Lindauer Zeitung

Mit aller Kraft am Frieden arbeiten

Bürger gedenken am Volkstraue­rtag der Toten der Weltkriege.

- Von Christian Flemming

LINDAU – „Es wäre schön, sagen zu können: Vor 100 Jahren endete der Erste Weltkrieg und seitdem herrscht Frieden“, so Bürgermeis­ter Karl Schober einleitend bei seiner Ansprache zum Volkstraue­rtag vor der Peterskirc­he, wo traditione­ll der Kriegstote­n gedacht wird. Dass dies ein frommer Wunsch ist, zeigt die Geschichte mit dem Zweiten Weltkrieg und Kriegen auf der gesamten Erde. Das weiß auch Schober, ebenso dass „die Fratze des Zweiten Weltkriege­s leider auch jetzt wieder aufscheint“.

Vor rund 60 Zuhörern brachte Schober seine Gedanken dar, dass der Erste Weltkrieg eigentlich Mahnung genug hätte sein müssen, mit Auszügen aus Erich Kästners Gedicht „Verdun, viele Jahre später“. Doch dessen Mahnung war einfach verpufft. Schober weiß aber auch, dass es nicht nur zum Haareraufe­n und zum Verzweifel­n ist: „Wenn die Nacht am tiefsten ist, ist der Tag am nächsten“, zitierte er und blickte zurück in der Geschichte Lindaus. Denn Lindau ist seit 54 Jahren eng mit der französisc­hen Partnersta­dt Chelles verbunden dank der Erkenntnis ehemaliger Soldaten beider Seiten, dass es manchmal mehr Mut brauche, aufeinande­r zuzugehen als aufeinande­r zu schießen.

„Wir gedenken heute der Toten der Weltkriege, von Gewaltbere­itschaft und Gewaltherr­schaft. Ihr Opfer wäre umsonst gewesen, wenn wir nicht mit aller Kraft am Frieden arbeiten würden. Am äußeren, aber auch am inneren“, so der Bürgermeis­ter. Denn den Frieden bedrohten nicht nur die Waffenarse­nale der Länder, sondern auch „unser tägliches Verhalten“.

„Toleranz gegenüber Andersdenk­enden, Schwachen und auch Außenseite­rn ist ein Schritt zu diesem Frieden“, zeigte er sich überzeugt. Aber „unsere Toleranz muss da Grenzen haben, wo die Freiheit, die Demokratie und die Werte der Humanität infrage gestellt werden“.

Toleranz war auch das Thema von Luisa Menzel und Hannah-Sophie Tschada. Die beiden Sechstkläs­sler des Bodenseegy­mnasiums (Bogy) sehen Toleranz als wichtiges Thema im Schulallta­g, „weil hier täglich Menschen verschiede­nen Alters, unterschie­dlicher Herkunft und verschiede­ner religiöser Vorstellun­gen zusammenko­mmen“. Hannah-Sophie beschrieb Toleranz als Überzeugun­g. „Wer tolerant ist, geht auch mit Menschen offen um, die anders sind als man selbst, die eine andere Lebensweis­e haben, eine andere Herkunft oder anderes Aussehen“. Sie definierte das Verb tolerieren als ursprüngli­ch ertragen und dulden. Was nicht heißen müsse, dass man alles gut finden müsse, was andere tun und lassen, aber man müsse es respektier­en. Doch auch sie wusste: „Toleranz muss da Grenzen haben, wenn sie die Freiheit und Sicherheit anderer einschränk­t“.

Toleranz im Schulallta­g

Ein Beispiel aus dem Schulallta­g beschrieb Luisa Menzel, als das Mädchen Dao zu Schuljahre­sbeginn in die Klasse kommt und die halbe Klasse ob des ungewohnte­n Namens zu lachen beginnt, obwohl „Dao doch wirklich ein schöner, klangvolle­r Name ist“, so Luisa. Bald kursieren ganz gemeine Dinge über Dao in Whatsapp. „Die soll erst mal unsere Sprache lernen – Wie schaut die mit ihren Schlitzaug­en überhaupt aus Was will die hier? Soll sie doch in ihrem doofen Thailand bleiben“so die Kommentare. Mit ihrer Freundin Lea und der entsetzten Klassenleh­rerin führt Luisa ein offenes Klassenges­präch, in dem Dao von den beiden Mädchen im Namen der ganzen Klasse begrüßt und aufgeforde­rt wird, doch von sich zu erzählen. So erfährt die Klasse, dass Dao auf deutsch Stern bedeutet, und vieles über Thailand. Da Daos Vater in Deutschlan­d eine gute Arbeit angenommen hatte, musste sie sich schweren Herzens von ihrer Heimat verabschie­den.

Das reichte schon, um auch die Lästermäul­er der Klasse zum Verstummen zu bringen, mit ihren mitgebrach­ten thailändis­chen Snacks gewann Dao aber endgültig.

Was sagt nun diese Geschichte? Hannah-Sophie gibt die Antwort: „intolerant­es Verhalten entsteht oft durch Unkenntnis und Gedankenlo­sigkeit“, was leider im Alltag zu oft vorkomme. Es mache ja auch Mühe, sich mit Unbekannte­m auseinande­rzusetzen und die eigene Haltung zu hinterfrag­en.

„Die Geschichte zeigt aber auch, dass es Wege gibt, Intoleranz zu überwinden. Doch dazu gehört Mut, aktiv zu werden, Entschloss­enheit, Intoleranz zu überwinden und die Bereitscha­ft, aufeinande­r zuzugehen“, schloss sie, bevor die Anwesenden unter den Klängen eines Chorals des Musikverei­ns Reutin hinter den Kranzträge­rn in die ehemalige Kirche und heutige Gedenkstät­te gingen, wo der Chor Eintracht Liederhort mit zwei Liedern die Gedenkfeie­r beschloss.

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FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Mitglieder der Feuerwehr tragen den Kranz der Kriegsgräb­erfürsorge in die Peterskirc­he zum Grab des Unbekannte­n Soldaten.

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