Der musikalische Generationenvertrag lebt
Die Neuauflage des Generationenkonzerts bringt 120 Laienmusiker im Alter von fünf bis 95 Jahren zusammen
LINDAU (lz) - Das Wichtigste bei den Proben zum Generationenkonzert 2018 kann man gar nicht hören, sondern nur sehen: die leuchtenden Augen der Laienmusiker, die mal vor Anstrengung, mal vor Konzentration aber meistens vor Freude glänzen. Trotzdem gilt auch hier: Ohne Fleiß keinen Preis. Und weil es nicht gerade ein Kinderspiel ist, 120 Menschen im Alter von fünf bis 95 auf zwei Konzertabende vorzubereiten, haben die Macher auch schon im September damit angefangen. Inzwischen befindet sich das Ensemble in der heißen Probenphase, teilen die Veranstalter in einem Schreiben mit. Denn die Konzerte im Lindauer Stadttheater am 30. November und 1. Dezember rücken immer näher – und sind fast ausverkauft.
Dass es überhaupt zu einer Neuauflage des ersten Generationenkonzerts 2015 kommen würde, war lange nicht klar. Obwohl die Resonanz schon damals überwältigend war. Allerdings auch ein unvorstellbarer Arbeitsaufwand für die jungen Musiker, die das Konzert in Kooperation mit dem Lindauer Altenheim MariaMartha-Stift auf die Beine stellten. Stunden hat niemand je gezählt – denn am Ende war es einzig der ungewöhnliche Erfolg, der zählte. Als das Stadttheater gebebt hat unter dem Applaus der Zuschauer, die entgegen ihrer Erwartung keine Tanztee-Gemütlichkeit präsentiert bekommen haben, sondern ein mitreißendes Konzertereignis, bei dem jeder Einzelne an die Grenzen seines musikalischen Horizonts – und darüber hinaus gegangen ist.
Diesmal haben sich die Lindauer Musiker Vanessa Schick und Mario Binkowski-Hamann mit Magdalena Lutz und Martin Knab zwei weitere Profis mit ins Boot geholt. Das Quartett hat bereits im Sommer mit den Planungen begonnen. Die Hauptherausforderung: jeden Einzelnen der 120 Laien musikalisch genau dort abzuholen, wo er steht. Denn natürlich ist das Können bei einer solchen Menge von Menschen ganz unterschiedlich verteilt. „Entscheidend ist, dass alle, die mitmachen, über die Freude an der Musik verbunden sind“, sagt Mario Binkowski-Hamann.
Stück der Rolling Stones
Dass dem so ist, lässt sich etwa an einer Orchesterprobe in den Räumen des Hospizes am Paradiesplatz ablesen: Hochkonzentriert tasten sich Streicher, Bläser und Zupfinstrumentalisten an ein bekanntes Stück der Rolling Stones heran. Auch hier fällt auf, dass die Atmosphäre zwar gelöst ist, aber doch im Bemühen steht, das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Die Musiker sind altersmäßig teils durch viele Jahrzehnte getrennt. Der Kinderchor probt separat in Oberreitnau.
Bei der Probe des gemischten Chors im Maria-Martha-Stift ist das nicht anders: Mit fröhlichen Stimmübungen wärmen knapp 50 Frauen und Männer unter der Anleitung von Magdalena Lutz ihre Stimmen auf. Am Rande steht die Pflegedienstleiterin des Altenheims, Barbara Gregori, und lächelt. „Es bringt einfach zusätzliches Leben ins Haus, und alle profitieren davon.“Wenn der Vorhang im Stadttheater aufgeht, werden ein halbes Dutzend Bewohner des Maria-Martha-Stifts auf der Bühne stehen und ihren Beitrag leisten. Das größte Verdienst des Generationenkonzerts sei es, dass Menschen ganz unterschiedlicher Altersgruppen sich über die Musik annäherten. „Man muss ja Rücksicht nehmen, auf den anderen achten“, sagt Gregori. Alles Dinge, die sonst im Alltag, wo Begegnungen zwischen Alt und Jung längst nicht mehr selbstverständlich sind, zu kurz kämen.
Das musikalische Projekt erfreut sich einer breiten Unterstützung nicht nur der Musiker selbst, sondern auch des Kulturamts, vieler Firmen, privater Sponsoren und des RotaryClubs Lindau-Westallgäu. Über das Programm selbst schweigen sich die Macher noch aus. Nur soviel: Das Konzert soll die vergangenen 100 Jahre abbilden. Und damit auch Musik aus der Gegenwart. Für Inge Mössinger, die 87-Jährige Bewohnerin des Maria-Martha-Stifts, macht das unter anderem den Reiz aus, sich mit Liedgut durch die eigenen Biographie zu singen, denn: „Musik ist mein Leben.“