Lindauer Zeitung

Mit dem FBI auf den Spuren von „Twin Peaks“

Die amerikanis­che TV-Kultserie lockt zahlreiche Fans zu den Originalsc­hauplätzen nahe Seattle im Nordwesten der USA

- Von Alexandra Stahl

SNOQUALMIE/NORTH BEND (dpa) „Twin Peaks“von David Lynch ist seit den 1990er-Jahren Kult. Im Nordwesten der USA kann man der gruseligen TV-Serie in der Nähe von Seattle nachspüren.

Das Ortsschild von Twin Peaks ist weg. Hinter der Stelle, an der es stehen sollte, verschwind­en die Berge in den Wolken. Die Straße biegt in eine Kurve, der hölzerne Strommast sieht verloren aus. Twin Peaks gibt es ja auch gar nicht. Aber der US-Bundesstaa­t Washington lädt zur Spurensuch­e ein.

An der Reinig Road nahe der Orte Snoqualmie und North Bend rund 30 Kilometer östlich von Seattle ließen die Macher das Schild mit der Aufschrift „Welcome to Twin Peaks“aufstellen. Es ist im Vorspann der Serie zu sehen. Eigentlich sollte es bleiben. Einmal aber sei das Schild geklaut, einmal überfahren worden, erzählen die Leute. Manche Fans bringen jetzt ihr eigenes Schild mit.

Die perfekte Landschaft

Lynchs Serie – eine Mischung aus Mystery, Krimi, Comedy und Seifenoper – ist Kult. Auch weil die Geschichte um den schrullige­n FBIAgenten Dale Cooper, der im fiktiven Ort Twin Peaks den rätselhaft­en Mord an der Dorfschönh­eit Laura Palmer aufklären soll, von Folge zu Folge gruseliger wird. Zwei Staffeln liefen 1990/91, 2017 kam die lang erwartete dritte heraus, die die Macher aber nicht so nennen wollen, sondern als eigenständ­iges Werk sehen. Cooper, den damals wie heute Kyle MacLachlan spielt, ist wieder dabei.

„Twin Peaks“ist ein großes Geheimnis, die Drehorte sind es nicht. Sie sind über viele Kilometer quer über die Landschaft nicht weit von Kanada verteilt. Man versteht gut, warum Lynch diese Gegend für seine Serie auswählte. Doch nicht alle Orte sehen aus wie im Fernsehen.

Das Hotel Salish Lodge in Snoqualmie allerdings schon. In der Serie wird es zum Great Northern Hotel, FBI-Agent Cooper wohnt dort in Zimmer 315. „Ich rede eigentlich die ganze Zeit über „Twin Peaks“, sagt Alan Stephens, Manager des Hotels. Er führt durch sein Hotel mit der Entspannth­eit von einem, der weiß, dass seine Geschäfte gut laufen. Die Zimmer kosten mehrere Hundert Dollar pro Nacht. Wer in der Badewanne liegt, schaut durch ein Panoramafe­nster in den Wald.

In der Serie taucht die Außenfassa­de auf, im Hotel wurde nicht gedreht. Trotzdem kommen die Touristen, Tausende jedes Jahr, erzählt Stephens. Manche schauten sich nur um, andere buchten Zimmer. Die neuen Folgen hätten einen neuen Hype ausgelöst. Das Hotel hat sich auf die Serie eingestell­t: In den Zimmern kann man sie schauen, im Spa gibt es einen Dale-Cooper-CoffeeBody-Scrub, in der Hotelbar einen Dale-Cooper-Cocktail, im Hotelcafé Cherry Pie - Cooper liebt Kirschkuch­en. Eine Tour wird nicht angeboten, aber Fans bekommen eine Karte, auf der die ehemaligen Drehorte verzeichne­t sind. Wer ein Auto hat, kann sich selbst auf die Suche machen.

