Lindauer Zeitung

„Keiner ist glaubwürdi­ger als der andere“

Zwei Männer geraten wiederholt aneinander - Ursache bleibt vor Gericht unklar

- Von Peter Mittermeie­r

LINDAU - Die Schilderun­gen von Täter und Opfer gehen vor Gericht oft auseinande­r. Allerdings nicht immer so weit wie in einem aktuellen Fall der schweren Körperverl­etzung vor dem Amtsgerich­t Lindau. Da konnten sich zwei Männer, einer 60 der andere 70 Jahre alt, nicht einmal auf den Grund ihrer handfesten Auseinande­rsetzung einigen. Nicht ganz überrasche­nd stand schließlic­h am Ende der Verhandlun­g ein Freispruch.

Das Einzige, was sich – dank ärztlicher Atteste – zweifelsfr­ei feststelle­n ließ, sind die Verletzung­en der beiden Männer: Der 60-Jährige beklagte nach dem Streit im Juni dieses Jahres eine geschwolle­ne und bläulich verfärbte Hand. Schlimmer hatte es den 70-Jährigen erwischt. Er trug bei der Auseinande­rsetzung Verletzung­en im Gesicht und am Kopf davon.

Wie es dazu gekommen war, darüber gehen die Schilderun­gen der beiden freilich deutlich auseinande­r. Angeklagt war der Jüngere von beiden. Die Staatsanwa­ltschaft hielt ihm aufgrund einer Anzeige des „Opfers“eine schwere Körperverl­etzung vor. Demnach soll der 60-Jährige mit einem Stein auf seinen Widersache­r eingeschla­gen haben. Den Vorwurf bekräftigt­e der 70-Jährige in der Verhandlun­g. „Er ging auf mich los wie ein Wahnsinnig­er.“

Mit eigener Zange geschlagen?

Ganz anders hatte zuvor der 60-Jährige den Verlauf geschilder­t. Der andere habe aus dem Fenster einen Kübel Wasser auf ihn geschüttet und sei anschließe­nd mit einer großen Zange auf sein Auto losgegange­n. Dort habe er einen Schaden in Höhe von 6000 Euro angerichte­t. Er habe sein Eigentum schützen wollen, den 70Jährigen niedergeru­ngen und am Boden gehalten. Dabei soll es zu den Verletzung­en im Gesicht des 70-Jährigen gekommen sein. „Er lief mit dem linken Auge in meinen Arm“, schilderte der Angeklagte. Und auch für die Kopfverlet­zungen seines Gegners hatte er eine Erklärung: Der habe sich im Lauf der Auseinande­rsetzung die eigene Zange an den Kopf geschlagen.

Der handfeste Streit zwischen den beiden ist im Übrigen kein einmaliger Fall: Der Angeklagte sprach von vier Schlägerei­en mit dem 70Jährigen. So oft sei er von ihm „überfallen“worden. Der Grund für die Auseinande­rsetzungen ist für ihn klar: Er habe seit Jahren eine Beziehung mit der Frau des 70-Jährigen, erklärte der Angeklagte freimütig. Der angeblich Betrogene nannte das freilich „frei erfunden“. Der andere sei schlicht ein „Stalker“. „Er redet Blödsinn.“

Zeugen waren keine geladen. Deshalb tat sich das Gericht schwer mit der Wahrheitsf­indung. Die Vertreteri­n der Staatsanwa­ltschaft hielt die Ausführung­en des Angeklagte­n für glaubhaft und plädierte auf Freispruch.

Etwas differenzi­erter sah es Richter Klaus Harter. Er sprach den Angeklagte­n zwar frei, allerdings nur, weil sich der Sachverhal­t angesichts der widersprüc­hlichen Aussagen nicht hatte klären lassen. „Keiner ist glaubwürdi­ger als der andere“, befand er.

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