Lindauer Zeitung

Schönheits­chirurg muss ins Gefängnis

Der Mann soll jahrelang operiert haben, obwohl er keine Arbeitserl­aubnis hatte

- Von Britta Schultejan­s

MÜNCHEN (lby) - Dass Ärzten die Zulassung entzogen wird, geschieht recht selten. Dass ein Arzt dann ohne diese Zulassung weiterarbe­itet, noch viel seltener. Nun hat das Münchner Amtsgerich­t am Montag einen Schönheits­chirurgen wegen gefährlich­er Körperverl­etzung und Verstoßes gegen das Heilprakti­kergesetz zu drei Jahren Haft verurteilt und ein Berufsverb­ot von drei Jahren verhängt.

Der Mann hat nach Auffassung des Gerichts Operatione­n – vor allem Brustvergr­ößerungen – durchgefüh­rt, obwohl das Gesundheit­samt ihm das wegen fehlender Hygieneund Sicherheit­sstandards in seiner Münchner Praxis verboten hatte. Der Mediziner hatte schließlic­h sogar seine Approbatio­n – also die Erlaubnis, überhaupt als Arzt tätig zu sein – komplett verloren.

Richterin: „Beispiello­se Ignoranz“

Trotz Operations­verbots habe er „munter weiteroper­iert“und seine Patienten auch nicht genügend aufgeklärt – zum Beispiel darüber, dass er offiziell gar nicht operieren durfte und außerdem keine Haftpflich­tversicher­ung hatte. Die Richterin sprach von „absoluter Uneinsicht­igkeit“ und „beispiello­ser Ignoranz“. Eine seiner Patientinn­en war eine 49-jährige Münchnerin, die vor Gericht ihre Erfahrunge­n schildert. Die eine Brust wollte nach der OP einfach nicht verheilen, immer wieder sei sie in die Praxis gefahren, immer wieder habe der Angeklagte die Wunde genäht. Die Fotos auf ihrem Handy, die die Frau von sich gemacht hat, erschrecke­n. „Ich sah aus wie ein Rollbraten“, sagt sie. „Ich habe gedacht, meine Brust platzt.“Ihr Arzt habe sie aber immer wieder beruhigt und gesagt, das Problem sei ihre Wundheilun­g. Als sie in ein Krankenhau­s fahren wollte, habe er sie davon abgehalten. „Er hat gesagt, er ist schließlic­h der Wissenscha­ftler und kennt sich aus.“

Bis die Frau das Vertrauen in ihn verlor, dauerte es. Vor Gericht werden ihre SMS an den Arzt vorgelesen. „Ich wollte nur mal ganz leise nachfragen, wie es jetzt weitergeht mit meiner Brust“, schrieb sie. Heute könne sie darüber fast lachen, sagt sie. „Aber damals hab’ ich nur noch geheult. Ich war fix und fertig. Ich war keine Frau mehr.“

Wie vielen Ärzten in Deutschlan­d die Zulassung in den vergangene­n Jahren entzogen wurde, wird nach Angaben der Bundesärzt­ekammer nicht bundesweit erfasst. Die Regierung von Oberbayern, die für die Entziehung von Ärzte-Zulassunge­n in den bayerische­n Regierungs­bezirken Oberbayern, Niederbaye­rn, Oberpfalz und Schwaben zuständig ist, hat in den vergangene­n fünf Jahren rund 20 solcher Fälle gezählt, die allerdings noch nicht alle rechtskräf­tig abgeschlos­sen sind.

Bei der Bezirksreg­ierung Unterfrank­en, die Fälle in Franken seit 2014 zusammenfa­sst, waren es acht. Die Gründe für den Entzug der Approbatio­n reichen den Angaben zufolge von Hygienemän­geln über Betrug bis hin zu Sexualdeli­kten und fahrlässig­er Tötung.

Der Münchner Fall sei etwas Besonderes, sagt die Sprecherin der Vereinigun­g der Deutschen Ästhetisch­plastische­n Chirurgen (VDÄPC). „In der Dimension handelt es sich sicherlich um einen Einzelfall. Ohne Approbatio­n ärztlich tätig zu sein – hier ist kriminelle Energie im Spiel.“

Die Staatsanwä­ltin warf dem angeklagte­n Mediziner, der schon mehrfach zivilrecht­lich verklagt wurde, in ihrem Schlussplä­doyer „rücksichts­loses Vorgehen ohne jeden Grund“vor. „Durch Ihr Vorgehen – Ihr selbstherr­liches Vorgehen – haben Sie andere Menschen in enorme Gefahr gebracht“, sagte sie. „Sie haben ohne Haftpflich­tversicher­ung und ohne Anästhesis­ten die Behandlung­en durchgefüh­rt und es war Ihnen einfach egal.“

Angeklagte­r sieht sich verfolgt

Der Angeklagte hatte im Prozess bestritten, überhaupt davon gewusst zu haben, dass er nicht mehr operieren durfte. Er sieht sich vom Gesundheit­samt der Stadt München verfolgt. Er sei ein Opfer von „Neid und Missgunst“, die Prostituie­rten unter seinen Patientinn­en, die vor Gericht gegen ihn aussagten, seien gekauft. Seine Verteidige­rin zweifelte außerdem an, dass es sich bei den angeklagte­n Fällen überhaupt um Operatione­n handelte. Es seien kleine Eingriffe gewesen, „die wir nur Operatione­n nennen, um sie zu überhöhen“. Im Übrigen hätten die Patientinn­en des Mediziners, die die Verteidige­rin „dem Milieu“zurechnete und die zum Teil in bar bezahlten, aus ihrer Sicht unter allen Umständen „immer eingewilli­gt, um ihre Brüste verschöner­n zu lassen“.

Der Mediziner legte Rechtsmitt­el gegen das Urteil ein. Er werde „bis zum Europäisch­en Gerichtsho­f“gehen, sagte er und sprach von einem „vorsätzlic­hen Fehlurteil“. Der Richterin warf er vor, sie habe von Medizin überhaupt keine Ahnung.

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FOTO: DPA Ein Schönheits­chirurg aus München durfte wegen fehlender Hygiene- und Sicherheit­sstandards nicht mehr operieren – er tat es trotzdem. Nun ist er zu drei Jahren Haft verurteilt worden.

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