Gericht zwingt Internetportal zu fairen Bewertungen
Urteil in München: Fitnessstudio gewinnt nach jahrelangem Streit gegen den Onlineriesen Yelp
BERLIN - Niederlage für das US-Internetportal Yelp: Die Bewertungsseite muss einer Betreiberin von Fitnessstudios in München nicht nur Schadenersatz zahlen, sie muss auch eine lange Reihe guter Einschätzungen wieder sichtbar machen, die jahrelang unterdrückt waren, hat jetzt das Oberlandesgericht München entschieden. „Das ist eine gute Nachricht für das Unternehmertum in ganz Deutschland“, sagte die Betreiberin Renate Holland. „Viele kleine Firmen leiden darunter, im Netz mit unzutreffenden Bewertungen aufzutauchen.“
Vor vier Jahren war der Unternehmerin aufgefallen, dass Dutzende positive Bewertungen ihrer Studios plötzlich nicht mehr für die Gesamtwertung auf Yelp zählten. Damit rutschte ihre Einschätzung von 4,5 Sternen auf ein bis zwei Sterne ab. Eine solche Bewertung kann sich schnell negativ auf das Geschäft auswirken, denn viele potenzielle Kunden vertrauen den Aussagen im Internet. Yelp hatte Holland seinerzeit angeboten, bezahlte Anzeigen zu schalten, um das Ranking zu verbessern, berichtet die Klägerin. Die ehemalige Bodybuilding-Weltmeisterin weigerte sich jedoch – und kämpfte seitdem vor Gericht um den Ruf ihrer Firma. Holland steht mit dem Ärger über Bewertungen im Netz nicht alleine da. Mal sind es die Portale selbst, die nach Ansicht der Betroffenen das Bild durch die Gewichtung der Bewertungen verzerren, mal stecken Manipulationen von außen dahinter. Der Darstellung von Yelp zufolge gewichtet ein Programm die Bewertungen ohne weitere Einflussnahme in empfohlene und weniger empfohlene Bewertungen, die jedoch alle zugänglich seien. Der Dienst Fakespot, der sich auf das Aufspüren unechter Bewertungen spezialisiert hat, schätzt, dass heute rund ein Drittel aller Bewertungen gekauft, falsch oder fragwürdig sind. Betroffen sind viele bekannte Seiten wie Tripadvisor, Amazon oder der App Store von Apple.
Nach Ansicht von Experten haben Gewerbetreibende jedoch grundsätzlich gute Chancen, etwas gegen falsche Bewertungen zu erreichen. „Die Gerichte achten hier vor allem darauf, ob die Bewertungen auf Tatsachen basieren“, sagt Mathias Zimmer-Goertz, Rechtsanwalt bei der Kanzlei Beiten Burkhardt in Düsseldorf. Die Einschätzungen seien zwar auf der einen Seite als Meinungsäußerungen durch die Gesetze geschützt, müssen andererseits aber auf realen Erfahrungen mit dem Produkt beruhen. Wenn ein Hotelier beispielsweise nachweisen kann, dass der angebliche Kunde nie bei ihm übernachtet hat, dann kann er auf einer Löschung bestehen. Einen Arzt, der auf dem Medizin-Portal Jameda zahlreiche negative Einschätzungen erhalten hatte, bekam ebenfalls vor Gericht recht: Er konnte belegen, dass die Verfasser nie in seiner Praxis waren.
Die Betroffenen müssen jedoch oft gar nicht vor Gericht ziehen, um etwas zu erreichen, so ZimmerGoertz. Oft reicht ein Schreiben an die Betreiber, das sie zur Löschung unzutreffender Bewertungen auffordert. Für die Internetfirmen ist es in der Regel einfacher, die umstrittene Beurteilung zu entfernen, statt auf Wahrheit zu überprüfen. Erfolgt keine Reaktion, dann gebe es die Möglichkeit, vor Gericht zu ziehen. Immer öfter erhalten hier die Gewerbetreibenden recht. Im Prinzip verstoßen auch gekaufte positive Bewertungen gegen die Regeln – und zwar als irreführende Werbung. Bei zahlreichen Anbietern können Geschäftsleute sich massenhaft Fünf-Sterne-Rezensionen beschaffen. Es ist hier allerdings für die geschädigte Konkurrenz schwer, die Manipulation konkret nachzuweisen.
Kein Einzelfall
Die verzerrte Platzierung echter Bewertungen ist immer wieder Gegenstand der Rechtsprechung – so wie jetzt im Fall des Fitnessstudios gegen Yelp. Auch der Bewertungsdienst eKomi hat damit bereits Ärger bekommen. Dieser hatte allerdings umgekehrt die positiven Bewertungen nach oben gezogen und negative Aussagen unterdrückt. Die Gerichte haben letztlich erzwungen, Lob und Kritik gleichzusetzen. Dennoch – fragwürdige Bewertungen im Netz werden so schnell wohl nicht weniger. „Die Justiz ist hier letztlich der einzige Weg, der Geschäftsleuten offensteht, um sich zur Wehr zu setzen“, sagt Zimmer-Goertz.