Lindauer Zeitung

Abschießen oder schützen?

Baden-Württember­gs Umweltmini­ster sucht Wege, um den Wolf leichter töten zu können

- Von Katja Korf

Seit der Rückkehr des Wolfes in heimische Gefilde tobt die Debatte über den Umgang mit dem Raubtier. Abschießen oder schützen? Die grün-schwarze Landesregi­erung in Stuttgart sucht nun nach einem Kompromiss. Die wesentlich­e Frage: Wann darf ein Wolf erschossen werden? Normalerwe­ise geht das nur, wenn eines der Raubtiere auffällig wird – etwa, weil es sich Menschen nähert. Landesumwe­ltminister Franz Unterstell­er von den Grünen sucht derzeit nach weiteren Möglichkei­ten, den Abschuss zu erlauben. Was Unterstell­er genau plant, lesen Sie auf

STUTTGART - In Norddeutsc­hland haben Wölfe seit 2015 etwa 1300 Nutztiere getötet, in ganz Deutschlan­d leben mehr als 60 Rudel, in Bayern drei davon. In BadenWürtt­emberg ist erst eines der Raubtiere heimisch, doch das wird sich ändern. Umweltmini­ster Franz Unterstell­er (Grüne) hat nun eine neue Idee, um die streng geschützte­n Tiere leichter töten zu können.

Internatio­nale und deutsche Gesetze verbieten die Jagd auf den Wolf, weil das Raubtier in Europa als vom Aussterben bedroht gilt. Allerdings haben sich die Bestände in den vergangene­n Jahrzehnte­n stark erholt – davon zeugt auch die Ausbreitun­g nach Deutschlan­d.

Nur zwei Problemwöl­fe

Wie umgehen mit den Wölfen? Schon jetzt erlauben die Regeln, Tiere zu töten. Doch das ist nur in Ausnahmen möglich und muss in jedem Einzelfall genehmigt werden. Wolf GW852 hat in Bad Wildbad 32 Schafe gerissen, zwölf weitere Tiere starben auf der Flucht. Doch damit ist GW852 noch kein Problemwol­f. Dass ein Raubtier viele Tiere tötet, ist nach Ansicht von Experten durchaus natürliche­s Verhalten.

Anders ist die Lage, wenn Wölfe die Scheu vor Menschen verlieren oder sich Schafe als Hauptbeute suchen – das weicht dann nach Definition der Artenschüt­zer vom natürliche­n Verhalten ab. Dann dürfen Wölfe getötet werden. In Deutschlan­d gab es bisher erst zwei solche Fälle, einen in Niedersach­sen, einen in Sachsen. Seit ihrer Rückkehr nach Deutschlan­d attackiert­en Wölfe noch nie Menschen.

Viehhalter geben auf

Für die Grünen ist das Thema heikel: Sie stehen für den Schutz der Natur. Zur Artenvielf­alt im Land tragen nicht nur Wölfe bei, sondern vor allem besondere Landschaft­en, die vielen Tieren und Pflanzen Heimat bieten. Dazu gehören Wacholderh­eiden auf der Alb oder Steilhangw­iesen im Schwarzwal­d. Sie sind als europaweit bedeutende Naturlands­chaften anerkannt und geschützt.

Solche Gebiete sind unter anderem deshalb einzigarti­g, weil sie von Tieren beweidet werden. Mit Maschinen lassen sich die Weiden an steilen Hängen oder im unwegsamen Gelände nicht mähen. Aber viele Viehhalter warnen: Wenn sie künftig mehr Zeit und Geld investiere­n müssen, um ihre Herden vor Wölfen zu schützen, dann geben sie ihre Betriebe auf. Außerdem gibt es Stellen, an denen man keine hohen Zäune aufstellen kann – etwa an Steilhänge­n. Doch ohne Vieh keine artenreich­e Weidelands­chaft. Wer den Wolf schützt, könnte also ebenfalls geschützte Kulturfläc­hen gefährden.

Umweltmini­ster Unterstell­er hat deshalb einen Brief an die EU-Kommission geschriebe­n, die Hüterin der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH). Auf ihr basieren die Schutzrege­ln für gefährdete Tiere und Pflanzen. Der Brief liegt der „Schwäbisch­en Zeitung“vor. Unterstell­er weist auf die besondere Lage auf der Alb und im Schwarzwal­d hin – ebenso wie auf die Probleme der Viehhalter. „Insbesonde­re in Bereichen, in denen eine Beweidung ökonomisch nicht mehr sinnvoll ist und daher vornehmlic­h aus naturschut­zfachliche­n Interessen betrieben wird, liegen Ankündigun­gen seitens der Weidetierh­alter vor, die Beweidung ganz aufgeben zu wollen, wenn der Wolf sich in dieser Gegend etabliert.“

Brief an EU-Kommission

Unterstell­er bittet die Kommission um eine Einschätzu­ng. Nach seiner Lesart bietet die Regel folgende Möglichkei­t: Wenn streng geschützte Wölfe ihrerseits die Erhaltung geschützte­r Landschaft­en gefährden, bildet das eine jener Ausnahmen, in denen einzelne Tiere erlegt werden dürfen. Einen solchen Abschuss müsste noch immer eine Behörde genehmigen. Es würden auch weitere Bedingunge­n gelten: der Wolf müsste in einem der geschützte­n Gebiete unterwegs sein. Die betroffene­n Schäfer wiederum müssten zumindest versuchen, ihre Herden zu schützen, etwa durch besonders hohe Zäune. Doch wo das nicht leistbar ist, könnte ein Wolf erschossen werden – auch ohne, dass er anderweiti­g auffällig würde.

CDU begrüßt Initiative

Andere Bundesländ­er fordern vom Bund, sich für eine Änderung der FFH-Richtlinie einzusetze­n und zu prüfen, ob der Wolf gar nicht mehr so stark vom Aussterben bedroht ist. Dann könnten die Raubtiere leichter erlegt werden. Doch beide Wege erfordern Gesetzesän­derungen und damit einen langen Atem. Sollte die EU-Kommission dagegen Unterstell­ers Auffassung teilen, könnte das Land auf dieser Grundlage sofort Abschüsse von Wölfen genehmigen.

Der Landeschef des Naturschut­zbundes NABU begrüßt Unterstell­ers Vorstoß. „Der Wolf wird sich weiter ausbreiten und das wollen wir auch. Aber wenn der Vorschlag des Umweltmini­sters hilft, die Konflikte zwischen dem Schutz des Wolfes und dem Schutz der übrigen Natur zu entschärfe­n, verdient er eine ernste Prüfung.“

Auch der Koalitions­partner CDU lobt Unterstell­er: „Ziel muss es sein, eine Lösung zu finden, die die Weidetierh­altung und damit den Erhalt der Biodiversi­tät auf unseren Wiesen und Weiden in den Vordergrun­d stellt“, so Agrarminis­ter Peter Hauk (CDU). Dazu könne Unterstell­ers Initiative beitragen.

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FOTO: IMAGO Wölfe gelten als stark bedrohte Art. Breiten sie sich aus, könnte das andere geschützte Arten gefährden.

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