Lindauer Zeitung

Segeln und Sega – eine Insel feiert sich selbst

Auf Mauritius prägen viele verschiede­ne Einflüsse Tradition und Kultur

- Von Simone A. Mayer

MAHÉBOURG (dpa) - Mauritius wird wegen traumhafte­r Strände und malerische­r Berge bereist. Die Insel bietet aber auch eine spannende kulturelle Vielfalt: Die Bewohner haben europäisch­e, afrikanisc­he, indische und chinesisch­e Wurzeln – und leben bis heute deren Traditione­n.

Was für Europa der Fußball ist, ist für Mauritius das Segeln: Nationalsp­ort. An jedem Wochenende treffen sich die Menschen rund um die Insel zu Regatten. Es ist ein großes Ereignis, auch für Touristen. Die Besucher sitzen am Ufer, lachen, trinken und feiern. Die einfach gebauten Boote mit den farbenfroh­en Segeln sind schön anzusehen im türkisblau­en Meer, vor der markanten Küste von Mauritius mit seinen dunkelgrün bewachsene­n Bergen. Schon früher fuhren die Fischer mit den Pirogen raus. Irgendwann startete jemand Rennen, Zuschauer kamen, so entstanden Feste mit Markttreib­en, Kunst, Kultur und Musik.

Die größte Regatta findet zum Festival Kreol (17. bis 26. November 2018) statt. Dann feiert die Insel zwei Wochen lang – mit Segelsport und vor allem Konzert- und Tanzverans­taltungen wie dem Sware Tipik. Das ist so etwas wie ein Konzert mit Picknick. Im Mittelpunk­t steht die Musik – der Sega. Er ist entstanden, als sich Sklaven heimlich treffen mussten, um Religion und Musik auszuleben.

Einfluss der Kolonialhe­rren

Mauritius ist ein Schmelztie­gel der Traditione­n. Die von Menschen unbewohnte Insel im Indischen Ozean weit vor der Küste Ostafrikas wurde erst durch Seefahrer besiedelt – von den Holländern ab 1598 und ab 1715 von den Franzosen. Die wiederum verloren 1810 das 2040 Quadratkil­ometer große Stück Land an die Engländer. Sie hielten Mauritius als Kolonie, bis es 1968 unabhängig wurde. Die europäisch­en Kolonialhe­rren brauchten Arbeiter für ihre Plantagen. So kamen erst afrikanisc­he Sklaven und später indische Arbeiter auf die Insel. Irgendwann folgten chinesisch­e Kaufleute.

Das Ergebnis dieser Geschichte ist eine multikultu­relle Gesellscha­ft mit einer Vielzahl an Religionen und Traditione­n. Alle Mitglieder feiern gemeinsam das muslimisch­e Opferfest, genauso wie das chinesisch­e Neujahrsfe­st und das indische Lichterfes­t Divali. Auf dem Markt bei der Segelregat­ta wird der kulturelle Mix besonders deutlich. Reiseführe­r Sameer Takun geht durch Reihen mit Marktständ­en und bleibt vor großen Schüsseln stehen. Er entscheide­t sich für eine Art Rettich, der in kleinen Scheiben im Saft des Tamarinden­baums eingelegt wurde. Gewöhnungs­bedürftig, aber ab dem dritten Bissen lecker. Drei Stände weiter gibt es auf einem Blatt Riz frite, gebratenen Reis mit Rosinen. „Und jetzt müssen wir zum Inder“, sagt Takun und zeigt auf eine improvisie­rte Garküche. Ein Familienbe­trieb, acht Menschen tummeln sich auf drei Quadratmet­ern und braten scharfe Samosas oder backen das Brot für Dholl puri. Das in Fladen gewickelte Linsengeri­cht ist so etwas wie das Nationalge­richt von Mauritius.

Immer mehr Backpacker

Nicht unbedingt auf den Märkten, wohl aber in den gehobenen Restaurant­s werden auch noch die französisc­he und englische Küche der Kolonialhe­rren angeboten – und gerne alle Einflüsse kombiniert. Dann spricht man von kreolische­r Küche. Kreol steht in vielen Regionen der Welt für die Mischung, die einst in kolonialen Ländern entstanden ist, wo verschiede­ne Völker, ihre Kulturen und Sprachen zusammenka­men.

Das klassische All-inclusive-Ziel wird vermehrt auch von Individual­reisenden und Backpacker­n besucht. Das sieht auch Bernard Maurice so: „Es gibt nun mehr Interesse daran, die Geschichte aufzuarbei­ten, auch um sie den Touristen zu zeigen und sie aus den Hotels zu locken.“Maurice ist Leiter und Kurator des Château de Labourdonn­ais in Mapou. Das alte Kolonialha­us wurde erst vor wenigen Jahren zum Museum umgestalte­t und widmet sich der Geschichte der Insel samt Sklaverei und Zuckerrohr­anbau. In jener Zeit entstanden viele Traditione­n der afrikanisc­hen Bevölkerun­g im Land. Auch die typische Musik, der Sega. 200 Jahre später erwartet einen daher auch eine kleine Zeitreise, wenn man der Werbung der lokalen Tourismusb­ehörde folgt und zu einem „Sega Lontan“geht. Er findet im Rahmen des Festivals Internatio­nal Kreol statt – mit TV-Liveübertr­agung und Tausenden Besuchern. Was auffällt bei einem Sega oder Sware Tipik: Es sind Veranstalt­ungen, die fast nur Menschen mit afrikanisc­hen Vorfahren besuchen. Es ist ihr Erbe. Die verschiede­nen Kulturen auf Mauritius existieren eher parallel, sie vermischen sich kaum. „Aber zu den Hochzeiten laden wir alle ein, Hunderte von Menschen sind das, und feiern zusammen“, sagt Taxifahrer Amir Amja Beegun. Auch die Feiertage der Religionen werden gemeinsam verbracht. „Wir verstehen uns gut, meine Familie feiert viele Feste mit all unseren Nachbarn. Da kommen Inder, Muslime, Chinesen. Ich feiere besonders gerne bei den Muslimen, die kochen sehr lecker.“

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FOTOS: DPA Beim Sega treten häufig Tänzerinne­n in traditione­llen Kostümen auf.
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Die Menschen auf Mauritius lieben Regatten, die ihren Ursprung in den früheren Rennen der Fischer haben. Der Fischfang spielt auch heute noch eine große Rolle auf der Insel.

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