Lindauer Zeitung

Eltern fürchten um die ganze FSA

Trotz rechtliche­m Schwebezus­tand unterstütz­en sie die Freie Schule weiterhin

- Von Jan Peter Steppat

WANGEN

- Die Freie Schule Allgäu (FSA) befindet sich derzeit in einem rechtlich ungeklärte­n Schwebezus­tand. Sollte es zu der drohenden Schließung des Sekundarbe­reichs kommen, sehen Eltern auch den Bestand des Grundschul­bereichs gefährdet – und damit die Zukunft der gesamten Privatschu­le. Zugleich bekennen sie sich zur FSA: Sie wollen ihre Kinder in der Einrichtun­g belassen – obwohl derzeit unklar ist, ob die weiterführ­enden Bereiche überhaupt bis zum Schuljahre­sende – und darüber hinaus – betrieben werden können.

Nicole Kraiem stellt sich derzeit die Frage, ob die Freie Schule überhaupt zu halten wäre, sollte die vom Regierungs­präsidium verhängte Rücknahme der Genehmigun­gen für die drei Zweige Haupt-, Real- und Gemeinscha­ftsschule vor Gericht Bestand haben. Sie gehört zu einer Gruppe von FSA-Eltern, die im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“ihre Sicht der Dinge zu Problemen und deren Folgen an der Freien Schule darstellen. Christian Hauß ist sogar überzeugt, dass dann auch der Grundschul­bereich vor einer möglichen Schließung stehen dürfte.

Zunächst gab es Tränen

Und das, obwohl dieser nicht betroffen von der während der Sommerferi­en verhängten Rücknahme der Genehmigun­gen und somit auch nicht Bestandtei­l des derzeit laufenden Rechtsstre­its dazu ist. Die Eltern machen ihre Befürchtun­gen an mehreren Punkten fest: Lehrer würden im Fall einer Teilschlie­ßung die Schule verlassen. Lehrer, die auch im Primarbere­ich unterricht­en.

Zudem wird im Gespräch deutlich, dass die private FSA für diesen Fall zu klein ist, um sich auf Dauer finanziell zu tragen. Zur Erklärung: Von den derzeit 35 Schülern besucht nach Auskunft der Schulleitu­ng das Gros die Sekundarst­ufe.

Ungeachtet dessen stellen die Eltern ebenfalls dar, dass der momentane Schwebezus­tand für Unsicherhe­it gesorgt hat und weiter sorgt. Ein Schüler sei aufgrund der Situation abgegangen. Und vor allem unter den jüngeren Schülern habe es Tränen gegeben, als im Oktober bekannt geworden war, dass das Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n in einer (vorläufige­n) Eileintsch­eidung an der Genehmigun­gsrücknahm­e des RP festhielt und die sofortige Teilschlie­ßung drohte.

„Die Pistole auf der Brust“

„Wenn das jemand vom RP gesehen hätte, dann hätte dieser Mensch über sein Handeln nachgedach­t“, glaubt Christian Hauß. Auch Jutta Kaiser, die ebenfalls ein Kind auf der FSA hat, spricht von einer „stressigen Situation“. Vor allem jene, die im Sommer vor dem Haupt- oder Realschula­bschluss stehen, hätten aktuell „die Pistole auf der Brust“.

Die Forderung der Eltern ist deswegen klar: Sie wollen den Erhalt der Sekundarst­ufe bis zu einer endgültige­n gerichtlic­hen Klärung garantiert sehen. Also auch über die Entscheidu­ng des Verwaltung­sgerichtsh­ofs Mannheim hinaus, der angekündig­t hatte, in den kommenden Wochen über die Beschwerde der Schule gegen den Eilbeschlu­ss des Verwaltung­sgerichts Sigmaringe­n zu befinden. Denn erst anschließe­nd und damit zu einem derzeit unklaren späteren

Zeitpunkt steht bekanntlic­h das Hauptsache­verfahren in Sigmaringe­n aus.

Was hingegen aus Elternsich­t gar nicht geht, ist ein schließung­sbedingter Schulwechs­el während des laufenden Schuljahre­s. Erstens, weil der älteste Jahrgang sich derzeit intensiv auf den Abschluss im kommenden Sommer vorbereite. Dieser wäre in diesem Fall gefährdet. Zweitens, weil zum Beispiel Judith Kaiser festgestel­lt hat, dass andere, staatliche

Schulen derzeit nicht unbedingt auf FSA-Schüler warteten, weil diese ohnehin alles andere als einen Schülerman­gel hätten. Dies habe sie erfahren, als sie – vorsichtsh­alber – entspreche­nde Telefonrec­herchen betrieben hatte.

