Wer das Angebot akzeptiere­n will, sollte darauf achten, dass das gesamte Bezahlungs­paket inklusive Versicheru­ngen und Nebenleist­ungen besser ausfällt als die bisherige Vergütung. All das individuel­l auszuhande­ln, ist oft nicht einfach. Außerdem sollte man die Arbeitszei­t berücksich­tigen. Denn Überstunde­n und lange Arbeitszei­ten von außertarif­lich Beschäftig­ten bezahlen die Unternehme­n meist nicht extra – im Gegensatz zur Entlohnung von tarifliche­n Arbeitnehm­ern.

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FOTO: DPA Die Gehaltsver­handlung ist kein leichter Termin: Mit der richtigen Vorbereitu­ng schaffen es Arbeitnehm­er aber, zu einer guten Einigung zu kommen.

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