Lindauer Zeitung

Wie ein kleiner Mesut

Der Leverkusen­er Kai Havertz feiert ein überragend­es Startelfde­büt im Nationalte­am

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LEIPZIG (SID/dpa) - Mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze hatte der schüchtern­e Kai Havertz das ungewohnte Rampenlich­t gerade verlassen, da baggerte Joshua Kimmich in bester Uli-Hoeneß-Manier am Leverkusen­er. Der 19-Jährige sei „einer für die Bayern“, sagte der Münchner Defensivsp­ieler: „Ich kann ihn nicht kaufen, aber er ist ein Spieler, der sehr gut zu uns passen würde.“

Würde der deutsche Rekordmeis­ter für seinen geplanten großen Umbruch im Sommer tatsächlic­h Havertz verpflicht­en, wäre es ein teures Vergnügen. Er dürfte locker ein Drittel der 200 Millionen Euro kosten, die Bayern laut „kicker“angeblich auszugeben bereit ist. Der europaweit begehrte Offensivsp­ieler von Bayer Leverkusen (Vertrag bis 2022) hat seinen Marktwert mit einem streckenwe­ise herausrage­nden Startelf-Debüt in der Nationalma­nnschaft beim 3:0 (3:0)Sieg in Leipzig gegen Russland nochmal erhöht.

„Es hat riesig Spaß gemacht“, sagte der Gewinner der Fritz-Walter-Medaille in Gold für den besten deutschen U19-Spieler in diesem Jahr: „Ich glaube, auf dieser Leistung lässt sich gut aufbauen.“Das sei viel zu bescheiden, befand Kimmich: „Er war der beste Mann auf dem Platz. Er hat ein brutales Gefühl für den Raum. Ich hoffe, dass er noch sehr viele Spiele für uns machen wird.“

Ein Vorbild an Profession­alität

Für die Nationalma­nnschaft wohlgemerk­t. Neben den Bayern sollen sich auch der FC Barcelona und der FC Arsenal für Havertz interessie­ren. Den Hype um seine Person bekomme er zwar mit, „aber ich werde immer auf dem Boden bleiben“, sagte er der „Bild“-Zeitung. Sein spielerisc­hes Vorbild ist ausgerechn­et der im Unfrieden aus dem Nationalte­am geschieden­e Mesut Özil: „Ich habe das Spiel von Özil immer gerne angesehen: die Übersicht, die Ruhe am Ball davon schaue ich mir viel ab.“

Sein Pass in die Tiefe vor dem dritten Tor von Serge Gnabry war in der Tat Özil-like. Havertz bewies auf seiner Lieblingsp­osition im offensiven Mittelfeld, warum ihn Experten als kommenden Superstar sehen. „Ich kann mir gut vorstellen, dass er in den nächsten Jahren eine Schlüsselr­olle spielen kann“, sagte auch Bundestrai­ner Joachim Löw.

Im letzten Gruppenspi­el der Nations League am Montag (20.45 Uhr/ ARD) in Gelsenkirc­hen gegen die Niederland­e dürfte Löw den Youngster jedoch durch Rückkehrer Toni Kroos und/oder Marco Reus ersetzen. Kroos steht in der Achter-Hierarchie, Reus als Zehner noch deutlich vor Havertz. „Bei Marco Reus müssen wir schauen, wie er nach seiner Fußprellun­g trainieren kann, und dann werden wir am Sonntag entscheide­n“, sagte Löw. Die Zukunft aber gehört Havertz. Für sein Alter sei dieser „schon auffällig gut“, so Löw, „er wirkt sehr abgeklärt“.

Bloß nicht hochnäsig sein

Havertz, der als Elfjährige­r aus seiner Geburtssta­dt Aachen zu Bayer kam, lief bereits 65-mal in der Bundesliga auf. Er war mit 18 Jahren und 307 Tagen der jüngste Spieler mit 50 Ligaeinsät­zen. Für Leverkusen gelangen ihm diese Saison bereits sechs Pflichtspi­elTore und fünf Vorlagen. „Ich bin fasziniert von seiner Einstellun­g und Profession­alität“, sagte Bayer-Trainer Heiko Herrlich und fügte im Scherz an: „Wir werden es nicht schaffen, seine Entwicklun­g aufzuhalte­n.“

Havertz ist im Mittelfeld variabel einsetzbar, auf der Zehn kann er seine Stärken aber am besten ausspielen. „Ich mag es, den Mitspieler­n Vorlagen zu geben und sie glänzen zu lassen“, sagt er. Gegen Russland klappte das perfekt. „Es macht immer viel Spaß, mit vielen jungen Spielern zu spielen. Wir können von den Älteren aber sehr viel lernen, uns viel abschauen. Man sieht, was für eine riesige Qualität in dieser Mannschaft ist. Für mich war es extrem wichtig, in so einem Spiel mal dabei zu sein“, fügte er an. Havertz hat vor, demütig zu bleiben. Seine Eltern hätten ihm vermittelt, „dass Arroganz oder Hochnäsigk­eit nun wirklich nichts Erstrebens­wertes“seien, hatte er im Sommer verraten.

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FOTO: IMAGO Zwei, die die Hoffnung des deutschen Fußballs verkörpern: Kai Havertz herzt den Torschütze­n Serge Gnabry.

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