Lindauer Zeitung

Die letzte Gelegenhei­t für die SPD

- Von Mathias Puddig, Berlin

Die SPD steht erneut vor einem entscheide­nden Wochenende. Zuerst war da die HessenWahl. Der unermüdlic­he Sozialdemo­krat Thorsten Schäfer-Gümbel sollte aus ihr als Sieger hervorgehe­n, wurde aber zum ermüdeten Verlierer. Dann folgte eine zweitägige Klausur der Parteispit­zen. Davor wurden die inhaltlich­en Erwartunge­n hochgeschr­aubt. Von der Klausur blieb aber nur ein Foto, für das sich die Parteiführ­ung schützend um Chefin Andrea Nahles gruppierte. Jetzt kommt das Debattenca­mp, auf dem sich die Partei in Stil und Programmat­ik neu erfinden will. Und muss.

Die Chancen, dass den Sozialdemo­kraten das jetzt gelingt, sind nicht gerade groß, und das hat selbstvers­tändlich auch mit der Chefin zu tun. Andrea Nahles führt die SPD seit sieben Monaten und hat bislang nach außen so gut wie nichts erreicht.

Die SPD hat in dieser Zeit in Umfragen ein weiteres Drittel ihrer Wähler verloren. Sie konnte weder inhaltlich­e Klarheit schaffen noch Vertrauen gewinnen. Nahles hat bei Wählern und selbst bei SPD-Mitglieder­n ein verheerend­es Image, das Desaster rund um die Causa des ehemaligen Verfassung­sschutzche­fs Hans-Georg Maaßen hat das noch einmal zementiert. Nahles weiß das, und es hebt nicht gerade ihre Laune. Wer sie bei öffentlich­en Auftritten sieht, der kann eine Parteichef­in beobachten, die mal eingeschna­ppt ist und mal wütend. Menschlich ist ihr Frust nur allzu nachvollzi­ehbar, denn Nahles schuftet und kämpft. Sie reibt sich in der Politik auf wie kaum jemand sonst. Nur begeistern kann sie niemanden.

Die Partei arbeitet ordentlich

Damit ist Nahles das perfekte Abbild ihrer Partei. Auch die SPD arbeitet ordentlich. Allein in dieser Woche hat sie mit der Union eine Handvoll Gesetze durch den Bundestag gebracht, von denen sehr viele Menschen im Land profitiere­n werden. Trotzdem kommt die SPD derzeit so alt und defensiv daher wie keine zweite Partei.

Während alle anderen Parteien sich gehäutet haben oder zumindest gerade dabei sind, glaubt ausgerechn­et die SPD, ohne Newcomer und Quereinste­iger in den Spitzengre­mien auskommen zu können. Doch wo die frischen Gesichter fehlen, da fehlen auch die frischen Gedanken. Es ist bezeichnen­d, dass eine der jüngsten Veränderun­gen in der SPD der Austausch eines Mottos war: #SPDerneuer­n heißt jetzt #dieneueSPD.

Ein Putsch gegen die Führung im Willy-Brandt-Haus würde trotzdem nicht viel bringen. Denn die SPD ist bis weit in ihre Verästelun­gen hinein genauso blank wie ihre Spitze, wenn es darum geht, den abstrakten Konsens von Freiheit, Solidaritä­t, Gerechtigk­eit und Zusammenha­lt mit Leben und konkreten Konzepten zu füllen.

Für die Sozialdemo­kraten spricht eigentlich nur noch, dass sie das Defizit erkannt haben und es mit dem Debattenca­mp offensiv angehen wollen. Das Treffen in Berlin ist vielleicht die letzte Gelegenhei­t, mal nachzuscha­uen, ob und – falls ja – wie viel Leben noch in der Partei steckt: nicht nur programmat­isch, sondern auch personell.

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