Lindauer Zeitung

Zwischen digitaler und realer Welt

Rund 300 Besucher machen sich fit in Sachen Medienkomp­etenz.

- Von Christian Flemming

LINDAU - Wer geht heutzutage schon freiwillig am Samstag in die Schule? Um rund 300 Menschen in die Mittelschu­le Reutin zu bekommen – wie jetzt am Samstag – muss schon etwas Besonderes geboten werden. Im Falle der Informatio­nsmesse für Eltern in Sachen Medienkomp­etenz war das allerdings der Fall.

Das Thema war aber nicht nur für die Eltern und weitere Verwandte interessan­t, sondern offensicht­lich auch für die Kinder und Jugendlich­en, denn viele begleitete­n ihre Eltern, sei es aus Interesse am Thema oder auch der Vorstellun­g, mal mit den Eltern an Computer oder Tablet zu spielen. Vielleicht aber auch – böse Unterstell­ung – um herauszufi­nden, wie es die Eltern anstellen, dass in manchen Stunden zu Hause keine Chance besteht, ins Internet zu kommen.

Gefahren für den Nachwuchs

Denn zur Medienkomp­etenz gehört beileibe nicht nur die Fähigkeit, im Internet zu zocken oder zu spielen, sondern auch das Wissen um all die Gefahren, die ein unbeschrän­ktes Internet für den Nachwuchs in sich birgt und mögliche Lösungsans­ätze, diesen Gefahren rechtzeiti­g zu begegnen, ohne gleich den Stecker zu ziehen.

Zum zweiten Mal, gleichzeit­ig zum ersten Mal im Unteren Landkreis, hat der Arbeitskre­is Medienkomp­etenz Landkreis Lindau diese Messe organisier­t. Vor einem Jahr mit großem Erfolg in Lindenberg, dieses Jahr also in Lindau, genauer in der Schule Reutin. Nach Schätzunge­n von Stefan Fürhaupter vom Arbeitskre­is waren es locker 300 Besucher, die sich an den Infostände­n sowie in den Vorträgen über die Neuen Medien und den besten Umgang damit informiert­en.

Oberbürger­meister Gerhard Ecker hatte die Schirmherr­schaft übernommen, wohl wissend um all die Probleme, die die virtuelle Welt mit sich bringt. „Ich meine, Medienkomp­etenz muss man lernen“, sagte er bei seiner Begrüßung und befand, dass das Internet und die Neuen Medien per se nicht einfach verteufelt werden dürften, denn sie eröffnen eine ganz neue Welt. In dieser müsse man sich aber auch wie in der realen Welt zurechtfin­den. Er betonte aber auch, dass Eltern und Großeltern eine Vorbildfun­ktion hätten und man das Handy wie auch den Computer auch ausschalte­n sollte, um miteinande­r zu reden.

„Sicheres Internet – Privatsphä­re und Datenschut­z“, unter diesem Titel gaben Vertreter der Telekommun­ikation der Stadtwerke Lindau Tipps und Hilfestell­ungen, wie Eltern ihre Kinder vor einschlägi­gen Internetse­iten bewahren können mittels Router-Einstellun­gen und anderem, um auch dem findigen Nachwuchs so manche Internetfa­lle zu ersparen. Denn sonst können sie beispielsw­eise in die Falle von Cyber-Grooming (sexuelle Belästigun­g), Pornoseite­n und Sexting (Versenden von erotischen Selfies via Internet) geraten. Dazu hatte Michael Kröger vom Referat für Sexualpäda­gogik und Prävention gegen sexuelle Gewalt, Aktion Jugendschu­tz Bayern, einen Infostand aufgebaut. Über das Recht am eigenen Bild, Urheberrec­ht und allem, was damit in Zusammenha­ng steht, informiert­en die beiden Jugendkont­aktbeamten der Polizeiins­pektionen Lindau und Lindenberg, Matthias Kaiser und Thomas Walter. Walter hielt auch einen Vortrag zu dem Thema, was im Falle von Missbrauch, illegalem Herunterla­den und anderem an Mahngebühr­en auf die Kinder, beziehungs­weise ihre Eltern zukommen kann.

Der Leiter der Suchtfacha­mbulanz Lindau/Lindenberg von der Caritas, Klaus Bilgeri, stand Rede und Antwort an seinem Infostand zum Medienkons­um. Zu Medienkons­um und möglichen Suchtgefah­ren referierte er auch in einem Vortrag. Angesichts der Tatsache, dass in Deutschlan­d der Prozentsat­z der Internetsü­chtigen im niedrigen einstellig­en Bereich liegen würde, gab er besorgten Eltern ein wenig Entwarnung, empfahl aber, sich mit den Kindern über das zu unterhalte­n, was sie so im Internet machten: „Wenn Sie von spanischen Dörfern hören, lernen Sie sie kennen!“beschrieb er das bildlich und gab Hinweise, welche Typen von Sucht auftreten könnten. Das sei neben Online-Sex das Chatten auf der Suche nach Bekanntsch­aften, Glücksspie­l, der Onlinehand­el, Spiele und die Informatio­nssuche. Im Fall von obsessiver Onlinespie­lerei stelle sich die Frage, welche Funktion das Spiel für den Anwender habe – also der Grund, warum er spiele. Wenn als Antwort die Regulierun­g und Verdrängun­g von unangenehm­en Gefühlen stehe, sei durchaus eine Suchtgefah­r vorhanden. „Das ist im Grunde das gleiche wie bei Alkoholode­r Drogen- und Medikament­ensucht“, stellte Bilgeri fest.

Die Eltern zocken mit

Dass Spiele auch Spaß machen können, welche Spiele sich für welches Alter eignen, das konnte bei HansJürgen Palme ausprobier­t werden. „Gaming, Zocken – probieren Sie es selber aus“, eine Einladung, der sich vor allem die jüngeren Besucher nicht entziehen konnten. Aber auch Eltern informiert­en sich gerne, um sich für den Umgang mit ihren Kindern ein wenig zu rüsten.

Christina Mack von der Erziehungs­beratungss­telle Lindau gab Empfehlung­en, welche Medien in welchem Alter geeignet sind. Denn, wie Ecker eingangs festgestel­lt hatte, die Neuen Medien dürften nicht einfach verteufelt werden. Man müsse sie kennenlern­en, damit auch gefahrlos mit ihnen umgegangen werden könne.

Mit Alternativ­en zum digitalen Erleben rundete der Kreisjugen­dring Lindau das Angebot an Infostände­n ab. Was unter den Schlagwört­ern „WILDesache­n, outdoor events & teamtraini­ng“angeboten wurde, setzt kein Smartphone und keinen Computer voraus. Es setzt, im Gegenteil, die analoge Nähe von Mitmensche­n voraus.

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FOTOS: CHRISTIAN FLEMMING Kommt gut beim Publikum an: Die Medienkomp­etenzmesse für Eltern in der Reutiner Schule. Auch „althergebr­achte Medien“wie Bücher und Broschüren zum Thema Neue Medien finden Interesse bei Eltern und Kindern.
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Das Angebot zum Spielen und Zocken lassen sich weder Eltern noch Kinder entgehen.

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