Alte Mauern neu genutzt: Aftershave aus der Klosterküche
Im bayerischen Kloster Wessobrunn wird jetzt Naturkosmetik vermarktet – Der Nachwuchsmangel bringt es mit sich, dass immer mehr Klosteranlagen verkauft werden
WESSOBRUNN (lby) - Der alte Herd steht noch drin, der wird dann für die Rohstoffvorbereitung genutzt. Auch der alte Backofen lässt sich noch verwenden, zum Pizzabacken oder Kräutertrocknen. Und im ehemaligen Speisesaal, wo einst 80 Schwestern gegessen haben, ist nun der Versand untergebracht. Von da gehen sie jetzt in die Welt, die „Sheabutter Cream“, das „Wild Utah After Shave“und das „Baobab Foot Spray“. Im Kloster Wessobrunn im oberbayerischen Landkreis Weilheim-Schongau mit seiner 1000-jährigen Geschichte wird heute Naturkosmetik verkauft und bald auch produziert.
„Die Produktion kommt ins ehemalige Schwimmbad“, sagt Martina Gebhardt, die Frau, die das für seine herrlichen Rokoko-Stuckaturen bekannte Gebäude – zumindest den größten Teil davon – für ihre Firma Martina Gebhardt Naturkosmetik 2014 gekauft hat.
Wessobrunn ist ein Beispiel von vielen dafür, was aus alten Klöstern wird, die von den Orden aufgegeben werden, etwa weil die verbliebenen Brüder oder Schwestern zu alt und zu wenige geworden sind. So war es auch bei den Missionsbenediktinerinnen von Tutzing (Landkreis Starnberg), die einst auch in dem Wessobrunner Gebäude lebten. „Es hätte uns nicht gefallen, wenn ein Nobelhotel draus gemacht wird“, heißt es heute aus Tutzing. „Und natürlich kein russischer Oligarch, kein Rotlicht.“Mit dem Verkauf an Gebhardt sind die Benediktinerinnen zufrieden: „Das ist sehr in unserem Sinne, wir sind sehr, sehr dankbar.“
Auch der Wessobrunner Bürgermeister Helmut Dinter zeigt sich „schon zufrieden“mit der neuen Besitzerin. „Das ist eine Nutzung, die relativ gut zum traditionellen Klosternutzen passt. Es war wichtig, dass die Schwestern nicht an jeden verkaufen, sondern dass es zum Ort, zur Gemeinde passt“, sagt Dinter. Die Pfarrei ist heute Zweitnutzer, das Standesamt ist auch im Gebäude untergebracht. Ein bisschen trauert der Bürgermeister noch der Idee nach, wieder eine Schule dort einzurichten, wo schon im 17. und 18. Jahrhundert berühmte Stuckateure wie die Brüder Schmuzer mit europaweiter Ausstrahlung wirkten. Eine Akademie für seltene Bauberufe schwebte der Gemeinde vor. Der Freistaat habe das aber nicht gewollt.
Die studierte Architektin Martina Gebhardt öffnet ihr Kloster jetzt mitunter für Konzerte, auch Workshops sollen angeboten werden und Übernachtungen für Seminare. Eine alte Apotheke hat sie auch eingerichtet. „Die Sicherung des Kulturgutes, das ist meine Verantwortung, dafür geben wir das meiste Geld aus.“Dabei gibt die Unternehmerin zu: „Nicht in meinen wildesten Träumen habe ich mir vorgestellt, dass ich diese Verantwortung übernehme.“Doch als sie davon hörte, dass das Kloster zum Verkauf stand, habe sie nicht lange gezögert.
„Der Trend zu Privatpersonen ist da“, sagt Ralf Olbrück. Seit 30 Jahren kümmert sich der Geschäftsführer der Vermögensberatung und -verwaltung Pro Secur mit Sitz in Köln und München um die Vermarktung von Klöstern und Ordensgebäuden. Jede Lösung sei ganz individuell. Viele Gebäude würden zu Mehrgenerationenhäusern, manche gingen an Stiftungen.
Das Kloster Altenhohenau im oberbayerischen Griesstätt (Landkreis Rosenheim) wurde quasi aufgeteilt: Die Kirche ging an eine Stiftung, das Kloster und eine Schule an einen Privatinvestor, die Ländereien an einen Träger von Behindertenarbeit. „Das war ein schwerer Fall“, erinnert sich Olbrück. Dreieinhalb Jahre hat es gedauert, bis alles verkauft war, mindestens zwei braucht es ihm zufolge immer.
Zehn bis 15 Klöster pro Jahr verkauft Olbrück europaweit. Eines kostet 350 000 Euro, für andere sind zehn Millionen fällig. Die teuren Gebäude befinden sich meist in Innenstädten von Metropolen, doch viele Klöster stehen auf dem platten oder bergigen Land. „Vielfach beginnen die Orden zu spät, sich diesen Gedanken zu machen“– verkaufen zu müssen.
Wenn der Verkauf feststeht, prüft Pro Secur jeden ernsthaften Investor auf „katholische Kriterien“. Darunter fällt: keine Bordelle, keine Verarbeitung von Schusswaffen oder -pulver. Einmal wollte man Olbrück reinlegen: „Fachpersonal aus Osteuropa für Altenpflege“wollte angeblich ein Kloster für Sprachkurse und andere Fortbildungen nutzen. Die fachliche Erfahrung der Interessenten lag aber eher im horizontalen Bereich. In Zusammenarbeit mit dem Bauamt, dem Pläne für Umbauten vorlagen, konnte ein „Eventhaus mit Darkroom“verhindert werden.