„Nieder mit dem Kaiser!“
Historiker Karl Schweizer arbeitet die bayerische Novemberrevolution auf
LINDAU - Sie jährt sich heuer zum hundertsten Mal: die bayerische Novemberrevolution. Der Lindauer Historiker Karl Schweizer hat über diese Zeit der politischen Umwälzungen ein Buch herausgebracht, das sich zu lesen lohnt: „Die Novemberrevolution 1918 – Die Räterepublik 1919“.
Schweizer ruft Geschichte zurück in die Köpfe der Menschen, beleuchtet auf 208 Seiten die Geschehnisse auch in Lindau und im Westallgäu. Er hat festgehalten, was der damalige Lindauer Bürgermeister Heinrich Schützinger in seinem Wochenbericht vom 2. November 1918 an die Bezirksregierung zur „Volksstimmung“zu vermelden hatte: Die Friedensdemonstrationen der Zeppelinarbeiter im benachbarten Friedrichshafen, in denen Rufe wie „Nieder mit dem Kaiser! Hoch die deutsche Republik!“laut wurden, hätten auch in Lindau zu beunruhigenden Gerüchten geführt. Zu Unruhen sei es aber bisher nicht gekommen. Schützinger ist es auch, der noch am 8. November zusammen mit Jakob Schobloch, Vorstand des Gemeindekollegiums, zu Ruhe und Ordnung aufruft. Am nächsten Tag hat aber auch in Lindau die Revolution der Arbeiter, Arbeiterinnen und Soldaten gesiegt. „Eine neue Zeit ist angebrochen und unser Bayerland ist nach Absetzung der Dynastie zur freien Republik erklärt worden. Heute hat sich auch hier ein Arbeiter- und Soldatenrat gebildet“, heißt es in einem Aufruf des Lindauer Arbeiter- und Soldatenrates an die Volksgenossen, den das Lindauer Tagblatt am 9. November 1918 abdruckt. Es ist auch der Tag, an dem in Berlin Kaiser Wilhelm II. abdankt.
In Lindenberg wird am 13. November bei einer Massenversammlung im „Löwen“ein Arbeiter- und Soldatenrat gegründet, und Karl Schweizer zitiert Adolf Manz (SPD): „Jetzt erwies es sich als vorteilhaft, dass bereits vor dem Kriege ein SPDOrtsverein gegründet wurde.“
In Weiler gründet sich der Arbeiterrat am 8. Dezember. Schweizer nennt die führenden Köpfe, zeigt die Entwicklung in den Städten und Gemeinden auf, Fotos und Zeichnungen machen das Geschehen lebendig. Die Novemberrevolution bringt Frauen das volle aktive und passive Wahlrecht. Die Lindauer wählen im Juni 1919 die Arbeiterfrau Josefine Hirner auf der Liste der SPD als erste Frau in den Lindauer Stadtrat.
Schweizers Buch geht auf die Gründung der sozialistischen Partei USPD ein, auf Lindauer Kommunistinnen und Kommunisten, die dem frühen Faschismus entgegengetreten. Die Weltwirtschaftskrise ist Thema, „das fanatische Mittelmaß, das 1933 an die Macht gehievt wird“, Denunziantentum, Widerstand und das KZ-Außenlager im Sigmarszeller Teilort Biesings.
Eine Faltkarte am Ende des Buches zeigt die Lindauer Orte der Novemberrevolution und Räterepublik, darunter die ehemalige Maxkaserne (heute Maxhof), in der sich Soldaten im Januar 1919 durch Revolte mit warmer Winterkleidung versorgen, und das letzte Lindauer Landtor, auf dem im April 1919 die rote Fahne der Revolution weht. Schweizers Buch ist reich an Fakten, Schicksalen und Geschichten vom großen Engagement mutiger Menschen – ein spannend zu lesender historischer Stoff.