Eltern fürchten um die ganze FSA
Trotz rechtlichem Schwebezustand unterstützen sie die Freie Schule weiterhin
WANGEN
- Die Freie Schule Allgäu (FSA) befindet sich derzeit in einem rechtlich ungeklärten Schwebezustand. Sollte es zu der drohenden Schließung des Sekundarbereichs kommen, sehen Eltern auch den Bestand des Grundschulbereichs gefährdet – und damit die Zukunft der gesamten Privatschule. Zugleich bekennen sie sich zur FSA: Sie wollen ihre Kinder in der Einrichtung belassen – obwohl derzeit unklar ist, ob die weiterführenden Bereiche überhaupt bis zum Schuljahresende – und darüber hinaus – betrieben werden können.
Nicole Kraiem stellt sich derzeit die Frage, ob die Freie Schule überhaupt zu halten wäre, sollte die vom Regierungspräsidium verhängte Rücknahme der Genehmigungen für die drei Zweige Haupt-, Real- und Gemeinschaftsschule vor Gericht Bestand haben. Sie gehört zu einer Gruppe von FSA-Eltern, die im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“ihre Sicht der Dinge zu Problemen und deren Folgen an der Freien Schule darstellen. Christian Hauß ist sogar überzeugt, dass dann auch der Grundschulbereich vor einer möglichen Schließung stehen dürfte.
Zunächst gab es Tränen
Und das, obwohl dieser nicht betroffen von der während der Sommerferien verhängten Rücknahme der Genehmigungen und somit auch nicht Bestandteil des derzeit laufenden Rechtsstreits dazu ist. Die Eltern machen ihre Befürchtungen an mehreren Punkten fest: Lehrer würden im Fall einer Teilschließung die Schule verlassen. Lehrer, die auch im Primarbereich unterrichten.
Zudem wird im Gespräch deutlich, dass die private FSA für diesen Fall zu klein ist, um sich auf Dauer finanziell zu tragen. Zur Erklärung: Von den derzeit 35 Schülern besucht nach Auskunft der Schulleitung das Gros die Sekundarstufe.
Ungeachtet dessen stellen die Eltern ebenfalls dar, dass der momentane Schwebezustand für Unsicherheit gesorgt hat und weiter sorgt. Ein Schüler sei aufgrund der Situation abgegangen. Und vor allem unter den jüngeren Schülern habe es Tränen gegeben, als im Oktober bekannt geworden war, dass das Verwaltungsgericht Sigmaringen in einer (vorläufigen) Eileintscheidung an der Genehmigungsrücknahme des RP festhielt und die sofortige Teilschließung drohte.
„Die Pistole auf der Brust“
„Wenn das jemand vom RP gesehen hätte, dann hätte dieser Mensch über sein Handeln nachgedacht“, glaubt Christian Hauß. Auch Jutta Kaiser, die ebenfalls ein Kind auf der FSA hat, spricht von einer „stressigen Situation“. Vor allem jene, die im Sommer vor dem Haupt- oder Realschulabschluss stehen, hätten aktuell „die Pistole auf der Brust“.
Die Forderung der Eltern ist deswegen klar: Sie wollen den Erhalt der Sekundarstufe bis zu einer endgültigen gerichtlichen Klärung garantiert sehen. Also auch über die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim hinaus, der angekündigt hatte, in den kommenden Wochen über die Beschwerde der Schule gegen den Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen zu befinden. Denn erst anschließend und damit zu einem derzeit unklaren späteren
Zeitpunkt steht bekanntlich das Hauptsacheverfahren in Sigmaringen aus.
Was hingegen aus Elternsicht gar nicht geht, ist ein schließungsbedingter Schulwechsel während des laufenden Schuljahres. Erstens, weil der älteste Jahrgang sich derzeit intensiv auf den Abschluss im kommenden Sommer vorbereite. Dieser wäre in diesem Fall gefährdet. Zweitens, weil zum Beispiel Judith Kaiser festgestellt hat, dass andere, staatliche
Schulen derzeit nicht unbedingt auf FSA-Schüler warteten, weil diese ohnehin alles andere als einen Schülermangel hätten. Dies habe sie erfahren, als sie – vorsichtshalber – entsprechende Telefonrecherchen betrieben hatte.
