Zurückgekämpft
Alexander Zverev startet mit einem 7:6, 7:6 ins ATP-Finale der weltbesten Tennisprofis
LONDON (SID/dpa) - Nach 13 Minuten flog der Schläger, nach einer halben Stunde zuckte Alexander Zverev ratlos mit den Achseln – doch am Ende der Zitterpartie in London war seine Welt völlig in Ordnung. Durch das hart erkämpfte 7:6 (7:5), 7:6 (7:1) im Auftaktmatch gegen den Kroaten Marin Cilic darf Zverev mehr denn je auf den Einzug in die K.o.-Runde des ATP-Saisonfinals hoffen. Auch wenn in der Gruppenphase noch hohe Hürden auf den Hamburger Tennisprofi warten. „Ich wusste, dass ein Sieg sehr wichtig ist für den weiteren Verlauf der Vorrunde. Daher wusste ich auch, dass ich mich zurückkämpfen muss, egal wie es steht“, sagte Zverev, der in beiden Durchgängen zurücklag – im ersten gar mit 2:5. Merke: „Gegen Marin darf man nicht mit einem Satz in Rückstand geraten. Ich bin glücklich darüber, wie ich gespielt habe.“
Nach dem Zweisatzsieg konnte Zverev sich am späten Montagabend ganz entspannt die Partie zwischen dem klar favorisierten Weltranglistenersten Novak Djokovic (Serbien) und dem Aufschlagriesen John Isner (USA) anschauen. Auf den Gewinner des Duells trifft er am Mittwoch, auf den Verlierer zum Abschluss der Vorrunde am Freitag. Für beide Begegnungen ließ sich Zverev noch genügend Steigerungspotenzial.
Besonders zu Beginn war dem mit 21 Jahren jüngsten Spieler in der Londoner O2-Arena die Nervosität deutlich anzumerken. Dabei hatte Zverev bereits im vergangenen Jahr sein Debüt beim Turnier der acht Saisonbesten gegeben. Bis zum 3:5 in Durchgang eins funktionierte jedoch nicht viel beim Weltranglistenfünften, erst die gütige Mithilfe seines Gegners ebnete ihm den Weg ins Match: Zverev fand immer mehr zu seinen Grundschlägen, bewegte sich gut und bestach vor allem beim eigenen Aufschlag.
Und: Von den Schulterproblemen, die ihn zuletzt in Paris vor allem beim zweiten Aufschlag behindert hatten, war kaum mehr etwas zu sehen. Zudem verlor Zverev trotz des ein oder anderen emotionalen Ausbruchs nie den Glauben an den Sieg. Dazu gab es auch keinen Anlass. Von den sechs Aufeinandertreffen zuvor mit dem 30-jährigen Cilic hatte Zverev fünf für sich entschieden, darunter auch das Duell in London im vergangenen Jahr.
Fahriger Auftritt Federers
Damals war er dennoch in der Vorrunde ausgeschieden – ein Szenario, das in diesem Jahr Roger Federer droht. Der Rekordsieger aus der Schweiz, Zverevs Kindheitsidol, muss nach dem 6:7 (4:7), 3:6 gegen den Japaner Kei Nishikori um den Einzug ins Halbfinale bangen. Zwar hat der 37-Jährige noch zwei Chancen – und damit das Weiterkommen selbst in der Hand –, der fahrige Auftritt gab seinen Fans jedoch wenig Anlass zum Optimismus.
Zum 16. Mal ist Federer beim Saisonfinale dabei, nur einmal, im Jahr 2008, scheiterte er in der Gruppenphase. Wie vor zehn Jahren unterlag er auch 2007 (Turniersieg) und 2013 (Halbfinale) in seinem ersten Gruppenspiel, insofern ist noch alles möglich. Doch viel zu selten blitzten die Klasse und die Routine des 20-maligen Grand-Slam-Siegers auf. Bezeichnend: Verärgert drosch Federer einen Ball auf den Oberrang und kassierte dafür eine Verwarnung.
Zverev dagegen hielt nach dem verkorksten Start seine Emotionen zumeist unter Kontrolle, selbst als er im zweiten Satz mit einem Break in Rückstand geriet. Erneut half ihm Cilic mit einfachen Fehlern, 46 unterliefen ihm insgesamt. Nervenstark nutzte Zverev die unfreiwillige Vorlage und verwandelte nach 2:06 Stunden seinen zweiten Matchball. „Es war zu 100 Prozent ein Arbeitssieg“, sagte er danach. „Bei so einem Turnier möchtest du nicht mit einer Niederlage starten.“
Roger Federer hätte ihm diesen Satz unterschrieben.