Einigkeit ist Trumpf
Bei aller Enttäuschung über die Schwächung der Europäischen Union durch einen Austritt Großbritanniens kann Europas Politik in diesen Tagen auch ein wenig stolz auf sich sein. Nicht zuletzt die deutsche Bundesregierung hat sich in den anstrengenden und langwierigen Verhandlungen als verlässlicher und prinzipientreuer Verteidiger der europäischen Idee positioniert und profiliert.
Zu keinem Zeitpunkt der schwierigen Verhandlungen mit den Briten haben sich die übrigen 27 EU-Staatsund Regierungschefs auseinandertreiben lassen. Auch das Scheidungsabkommen mit dem Vereinigten Königreich billigten sie in großer Eintracht. Zwar sorgten bis zuletzt Störmanöver wie die Debatte über Gibraltar für Irritationen. Aber als es darauf ankam, präsentierte sich die EU tatsächlich als Union. Die EUKommission und die nationalen Regierungen haben das ihnen Mögliche vollbracht, um die Trennung so kontrolliert wie möglich über die Bühne zu bringen.
Viele Brexitiers auf der Insel hatten gerade auf Deutschland gesetzt beim am Ende klar gescheiterten Versuch, die Europäische Union zu spalten. Die Taktik war nachvollziehbar. Denn richtig ist, dass kaum eine Nation ein so überragendes Interesse an engen politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu dem Königreich hat wie die Bundesrepublik. Als Exportnation profitiert sie vom Waren- und Dienstleistungsaustausch enorm. Großbritannien war trotz vieler Interessengegensätze für Deutschland auch ein starker politischer Verbündeter in der EU, etwa im Ringen um Rechtsstaatlichkeit oder bei der Verteidigung marktwirtschaftlicher Prinzipien.
Trotzdem hat sich die Bundesregierung zu keinem Zeitpunkt verlocken lassen, ihr eigenes Spiel mit London zu betreiben. Der Zusammenhalt der 27 verbleibenden EUMitglieder war eine wichtige Trumpfkarte in den Verhandlungen mit den Briten. Noch mehr wird er gebraucht, wenn es darum geht, die Union zu reformieren, zu stärken und attraktiver für ihre Mitglieder zu machen.