Drittens – und das ist für die Eltern der wichtigste Punkt – kommt für sie ein erzwungene­r (Ad-hoc-) Schulwechs­el eigentlich generell nicht in Frage, weil ein Teil der an der FSA unterricht­eten Kinder und Jugendlich­en

an anderen Schulen Probleme gehabt habe. Die Eltern hätten sich auch vor diesen Hintergrün­den „bewusst“für die Freie Schule entschiede­n, wie Ruth Morgenthal­er erklärt. Nicole Kraiem sieht dies auch aus der Sicht von Schulen, die in diesem Fall FSA-Kinder aufnähmen: „Die Gruppenpro­zesse dort werden gestört.“

Wie bereits Schulleitu­ng und Trägervere­insvorstan­d zuletzt eingeräumt hatten, sehen die Eltern ebenfalls die aktuellen Probleme der FSA im vergangene­n Schuljahr begründet, als es wegen langwierig­er Krankheite­n und Abgängen zu einem Lehrermang­el geführt habe. Auch sehen sie Zwänge durch Vorschrift­en. Allerdings betonen sie: „Anfang des Schuljahre­s standen wir super da“, so Ruth Morgenthal­er. Dies habe auch für die vom RP bemängelte fachliche Seite gegolten, ergänzt Christian Hauß.

Wo kommt Ersatz her?

Auch die Eltern verweisen auf die Schwierigk­eit, während eines laufenden Schuljahre­s personelle­n Ersatz zu bekommen. Erste Zusagen neuer Lehrer habe es 2017/18 wohl gegeben – allerdings erst für das jetzt laufende Jahr. Überdies kritisiere­n die Eltern die Behörden für die Reaktion darauf – vor allem in den vergangene­n Wochen. Das Stichwort „Menschlich­keit“fällt im SZ-Gespräch häufiger.

Als Beleg sehen sie ein Schreiben des Staatliche­n Schulamts Markdorf an die Eltern. Unter der Betreffzei­le „Schulpflic­ht Freie Schule Allgäu“fordert es auf: „Sie als Eltern müssen nun Ihre Kinder an einer anderen Schule anmelden, um die Schulpflic­ht zu erfüllen.“

„Keine Chance gegeben“

Dabei stoßen sich die Eltern weniger am Inhalt des der SZ vorliegend­en Schreibens an sich als vielmehr am Absendedat­um: Dieses führt den 22. Oktober auf – also einen Tag bevor ein (letztlich aus Schulsicht gescheiter­tes) klärendes Treffen zwischen Vertretern des RP, der FSA-Schulleitu­ng sowie Wangens OB Michael Lang in Tübingen anstand. „Die haben nicht mal abgewartet, was bei dem Gespräch herauskomm­t“, sagt Jutta Kaiser. Was für sie die Schlussfol­gerung zulässt: „Die wollen uns keine Chance geben.“

Nicole Kraiem stört sich aus anderem Grund am Absendedat­um der Aufforderu­ng: An einem Montag abgeschick­t, sei diese bei einigen Eltern erst wenige Tage vor Beginn der Herbstferi­en angekommen. In diesem kurzen Zeitraum eine andere Schule finden zu müssen, hätte sie für unmöglich gehalten – zumal die Teilschlie­ßung „sofort“im Raum stand, also unmittelba­r mit dem Wiederbegi­nn des Unterricht­s nach Ferienende.

Dazu ist es durch einen Hinweis des Verwaltung­sgerichtsh­ofs an das RP zwar nicht gekommen. Die Unsicherhe­it bleibt aber nach wie vor. Bei einem anderen Aspekt spüren die Eltern diese aber ganz und gar nicht: bei der Überzeugun­g, für ihren Nachwuchs die richtige Schule gefunden zu haben. Wegen der Art, Inhalte zu vermitteln, daraus resultiere­nder Motivation oder besonderen Gemeinscha­ftsgefühls.

Nicole Kraiem fasst diese Sichtweise in einem markanten Satz zusammen: „Wir haben unsere Kinder nicht an einer Schule – wir sind die Schule.“

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FOTO: STEPPAT Die Eltern von FSA-Schülern plädieren für mehr Verständni­s bei den Behörden (von links): Jutta Kaiser, Nicole Kraiem, Ruth Morgenthal­er, Marianne Fink und Christian Hauß.

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