„Keiner ist glaubwürdiger als der andere“
Zwei Männer geraten wiederholt aneinander - Ursache bleibt vor Gericht unklar
LINDAU - Die Schilderungen von Täter und Opfer gehen vor Gericht oft auseinander. Allerdings nicht immer so weit wie in einem aktuellen Fall der schweren Körperverletzung vor dem Amtsgericht Lindau. Da konnten sich zwei Männer, einer 60 der andere 70 Jahre alt, nicht einmal auf den Grund ihrer handfesten Auseinandersetzung einigen. Nicht ganz überraschend stand schließlich am Ende der Verhandlung ein Freispruch.
Das Einzige, was sich – dank ärztlicher Atteste – zweifelsfrei feststellen ließ, sind die Verletzungen der beiden Männer: Der 60-Jährige beklagte nach dem Streit im Juni dieses Jahres eine geschwollene und bläulich verfärbte Hand. Schlimmer hatte es den 70-Jährigen erwischt. Er trug bei der Auseinandersetzung Verletzungen im Gesicht und am Kopf davon.
Wie es dazu gekommen war, darüber gehen die Schilderungen der beiden freilich deutlich auseinander. Angeklagt war der Jüngere von beiden. Die Staatsanwaltschaft hielt ihm aufgrund einer Anzeige des „Opfers“eine schwere Körperverletzung vor. Demnach soll der 60-Jährige mit einem Stein auf seinen Widersacher eingeschlagen haben. Den Vorwurf bekräftigte der 70-Jährige in der Verhandlung. „Er ging auf mich los wie ein Wahnsinniger.“
Mit eigener Zange geschlagen?
Ganz anders hatte zuvor der 60-Jährige den Verlauf geschildert. Der andere habe aus dem Fenster einen Kübel Wasser auf ihn geschüttet und sei anschließend mit einer großen Zange auf sein Auto losgegangen. Dort habe er einen Schaden in Höhe von 6000 Euro angerichtet. Er habe sein Eigentum schützen wollen, den 70Jährigen niedergerungen und am Boden gehalten. Dabei soll es zu den Verletzungen im Gesicht des 70-Jährigen gekommen sein. „Er lief mit dem linken Auge in meinen Arm“, schilderte der Angeklagte. Und auch für die Kopfverletzungen seines Gegners hatte er eine Erklärung: Der habe sich im Lauf der Auseinandersetzung die eigene Zange an den Kopf geschlagen.
Der handfeste Streit zwischen den beiden ist im Übrigen kein einmaliger Fall: Der Angeklagte sprach von vier Schlägereien mit dem 70Jährigen. So oft sei er von ihm „überfallen“worden. Der Grund für die Auseinandersetzungen ist für ihn klar: Er habe seit Jahren eine Beziehung mit der Frau des 70-Jährigen, erklärte der Angeklagte freimütig. Der angeblich Betrogene nannte das freilich „frei erfunden“. Der andere sei schlicht ein „Stalker“. „Er redet Blödsinn.“
Zeugen waren keine geladen. Deshalb tat sich das Gericht schwer mit der Wahrheitsfindung. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft hielt die Ausführungen des Angeklagten für glaubhaft und plädierte auf Freispruch.
Etwas differenzierter sah es Richter Klaus Harter. Er sprach den Angeklagten zwar frei, allerdings nur, weil sich der Sachverhalt angesichts der widersprüchlichen Aussagen nicht hatte klären lassen. „Keiner ist glaubwürdiger als der andere“, befand er.