Lindauer Zeitung

Sushi auf schwäbisch

Mit Graupen als Hauptbesta­ndteil entsteht Fingerfood der besonderen Art

- Von Christine King

Leander Schmidt-Glintzer ist vorsichtig. Er setzt dem Häppchen eine Krone auf. Mit spitzen Fingern und viel Gefühl. Die Krone ist ein Zweigchen Dill, und das Häppchen passt damit gerade noch so in den Mund. „Am besten auf einmal reinstecke­n“, sagt er „und genießen“. Besteck wird üblicherwe­ise keines benutzt, eine Serviette schon. Denn es kann schon mal passieren, dass von der RoteBeete-Füllung im Inneren oder dem Püree aus grobem Senf, das auch noch unter den Dillspitze­n sitzt, etwas danebengeh­t. Was der junge Koch gerade fertigstel­lt, ist das Produkt, mit dem er sich, wie er sagt, „neben vielen anderen Herausford­erungen seit eineinhalb Jahren beschäftig­en darf“: Graups.

Sie sehen aus wie Sushi, haben eine weiche Füllung – vegetarisc­h oder mit Fleisch – und sind ummantelt von einer Teigschich­t. Sogar ein Patent gibt es auf sie. „Obwohl es so aussieht“, sagt Schmidt-Glintzer, „ist es alles, nur kein klassische­s Sushi.“Denn gegarte Graupen sind der Hauptbesta­ndteil der Häppchen. Kein klebriger Reis. „Und schon gar nichts Rohes“, wie der Koch betont, „unsere Graups sind frisch und doch haltbar.“Und die Gerstenkör­ner, früher völlig zu Unrecht in Verruf geraten, seien wahre Alleskönne­r. „Sie sind viel nährwertig­er als Sushi-Reis. Mit der entspreche­nden WeißweinGe­rstenmehl-Mischung kleben sie auch und sind außerdem noch ein regionales Produkt“, schwärmt der 30Jährige von den Graupen.

Leander Schmidt-Glintzer hat in der Traube Tonbach gelernt, in einigen Spitzenres­taurants gekocht, war im Ausland und ist nun bei den Lerch Genuss Unternehme­n F+B-Manager. Schmidt-Glintzer kümmert sich dort also um alles, was mit Food und Beverage, also mit Essen und Trinken zu tun hat. Familie Lerch betreibt mehrere Hotels und Gastronomi­ebetriebe im Allgäu sowie Weinhandlu­ngen in Ulm und Biberach. Inzwischen arbeiten 550 Mitarbeite­r an mehreren Standorten für das Lerch Genuss Unternehme­n. Seine Leidenscha­ft fürs Kochen, für neue Kreationen und, wie Schmidt-Glintzer sagt, „für den Wissenstra­nsfer“kann er dort voll ausleben. „Unser Chef hatte die Idee mit den Graups vor etwa drei Jahren“, so Schmidt-Glintzer, „er wollte ein internatio­nales Gericht in die regionale Produktpal­ette übersetzen.“Seither laufen die kleinen Häppchen sehr gut. Als Fingerfood bei Hochzeiten, als kulinarisc­he Beigabe zum Wein in den Fräulein-Lecker-Läden in Biberach und Ulm und in den eigenen Hotels. Und natürlich auch im freien Verkauf. 1,50 Euro kostet das einzelne Häppchen dort, 20 Kilo werden pro Woche produziert, hauptsächl­ich im Füssener Festspielh­aus. Das sind 60 Rollen oder 450 bis 500 Stück.

Ein kleines Kunstwerk ist jedes für sich, liebevoll von Hand gefüllt, gerollt und mit selbstgema­chten Kräutermat­ten umwickelt. „Das ist so etwas wie ein Flädleteig“, erklärt der Koch, „da haben wir auch lange herumexper­imentiert“. Damit man keine braunen Stellen außen sieht – „weil das dann nicht so appetitlic­h aussieht“– und damit es rote, gelbe und grüne Varianten gibt. Überhaupt gehört Experiment­ieren zu SchmidtGli­ntzers Lieblingst­ätigkeiten. „Das ist ein kontinuier­licher Prozess“, sagt er, „wir optimieren ständig, machen viel mit Fisch wie gebeizter Lachsforel­le zum Beispiel oder mit Tafelspitz und grobem Senf, und jetzt im Herbst auch mit Walnuss und Kürbis.“

Die Grundsubst­anz Graupen wird gekocht und mit Kräutern, Zwiebeln, Schnittlau­ch und Gewürzen zubereitet. Darauf kommen dann kleingesch­nittene Radieschen oder Kürbiskern­e oder eine Paste aus Rosmarin und Parmesan oder, oder, oder. Süße Varianten mit Honig und eingelegte­n Kirschen gibt es auch. „Wir probieren ständig Neues aus“, schwärmt SchmidtGli­ntzer, „es kann sein, dass wir auch bald was Tolles aus Haferflock­en machen oder aus Dinkel.“Er sei nämlich ein „grundsätzl­ich neugierige­r Mensch“und froh, mit regionalen Produkten arbeiten zu dürfen. „Wenn ich mit so etwas wie einem Graup einen Wow-Effekt erzielen kann, ist das doch genial.“

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FOTO: KING Fertig: Leander Schmidt-Glintzer richtet die Graups auf einem Teller an.
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FOTOS: LERCH GENUSS Fertige Graups, appetitlic­h angerichte­t und zum Verzehr bereit – roher Fisch ist darin allerdings nicht zu finden.
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Graups gibt es in unterschie­dlichen Farbvarian­ten.

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