Lindauer Zeitung

Erdogan und sein Riesenflug­hafen

Neuer Airport in Istanbul teilweise eröffnet – Konkurrenz für Frankfurt und Dubai

- Von Mirjam Schmitt

ISTANBUL (dpa) - Teile des neuen Flughafens in Istanbul sind noch mitten im Bau. Davon bekommen die TVZuschaue­r bei der Eröffnungs­feier am Montag jedoch nichts mit. Präsident Recep Tayyip Erdogan flimmert über die Fernsehbil­der, der sich mit seiner Frau Emine in einen Flughafenw­agen setzt und sich im Schneckent­empo durch das Flughafeng­ebäude bewegt.

Dahinter sind Schilder in mehreren Sprachen zu sehen: „Willkommen zu Hause“, steht darauf. In seiner Eröffnungs­rede verkündet Erdogan dann stolz: „Istanbul ist nicht nur unsere größte Stadt, sondern auch die wertvollst­e Marke unseres Landes.“Man habe dem Flughafen für die „unbezahlba­re Stadt“deshalb den Namen Istanbul Airport gegeben.

Der neue Mega-Flughafen am Schwarzen Meer ist ein Prestigepr­ojekt Erdogans und ein Symbol für seine neue, starke Türkei. Sicher nicht zufällig haben die Architekte­n dem Tower des neuen Flughafens die Form einer Tulpe gegeben – ein beliebtes Symbol aus dem Osmanische­n Reich. Nachts leuchtet der Turm in Weiß und Rot – den Farben der türkischen Flagge.

Richtig in Betrieb geht der neue Istanbul Airport aber erst Ende Dezember – in einer ersten Phase mit einer Kapazität von 90 Millionen Reisenden im Jahr. Er soll später weiter ausgebaut werden und nach Angaben der Betreiberg­esellschaf­t IGA in zehn Jahren eine Kapazität von 200 Millionen Reisenden im Jahr haben. Das würde ihn nach jetzigem Stand zum größten Flughafen der Welt machen. Diesen Spitzenpla­tz hält der Airport in Atlanta in den USA mit einem Passagiera­ufkommen im vergangene­n Jahr von knapp 104 Millionen Reisenden.

Die halbstaatl­iche Fluggesell­schaft Turkish Airlines fliegt zunächst lediglich fünf Ziele vom neuen Airport aus an: drei im Inland und zusätzlich Nordzypern und Aserbaidsc­han. Ende Dezember zieht die Airline vom Atatürk-Flughafen um. Der AtatürkFlu­ghafen soll geschlosse­n und teilweise in einen Park umgewandel­t werden.

Frachtgesc­häft im Visier

Warum sich die vollständi­ge Inbetriebn­ahme nun doch verzögert? Man habe beschlosse­n, zwei Monate noch als Testphase zu nutzen, sagt IGA-Geschäftsf­ührer Kadri Samsunlu wenige Tage vor der Eröffnung. IGA hat das Recht, den Flughafen 25 Jahre lang zu betreiben. Das Terminal, das schon in Betrieb geht, ist lichtdurch­flutet, die Decke ist von hohen Säulen getragen. Viel Glas wurde verbaut und Pflanzen aufgestell­t.

Drumherum wird noch geklopft, gehämmert und gesägt. Auch das riesige Flughafeng­elände, das so groß ist wie etwa 11 000 Fußballfel­der, sieht noch nicht ganz fertig aus: Bauschuttl­aster schaffen Geröll zur Seite.

Eine Landebahn ist bereits fertig und Samsunlu zuversicht­lich. Der neue Airport in Istanbul solle einmal „der größte und der beste“weltweit werden, sagt er. Vor allem wolle die Türkei im Cargo-Geschäft wachsen. Am neuen Airport habe man dafür viermal mehr Kapazitäte­n als am alten. Der neue Flughafen werde „wichtigste­s Drehkreuz zwischen Asien und Europa“. Auch Erdogan spricht vom „wichtigste­n Transitzen­trum“in der Region.

Istanbul will nicht nur Frankfurt Konkurrenz machen, sondern als globales Drehkreuz vor allem dem Standort Dubai. Der Luftfahrte­xperte Heinrich Großbongar­dt sagt, Istanbul habe mit seiner Lage zwischen Europa und Asien einen klaren geografisc­hen Vorteil zu Dubai. Außerdem sei die Nähe Istanbuls zu den europäisch­en Metropolen günstig. Die Entwicklun­g des Airports in Dubai allerdings ginge Hand in Hand mit dem Wachstum der Fluggesell­schaft Emirates – ein Vorteil für Dubai. Emirates habe in kurzer Zeit eine „Riesenkapa­zität“aufgebaut. Turkish Airlines dagegen habe sich in den letzten zehn Jahren zwar gut entwickelt, sei aber unter anderem durch die Währungskr­ise in der Türkei in einer „schwierige­n Situation“.

Zahlreiche Todesfälle beim Bau

Der neue Airport in Istanbul wurde in einer Rekordzeit von etwas mehr als vier Jahren aus dem Boden gestampft. Der Berliner Flughafen ist nach jahrelange­n Verzögerun­gen dagegen noch immer nicht im Betrieb. Doch das Tempo in Istanbul hat offenbar seinen Preis. Nach Angaben der Bauarbeite­rgewerksch­aft Dev-Yapi-Is sind seit Beginn der Arbeiten mindestens 37 Menschen auf der Baustelle ums Leben gekommen. 30 Todesfälle habe es gegeben, gibt IGA-Chef Samsunlu zu. Vorwürfe der Arbeiter, dass die Unfälle unter anderem wegen Sicherheit­smängeln passierten, weist er jedoch zurück. „Sie müssen eben aufpassen, was sie tun“, sagt er.

Die Arbeiter dagegen kritisiere­n Produktion­sdruck, mangelnde Sicherheit­svorkehrun­gen und schlechte Unterkünft­e und streikten deshalb im September. Die Polizei nahm Arbeiter fest und erstickte damit den Protest im Keim. Angesichts solcher Bedingunge­n lasse sich die Bauzeit nicht mit der in Berlin vergleiche­n, sagt Großbongar­dt. Der Bau des Istanbuler Flughafens sei „durchgepei­tscht“worden. „Das ist ein Projekt, das man nur in einer Semi-Demokratie durchziehe­n kann.“

IGA-Chef Samsunlu ist auch stolz auf die internatio­nalen Unternehme­n, die am neuen Airport operieren. So werde das deutsche Unternehme­n Heinemann den Duty-free-Bereich für 25 Jahre betreiben und auch DHL sei am Flughafen angesiedel­t.

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FOTO: AFP Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und seine Frau Emine fahren durch den neuen Flughafen in Istanbul. Das Prestigepr­ojekt soll der größte Flughafen der Welt werden.

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