Gar nie regieren ist auch keine Lösung
Die deutsche Demokratie wird unübersichtlich. Jetzt müssen wir bald auch noch zwischen Kanzlerin und CDU-Chefin oder -Chef unterscheiden. Das gravierendste Problem aber ist, dass die Farben ausgehen, obwohl die ganz kleinen Parteien bei den Wahlsendungen im Fernsehen schon in einem Balken zusammengefasst sind. Natürlich gibt es auch noch Farbtöne wie das extravagante Magenta. Aber da steht schon „Telekom“drauf.
Außerdem verträgt sich unsere einfache Strickart besser mit klaren Ansagen: Schwarz, Rot, Grün. Schon Violett bereitet uns Probleme, und Blau, Freunde, Blau ist die Farbe des Himmels und hat in der Politik nichts verloren. Braun wäre doch noch frei. Ein Faible haben wir für die schöne Farbe Gelb, da geht es uns wie diesem adretten jungen Mann, der immer so neunmalkluge, gestelzte Sätze von sich gibt. Man hat eine Weile wenig gehört von Christian Lindner, seit er nach den Jamaika-Wochen gesagt hat: „Besser gar nichts essen, als nur zu hungern“. Oder war’s: „Besser nichts sagen, statt nur dumm daherreden.“Auch nicht? Jetzt fällt’s uns wieder ein: „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren“, hat er gesagt.
Die Wähler haben diesen Kernsatz deutscher Polit-Lyrik in den falschen Hals gekriegt, denn die gelben Balken sind seither deutlich geschrumpft. Trotzdem haben Lindner und Gefolge bei jeder Wahl Freudentränen in den Augen, wenn sie FPDGelb über 5 Prozent erblicken. Sollte es allerdings mit den grünen Balken so weitergehen, wird es der FDP wie Schuppen von den Augen fallen: „Besser falsch regieren als nie.“(hü)