Der Souvenirsh­op verkauft neben T-Shirts, Büchern und Aufklebern einen Holzscheit in Form eines Kissens. Einen Holzscheit in Form eines Kissens? In Lynchs Serie kommt die Log Lady vor – eine Frau, die einen Holzscheit mit sich herumträgt, der manchmal mit ihr spricht. „Die Leute kaufen den Holzscheit wie blöd“, sagt Stephens. „Im Grunde kaufen sie alles, auf das wir ,Twin Peaks’ schreiben.“

Einmal im Jahr im Sommer wird alles noch ein bisschen verrückter. Dann findet ein dreitägige­s Festival statt, Schauspiel­er und Fans kommen, viele wohnten im Salish Lodge. Neben dem Hotel rauscht der Wasserfall Snoqualmie Falls in die Tiefe, auch ihn sieht man im Vorspann der Serie. Asiatische Touristen fotografie­ren, drei verschlafe­ne Backpacker verkaufen Polaroidbi­lder.

Kirschkuch­en und Kaffee

In North Bend liegt Twede’s Café, in dem tatsächlic­h gedreht wurde. In der Serie ist es das Double R Diner, in dem der FBI-Agent und sein Kollege Sheriff Truman über den Fall sinnieren. Sie bestellen bei Kellnerinn­en, die Shelly oder Norma heißen und sehr rote Lippen und sehr weiße Zähne haben. Cooper will jedes Mal Cherry Pie und einen „damn fine cup of coffee“, eine verdammt gute Tasse Kaffee.

An der Rückseite des Diners findet sich endlich das Schild „Welcome to Twin Peaks“– es ist auf die Hausfassad­e gemalt. Drinnen ist es kalt wie in einem Kühlschran­k. Am Tresen hängen Bilder zur Serie, die Kinder gemalt haben könnten. Auf den Tischen stehen Wachsmalst­ifte neben Ketchup-Flaschen. Die Speisekart­e bietet neben Burgern und Roastbeef natürlich Cherry Pie und einen „damn fine cup of coffee“. Der Kuchen ist extrem süß.

Plötzlich geht die Tür des Diners auf. Ein Mann mit schwarzem Anzug und FBI-Ausweis kommt an den Tresen. Agent Cooper? Aber der Mann trägt keinen scharfen Seitensche­itel, sondern hochgegelt­es Haar. Er stellt sich als David Israel vor und ist vermutlich der größte „Twin-Peaks“Fan der Welt. „Ich kann nicht mehr zählen, wie oft ich die Folgen gesehen habe“, sagt er. Den Soundtrack höre er im Auto. „Immer.“

Süchtig nach der Serie

Israel, der in Seattle lebt, hat aus seiner Leidenscha­ft ein Geschäft gemacht. Alle Drehorte hat er zusammenge­sucht, mehr als auf der offizielle­n Karte. Er bietet eine Tour an und verkleidet sich dafür als FBIAgent. Auch er war wie Hotelmanag­er Stephens 16 Jahre alt, als die Serie herauskam. Allerdings sofort „hooked“, wie die Amerikaner sagen – süchtig.

Seit Februar 2017 führt er Fans aus aller Welt an die Drehorte, heute eine Gruppe Engländer, die fotografie­rt, während er erzählt. Rund 300 Touren habe er bislang gemacht. Bald komme eine Dokumentat­ion heraus, es gehe um die Log Lady, die Frau mit dem Holzscheit. Die Schauspiel­erin ist vor Kurzem gestorben. „Twin Peaks“geht aber immer weiter.

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FOTOS: DPA Im Vorspann von „Twin Peaks“zu sehen: Neben der Salish Lodge rauscht der Wasserfall Snoqualmie Falls in die Tiefe.
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Schwarzer Anzug, FBI-Ausweis – so bietet David Israel Touren rund um die Serie an.
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Das bekannte Schild „Welcome to Twin Peaks“ist auf die Hausfassad­e gemalt.

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