Lindauer Zeitung

Fünf Waldrappe büxen aus

Ziehmutter Corinna Esterer kann die seltenen Vögel wieder einfangen – Im Winter nimmt der Zugdrang ab

- Von Barbara Baur

ÜBERLINGEN/LAGUNA DI ORBETELLO - Die 29 jungen Waldrappe aus Hödingen sind zwar bereits im August in ihrem Winterquar­tier in der Toskana angekommen. Allerdings müssen die Jungvögel noch lernen, dass sie ihr Ziel schon erreicht haben. Denn offenbar ist der Drang, in den Süden weiterzuzi­ehen, stark: Fünf der Jungvögel büxten aus.

Inzwischen sind sie wieder bei der Gruppe: Ziehmutter Corinna Esterer konnte alle fünf Vögel wieder einfangen und zurückbrin­gen. Zwei Tage lang waren die jungen Waldrappe auf eigene Faust unterwegs, anfangs gemeinsam, später spalteten sich einzelne Vögel von der Gruppe ab. „Vermutlich war die Gruppenmot­ivation doch nicht so groß“, sagt Corinna Esterer, die die Verfolgung der Vögel mit dem Auto aufnahm. Bis sie sie einfangen konnte, waren sie schon kurz vor Rom. „Wahrschein­lich wären sie immer weiter geflogen“, sagt sie. Dank GPS konnte sie die Tiere orten. Die Sender, die an den Vogelbeine­n befestigt sind, funken in einem bestimmten Intervall den aktuellen Standort. „Ich wusste dadurch immer, wo sie ungefähr sind“, sagt sie.

Die Waldrappe einzufange­n, war für die Ziehmutter nicht schwer. Sie musste nur warten, bis sie sich hinsetzen und sie dann rufen. Denn die Waldrappe erkennen ihre menschlich­en Ziehmütter ihr Leben lang. „Sie waren überglückl­ich, mich zu sehen“, sagt sie. Die Vögel folgen zwar ihrem Zugdrang, sind aber trotzdem desorienti­ert. „Sie wissen nicht, wo sie fressen und schlafen können“, erläutert Corinna Esterer.

Dieses Jahr war das Waldrappte­am auf solch eine Situation vorbereite­t. Die Ziehmütter hatten sicherheit­shalber nur eine kleine Gruppe aus der Volière gelassen. Denn vergangene­s Jahr waren 14 Waldrappe in Richtung Süden weitergezo­gen. Nur sechs davon konnten die Ziehmütter wieder einfangen – und zwar auf kleinen Inseln kurz vor Sizilien. Wo die restlichen acht Waldrappe geblieben sind, ist nicht bekannt. Denkbar ist, dass ihnen bei einem langen Flug über das offene Mittelmeer die Kraft ausging. Damit es nicht wieder dazu kommt, haben sie die Vögel dieses Jahr mit GPS-Sendern ausgestatt­et. „Davor haben wir Datenlogge­r verwendet, die zwar Daten aufzeichne­n, aber nicht senden“, erläutert sie.

Für die fünf Ausreißer ist das Abenteuer zunächst einmal vorbei. Sie mussten zurück in die Volière. Nun wollen die Ziehmütter noch kleinere Gruppen in die Freiheit entlassen. Erst, wenn sich die Neuankömml­inge gut in die Gruppe der freilebend­en Waldrappe integriert haben, dürfen die nächsten raus. Das Waldrappte­am geht davon aus, dass die Zugmotivat­ion der Vögel zum Jahresende hin abnimmt – und dann die Gefahr, dass sie weiter in Richtung Süden fliegen, gebannt ist.

 ?? FOTO: WALDRAPPTE­AM ?? Eigentlich sollen die 29 Waldrappe aus Hödingen ihr Winterquar­tier in der Toskana beziehen. Doch ein Teil der Gruppe hat sich aufgemacht, um weiter in Richtung Süden zu ziehen.
FOTO: WALDRAPPTE­AM Eigentlich sollen die 29 Waldrappe aus Hödingen ihr Winterquar­tier in der Toskana beziehen. Doch ein Teil der Gruppe hat sich aufgemacht, um weiter in Richtung Süden zu ziehen.

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