Drittens – und das ist für die Eltern der wichtigste Punkt – kommt für sie ein erzwungener (Ad-hoc-) Schulwechsel eigentlich generell nicht in Frage, weil ein Teil der an der FSA unterrichteten Kinder und Jugendlichen
an anderen Schulen Probleme gehabt habe. Die Eltern hätten sich auch vor diesen Hintergründen „bewusst“für die Freie Schule entschieden, wie Ruth Morgenthaler erklärt. Nicole Kraiem sieht dies auch aus der Sicht von Schulen, die in diesem Fall FSA-Kinder aufnähmen: „Die Gruppenprozesse dort werden gestört.“
Wie bereits Schulleitung und Trägervereinsvorstand zuletzt eingeräumt hatten, sehen die Eltern ebenfalls die aktuellen Probleme der FSA im vergangenen Schuljahr begründet, als es wegen langwieriger Krankheiten und Abgängen zu einem Lehrermangel geführt habe. Auch sehen sie Zwänge durch Vorschriften. Allerdings betonen sie: „Anfang des Schuljahres standen wir super da“, so Ruth Morgenthaler. Dies habe auch für die vom RP bemängelte fachliche Seite gegolten, ergänzt Christian Hauß.
Wo kommt Ersatz her?
Auch die Eltern verweisen auf die Schwierigkeit, während eines laufenden Schuljahres personellen Ersatz zu bekommen. Erste Zusagen neuer Lehrer habe es 2017/18 wohl gegeben – allerdings erst für das jetzt laufende Jahr. Überdies kritisieren die Eltern die Behörden für die Reaktion darauf – vor allem in den vergangenen Wochen. Das Stichwort „Menschlichkeit“fällt im SZ-Gespräch häufiger.
Als Beleg sehen sie ein Schreiben des Staatlichen Schulamts Markdorf an die Eltern. Unter der Betreffzeile „Schulpflicht Freie Schule Allgäu“fordert es auf: „Sie als Eltern müssen nun Ihre Kinder an einer anderen Schule anmelden, um die Schulpflicht zu erfüllen.“
„Keine Chance gegeben“
Dabei stoßen sich die Eltern weniger am Inhalt des der SZ vorliegenden Schreibens an sich als vielmehr am Absendedatum: Dieses führt den 22. Oktober auf – also einen Tag bevor ein (letztlich aus Schulsicht gescheitertes) klärendes Treffen zwischen Vertretern des RP, der FSA-Schulleitung sowie Wangens OB Michael Lang in Tübingen anstand. „Die haben nicht mal abgewartet, was bei dem Gespräch herauskommt“, sagt Jutta Kaiser. Was für sie die Schlussfolgerung zulässt: „Die wollen uns keine Chance geben.“
Nicole Kraiem stört sich aus anderem Grund am Absendedatum der Aufforderung: An einem Montag abgeschickt, sei diese bei einigen Eltern erst wenige Tage vor Beginn der Herbstferien angekommen. In diesem kurzen Zeitraum eine andere Schule finden zu müssen, hätte sie für unmöglich gehalten – zumal die Teilschließung „sofort“im Raum stand, also unmittelbar mit dem Wiederbeginn des Unterrichts nach Ferienende.
Dazu ist es durch einen Hinweis des Verwaltungsgerichtshofs an das RP zwar nicht gekommen. Die Unsicherheit bleibt aber nach wie vor. Bei einem anderen Aspekt spüren die Eltern diese aber ganz und gar nicht: bei der Überzeugung, für ihren Nachwuchs die richtige Schule gefunden zu haben. Wegen der Art, Inhalte zu vermitteln, daraus resultierender Motivation oder besonderen Gemeinschaftsgefühls.
Nicole Kraiem fasst diese Sichtweise in einem markanten Satz zusammen: „Wir haben unsere Kinder nicht an einer Schule – wir sind die Schule.“