Der lange Weg zur Gleichstellung
Nach drei Jahren zieht Ursula Sauter-Heiler Bilanz: Vereinbarkeit Beruf-Familie weiter schwierig
LINDAU - Den Artikel drei des Grundgesetzes kennt Ursula SauterHeiler gut: „Mann und Frau sind gleichberechtigt.” Nach drei Jahren als Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Lindau weiß sie: Die Wirklichkeit sieht anders aus. Noch immer verdienen Frauen oft weniger als Männer, noch immer tragen sie die Hauptlast der Familienarbeit, und das oft zusätzlich zum Beruf. Und in der Politik sind Frauen sowieso viel zu wenig vertreten. Doch Sauter-Heiler will den langen Weg zur Gleichberechtigung weiter gehen: Der Kreis hat ihr diese Aufgabe für weitere fünf Jahre übertragen.
Als Diplomlandschaftspflegerin ist die Staatsbeamtin im Lindauer Landratsamt seit langen Jahren für den fachlichen Naturschutz zuständig. Vor gut drei Jahren jedoch beschloss Ursula SauterHeiler, sich zusätzlich um ein ganz anderes Themengebiet kümmern zu wollen: die Gleichstellung im Landkreis. Ihre Bewerbung hatte Erfolg, die Kreisräte übertrugen ihr 2015 erstmals diese Aufgabe – und verlängerten jetzt Sauter-Heilers Engagement in diesem Bereich.
Im Rückblick gibt die Staatsbeamtin durchaus zu: „Vor drei Jahren waren mir die Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft so noch nicht bewusst.” Dass es etwa auch im Landkreis Lindau Frauen gibt, die für die gleiche Arbeit weniger Geld bekommen als Männer. Oder dass Familienarbeit zum großen Teil noch immer von Frauen gestemmt werden muss, selbst wenn sie beruflich erfolgreich sind: „An der Frauenrolle hat sich in den vergangenen Jahren nicht wirklich viel geändert”, muss Sauter-Heiler nach drei Jahren Gleichstellungszeit erkennen: Da erkläre ein Mann doch allen Ernstes, er unterstütze doch seine Frau im Haushalt – „aber eigentlich sollte es doch selbstverständlich sein, dass sich beide diese Arbeit teilen”, findet die 58-Jährige. Und Führungspositionen erreichen Frauen nach ihrer Beobachtung zumeist nur in der öffentlichen Verwaltung. Ursula Sauter-Heiler
Mehr Frauen in der Politik wären wichtig
Doch die Gleichstellungsbeauftragte kann durchaus auch Erfolge vorweisen. So hat sie intensiv Kontakte und Netzwerke geknüpft und wiederbelebt. Ist mit dem Arbeitskreis „Wege aus der Gewalt“verstärkt an die Öffentlichkeit gegangen. Hat mit der Theaterinszenierung „Pfoten weg” Kindern gezeigt, wie sie sich gegen sexuelle Gewalt wehren können. Hat aber auch dazu beigetragen, dass der Verein Hilfe für Frauen in Not und der Landkreis heute gute Partner sind, wenn es um Gewalt gegen Frauen geht.
„Ich möchte Leute zusammenbringen und Themen anstoßen”, das hat sich die Lindauer Gleichstellungsbeauftragte auch für die weitere Zukunft vorgenommen. Auch wenn ihr zwölf Wochenstunden dafür nicht so viel Zeit bieten. Eines dieser Themen ist die Politik: Schon lange beschäftigt Sauter-Heiler die Frage, wieso Frauen so selten in die Politik gehen. Bestes Beispiel: Nur knapp ein Viertel der 60 Kreisräte sind weiblich.
Die Gleichstellungsbeauftragte hat Seminare organisiert, die Frauen zeigen sollen, dass sie durchaus Stärken besitzen. Zu wenig Zeit lässt sie als Argument nicht gelten: „Dann sollten sie weniger Kuchen für die Schule backen und sich stattdessen für die Gesellschaft engagieren.” Denn Sauter-Heiler ist überzeugt: „Frauen können in der Politik durchaus etwas bewirken.” Weil sie beispielsweise andere Schwerpunkte setzen als Männer, Themen anders angehen und die Dinge sehen, die sie voran bringen wollen. Um den Fuß in die politische Tür zu bringen, sind nach ihrer Ansicht aber auch gute Netzwerke wichtig – damit Frauen auch Frauen wählen.
Für weitere fünf Jahre hat der Kreis jetzt Ursula Sauter-Heiler zur Lindauer Gleichstellungsbeauftragten berufen. Die kommenden Monate möchte sie unter anderem nutzen, um „endlich mehr Frauen für die Politik zu begeistern”. Denn sie hofft, dass der lange Weg der Gleichstellung im Landkreis Lindau dann ein wenig kürzer wird.
„Dann sollten Frauen weniger Kuchen für die Schule backen und sich stattdessen für die Gesellschaft engagieren.”