Saubermann als Einmischer
FIFA-Präsident Gianni Infantino nach Football-Leaks-Enthüllungen unter Druck
ZÜRICH (SID/dpa) - In seiner Stellungnahme auf die neuesten Enthüllungen über seine mindestens fragwürdige Einmischung in die Arbeit autonomer Aufsichtsgremien gerierte sich Gianni Infantino in der Rolle, in der er sich am liebsten sieht: in der des Saubermanns! „Da wir bei der FIFA die Reformen resolut umsetzen, war mir immer klar, dass es Widerstand geben wird. Vor allem von denjenigen, die nicht mehr schamlos vom System profitieren können“, betonte der Präsident des FußballWeltverbandes. Infantini sieht sich als Opfer einer Kampagne einstiger Mitstreiter, die ihre Einflusssphäre verloren haben.
Als Opfer. Und nicht etwa als Täter, der laut Dokumenten, die das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“von der Enthüllungsplattform Football Leaks erhalten und diese mit dem NDR und dem Recherchenetzwerk EIC geteilt und ausgewertet hat, „heimlich daran mitgewirkt“habe, den FIFA-Ethikkodex „in mehreren Punkten“aufzuweichen. So wurde etwa das Wort Korruption kurzerhand aus dem Kodex gestrichen. Was nicht gegen den Kodex verstößt, kann nicht bestraft werden.
Änderungen im Kodex seien den Enthüllungen zufolge, anders als von der FIFA behauptet, nicht allein von der zuständigen Ethikkommission und von Funktionären aus den Kontinentalverbänden sondern auch von Infantino selbst angestoßen worden. „Die Änderungen tragen die Handschrift des Präsidenten. Die Gewaltentrennung, die es zwischen Präsident und Ethik-Kommission gab, ist ad absurdum geführt worden“, sagt der deutsche Richter Hans-Joachim Eckert , der von Juli 2012 bis Mai 2017 Vorsitzender der Ethik-Kommission des Weltverbands war. Trotz erfolgreicher Ermittlungen gegen den früheren FIFA-Boss Joseph S. Blatter und den ehemaligen UEFA-Präsidenten Michel Platini, die beide schließlich von allen Ämtern im Fußball suspendiert wurden, mussten Eckert und sein Schweizer Kollege Cornel Borbely gehen; die Verträge wurde nicht verlängert. Die Neubesetzung der Ethikgremien mit zwei Bekannten Infantinos hatte international für Kritik gesorgt.
FIFA wittert Verschwörung
Zudem soll Infantino im Jahr 2014, noch in seiner Funktion als Generalsekretär der europäischen FußballUnion UEFA, während der Ermittlungen gegen Paris Saint-Germain und Manchester City wegen Verstößen gegen das sogenannte Financial Fairplay, das die Ausgabenwut der international spielenden Vereine eindämmen soll, geheime Absprachen mit den Clubs getroffen haben; Am Ende standen vergleichsweise milde Urteile der UEFA gegen die aus Katar und Abu Dhabi alimentierten Vereine.
Inzwischen gibt es nicht wenige Insider, die glauben, dass die FIFA unter Infantino vom Regen in die Traufe gekommen ist. Die FIFA legte jedoch Wert auf eine Feststellung: „Um Zweifel auszuräumen, müssen wir klarstellen, dass keiner der Berichte irgendetwas enthält, das auch nur annähernd einen Verstoß gegen Gesetze, Statuten oder Regularien bedeutet.“Es handele sich um einen „bewussten Versuch, die FIFA zu diskreditieren“.
Die Vorwürfe gegen den FIFABoss haben jedoch die euopäischen Fußballfunktionäre auf den Plan gerufen. „Wir werden innerhalb der UEFA die Lage analysieren und dann gemeinsam über das weitere Vorgehen entscheiden“, sagte DFB-Präsident Reinhard Grindel. Er habe mit UEFA-Präsident Aleksander Ceferin am Wochenende über die Vorwürfe gesprochen. Grindel sitzt als einer von neun UEFA-Vertretern im FIFA Council, der Regierung des Weltverbands.