Essbare Kunst eines Hochbegabten
auf ein paar Abende ausgelegt und nennt sich „Fünfzehn plus neun“, wobei im Namen sowohl Hausnummer, Anzahl der Gänge und Geschwister vermahlen sind. Und um gleich die Katze aus dem Sack zu lassen: Für essbare Kunst dieser Güte muss der Genießer sonst mit dem Flugzeug ferne Ziele ansteuern. Ravensburg aber hat keinen Flughafen und muss nicht nur deshalb kulinarisch bislang auf dem Boden bleiben, während Gerster mit seiner Hochbegabung tatsächlich abhebt. Das wird bereits beim Quartett aus mundgerechten Bissen zum Champagner deutlich: Besonders der Luxushappen aus Topinambur schlägt Wellen am Gaumen, weil er knusprige und sämige Texturen mit dem erdigen Echo von Wintertrüffel beschallt. Auch raffiniert: Der durch extrem lange Garzeiten fast geschmolzene Schweineschwanz mit eigenwilligem Aromenbild, das gar nichts Derbes hat, sondern die Essenz dessen ist, was sich offenbart, wenn einer mit Intelligenz eine Idee zu Ende denkt, um ein Schlachttier restlos zu verwerten.
In diesem sehr ungewöhnlichen Stil geht es weiter: durch Säuerung leicht gegarte Forelle mit grün eingelegten Erdbeeren, kontrastriert von der Sanftheit des geräucherten Schmands. Tartar vom Lamm mit Variationen von Bärlauch – fermentiert und in Öl festgehalten. Selleriepüree und Felchenrogen in Hefesoße. Gegrillter Spitzkohl mit einer an Dichte nicht zu überbietenden Jus von 15 Kilo Hähnchenflügeln, reduziert auf einen Liter puren Geschmack. Schließlich Saibling, Tomate und Kohl von essenzieller Schlichtheit.
Immer wieder schimmern dabei Rohstoffe aus dem Garten der Oma, der Mutter durch. Gerster arbeitet auch mit dem, was er in den Wäldern um Ravensburg sammelt (Schwarzfichtenzapfen, Tannengrün), einmacht und fermentiert – und kreiert so einen vollkommen neuen Regionalbegriff, der intensiver auf dem Teller wirkt als die Werbefloskeln, die ihn nur entwerten.
Gerster traut sich, herbe Aromen, Bitterkeit, fordernde Säure, erdige, waldige, salzige und grelle Nuancen zu spielen. Etwa wenn Sanddorn, Schlehe, Sauerklee und Tannenspitze in den Desserts aufeinandertreffen. Auch die Weinselektion von Bruder Andreas schert aus der massentauglichen Gefälligkeit aus.
Benedikt Gerster wird bald in die Schweiz gehen, aber mit dem Ziel, zukünftig in seiner Heimatstadt ein Restaurant mit seinen Geschwistern zu führen. Bis dahin bleibt nur die Hoffnung, für 150 Euro noch einen der Plätze im Pop-Up-Restaurant im November und Dezember zu sichern. Unter www.fuenfzehn-plusneun.de wird dieses Streben mit allen nötigen Informationen genährt.