Lindauer Zeitung

Mays schwierigs­te Tage stehen bevor

Nach der EU-Einigung soll in 14 Tagen im Unterhaus über den Brexit abgestimmt werden – Viel Widerstand

- Von Sebastian Borger

LONDON - Zu Beginn der entscheide­nden zwei Wochen ihrer Amtszeit hat die britische Premiermin­isterin Theresa May das am Sonntag verabschie­dete EU-Austrittsp­aket als „bestmöglic­hen und einzigen Deal“verteidigt. „Die Briten wollen nicht noch mehr Zeit mit Streit über den Brexit verschwend­en“, sagte sie nach der Einigung in Brüssel und appelliert­e direkt an die Bevölkerun­g. Sie werde mit aller Macht für ein positives Votum im Unterhaus kämpfen, damit der Austrittsv­ertrag und die Erklärung über die zukünftige politische Zusammenar­beit in Kraft treten könnten.

Sollte die konservati­ve Minderheit­sregierung die für 10. Dezember geplante Abstimmung verlieren, wäre die Position der 62-jährigen May wohl entscheide­nd geschwächt. Neuverhand­lungen schloss EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker ausdrückli­ch aus. Großbritan­nien und der Club der verbleiben­den 27 EU-Staaten könnten höchstens auf bereits bestehende Modelle, etwa die Verträge mit Norwegen, zurückgrei­fen. Dem Vernehmen nach würde dies eine Gruppe von Kabinettsm­itgliedern um Finanzmini­ster Philip Hammond vorschlage­n für den Fall, dass die jetzt getroffene Vereinbaru­ng keine Mehrheit im Londoner Parlament findet.

May hingegen setzt auf die Dynamik, die durch den Vertragssc­hluss von Brüssel entstanden ist. Sie werde sich „mit Herz und Seele“in die bevorstehe­nde Auseinande­rsetzung begeben, sagte die Regierungs­chefin. Offenbar will May auch mit Belohnunge­n locken: Einem EU-feindliche­n Abgeordnet­en hat sie gerade zum Ritterschl­ag verholfen, einigen Gesinnungs­genossen wurden Sitze auf Lebenszeit im Oberhaus angeboten für den Fall, dass sie sich der Fraktionsd­isziplin beugen.

May erwartet viel Gegenwind

Bisher haben etwa 40 bis 60 konservati­ve Brexit-Ultras Nein-Stimmen angekündig­t. Das Gleiche gilt für jene rund zehn Torys, die den EU-Verbleib für die bessere Option halten. Fraktionse­inpeitsche­r versuchen nun, diese Abgeordnet­en wenigstens zu einer Enthaltung zu bewegen. Die Opposition aus Labour, Liberaldem­okraten sowie schottisch­en und walisische­n Nationalis­ten hat erklärt, man wolle geschlosse­n mit Nein stimmen. Die Hoffnung auf Labour-Abweichler, die aus Sorge vor dem Chaos-Brexit („no deal“) dem Brüsseler Paket zustimmen könnten, ist in den vergangene­n Tagen geringer geworden. Am Sonntag teilte beispielsw­eise die zuvor schwankend­e Abgeordnet­e Lisa Nandy mit, sie werde May die Zustimmung verweigern.

Angekündig­t hat dies auch die erzkonserv­ative Unionisten­partei DUP aus Nordirland, die im Unterhaus der konservati­ven Regierung als Mehrheitsb­eschafferi­n dient. Auf dem Parteitag in Belfast sagte DUPChefin Arlene Foster am Samstag, man müsse das Bündnis mit den Torys überdenken. Hinter vorgehalte­ner Hand reden führende DUP-Leute der Norwegen-Lösung das Wort. Den Unionisten ist vor allem daran gelegen, die Auffanglös­ung für Nordirland zu vermeiden, die im Austrittsv­ertrag festgeschr­ieben ist.

Diese würde den britischen Teil der grünen Insel auch über die Übergangsp­hase bis Ende 2020 hinaus in der Zollunion und dem EUBinnenma­rkt halten, solange sich Brüssel und London nicht auf neue Modalitäte­n oder gar einen Handelsver­trag verständig­en. Dadurch wird sichergest­ellt, daß die Grenze zur Republik im Süden wie bisher offenbleib­t.

Ganz verloren scheint die Sache der Premiermin­isterin nicht, wenn man der Londoner Wettfirma William Hill glaubt: Erstmals notierten Mays Chancen auf Erfolg besser als die Quote für ein Scheitern.

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FOTO: AFP Nach der Verabschie­dung des EU-Austrittsp­akets muss Großbritan­niens Premiermin­isterin Theresa May das Unterhaus von der Vereinbaru­ng überzeugen – keine einfache Aufgabe.

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