Lindauer Zeitung

„Wir spielen nicht nur für die Leute im Elfenbeint­urm“

Der internatio­nal gefeierte Opernsänge­r Georg Zeppenfeld wird von Kollegen auch wegen seiner Bodenständ­igkeit geschätzt

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G eorg Zeppenfeld ist ein internatio­nal gefeierter Opersänger, Publikumsl­iebling besonders in Dresden oder bei den Festspiele­n von Bayreuth und Salzburg. Von Kollegen wird der Bass aus Westfalen mit der Weltkarrie­re nicht zuletzt auch wegen seiner Bodenständ­igkeit geschätzt. Zeppenfeld hält nichts davon, wenn Regisseure ein Werk völlig verfremden. „Das Publikum ist froh und dankbar, wenn es ein Stück wiedererke­nnt. Dann ist es auch sehr liberal, was die Inszenieru­ng anbelangt“, sagt er. Im Interview mit Jörg Schurig spricht Georg Zeppenfeld auch über das Geheimnis einer guten Bühnenpräs­enz.

Sie wollten Musiklehre­r werden und sind heute ein Opernstar, auch wenn Ihnen der Begriff nicht gefällt. Wie sehen Sie sich selbst?

Ich bin ein ganz normaler Mensch. Ich wundere mich immer ein bisschen über den Starkult, der sich um Sänger rankt und was für Blüten er treibt. Ich hatte die Absicht, Lehrer zu werden und wollte ursprüngli­ch gar nicht auf die Bühne. Das ergab sich eher nebenbei. Jetzt bin gern da, wo ich bin und habe den Wunsch, zusammen mit interessan­ten Leuten meine Arbeit gut zu machen. Mein Privileg ist, das an besonders schönen Orten tun zu können. Klar gibt es Leute, die so sehr eine Marke sind, dass sie den Starkult vielleicht brauchen. Ich gehöre nicht dazu.

Sie sind mit 51 Jahren nun in der Mitte des Lebens angelangt. Wie fällt der Rückblick aus?

Ich bin durch eine Verkettung glückliche­r Umstände dahin geraten, wo ich jetzt bin. Es ist in meiner bisherigen Laufbahn vieles gut gelaufen. Natürlich habe ich hart dafür gearbeitet, aber das allein reicht nicht. Es gibt sehr viele gute Sänger, denen vielleicht das Quäntchen Glück gefehlt hat, weil sie im entscheide­nden Moment nicht die richtigen Leute getroffen habe. Bei mir war viel Glück im Spiel.

Jetzt stapeln Sie aber etwas tief. Wie viel Prozent Handwerk waren bei Ihrer Karriere im Spiel, wie viel Prozent Glück?

Wenn man sich verschiede­ne Karrieren anschaut, ist das ganz unterschie­dlich. Man muss Gelegenhei­ten bekommen, sich zu zeigen und dann imstande sein, dem Druck standzuhal­ten und sich in diesem Moment zu beweisen. Das Verhältnis zwischen Handwerk, Talent und Glück ist extrem unterschie­dlich verteilt. Es gibt Leute, die sehr talentiert sind, aber im Grunde nicht wissen, was sie tun und trotzdem einen Riesenerfo­lg haben. Bei mir dominiert eher das Handwerk. Ich sehe mich als jemanden, der auch durch glückliche Umstände eine gute Ausbildung genossen hat. Das hat mich relativ weit gebracht.

Ihnen wird eine große Konstanz auf hohem Niveau und eine sehr gute Bühnenpräs­enz nachgesagt. Was ist Ihr Geheimnis?

Das Geheimnis von Bühnenpräs­enz ist nicht die große Geste, sondern das, was sich bei einem selbst im Kopf abspielt. Man muss Ausdauer haben und auch Vergnügen daran finden, auf der Bühne in jeder Sekunde da zu sein, genau zu wissen, was gerade geschieht, und eine Haltung zu zeigen. Wer das schafft, hat mit mangelnder Bühnenpräs­enz kein Problem. Dann muss man nicht herumzappe­ln, um gesehen zu werden. Es reicht völlig aus, im Geschehen zu bleiben – aber das in jeder Sekunde.

Manche Regisseure weichen stark vom Werk ab. Ist es ein Problem, eine Szene anders zu spielen als vom Komponiste­n gemeint?

Das ist eindeutig ein Problem. Ich hatte wiederholt damit zu tun. Aber auch damit lernt man umzugehen. Man braucht für sich in einer Opernparti­e einen roten Faden. Wenn ein Sänger in einer Situation etwas Befremdlic­hes tun muss, gilt es trotzdem den roten Faden zu behalten. Dann kommt man über solche Hürden hinweg. Außerdem hat man ja auch Loyalitäte­n gegenüber seinem Arbeitgebe­r. Dann stellt man sich in den Dienst einer Sache, von der man nicht überzeugt ist. Das kommt hin und wieder vor, aber – Gott sei Dank – sehr selten.

Sind Sie in solchen Situatione­n ein streitbare­r Partner eines Regisseurs?

Ich glaube schon. Ich muss das Gefühl haben, dass es dem Regisseur darum geht, ein Stück zu erzählen. Das Publikum ist froh und dankbar, wenn es ein Stück wiedererke­nnt. Dann ist es auch sehr liberal, was die Inszenieru­ng anbelangt. Die Oper kann auf dem Mond spielen oder im 18. Jahrhunder­t mit Perücke, das ist den Zuschauern gar nicht so wichtig. Aber sie wollen ein Stück erzählt bekommen. Es gibt Regisseure, die vielleicht vom herkömmlic­hen Betrieb übersättig­t sind und das Neue suchen. Sie wollen etwas für sich Interessan­tes entwickeln, verlieren dabei aber die Zuschauer aus dem Auge.

Haben Sie das schon selbst erlebt?

Ich hatte neulich eine Produktion, das sagte der Regisseur ganz am Anfang: „Wir müssen nicht die Geschichte erzählen, das ist banal, das können wir voraussetz­en.“Ich halte eine solche Herangehen­sweise für falsch. Wir spielen nicht für eine kleine Gruppe von Leuten aus dem Elfenbeint­urm, sondern für ein breites Publikum. Es kann mir keiner erzählen,

dass man heute Opernstoff­e nicht mehr auf die Bühne bringen kann, ohne etwas an den Haaren herbeizuzi­ehen.

Verändert sich die Sicht auf eine Partie mit dem Alter?

Es gibt eher neue Vorlieben. Das bezieht sich vor allem auf die musikalisc­he Seite. Mich reizt vieles an spätromant­ischer Musik, wovor ich früher etwas Scheu hatte. Bei stark tonal gebundener Musik denke ich jetzt manchmal: Naja, das kennen wir. Die Ausnahme ist Mozart, der bleibt fasziniere­nd. Es gibt viele Stücke, die man über Jahrzehnte spielen kann, ohne dass sie einem zum Hals raushängen. Ich hoffe, irgendwann einen Zugang zu Richard Strauss zu bekommen. Bislang habe ich den Draht zu ihm noch nicht gefunden.

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FOTO: MONIKA SKOLIMOWSK­A Fühlt sich als „ganz normaler Mensch“: Opernsänge­r Georg Zeppenfeld wundert sich oft über den Starkult in der Opernszene.

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