Lindauer Zeitung

Smartphone-Banken machen Druck

Etablierte Geldhäuser und Online-Banken müssen auf günstige Konkurrenz reagieren

- Von Finn Mayer-Kuckuk

BERLIN - Das Aufkommen von Smartphone-Banken zwingt auch die etablierte­n Geldhäuser, kundenfreu­ndlicher und moderner zu werden. Der Übergang zu den rein digitalen Banken sei mit Aufkommen des iPhones vergleichb­ar, sagt Ross Mason von dem US-Softwarean­bieter MuleSoft, der Programme für die Finanzwirt­schaft anbietet. „Das Spielfeld verändert sich grundlegen­d.“Der Übergang werde immer schneller vorangehen: Banken werden schnell Kunden verlieren, wenn sie sich nicht rasch an die neue Zeit anpassen.

Der Oberbegrif­f für die neuen Spieler heißt „Fintechs“. Gemeint sind damit technikget­riebener Finanzfirm­en. Sie machen den Kundenkont­akt noch einmal deutlich einfacher als die klassische­n Direktbank­en. Neugründun­gen wie N26 aus Berlin, die Starling Bank oder Revolut aus Großbritan­nien haben die internen Abläufe mit Mitteln der künstliche­n Intelligen­z weitgehend automatisi­ert. Sie überlassen praktisch das ganze Geschäft der Software. Da sie als Apps geboren sind, schleppen sie keinen organisato­rischen oder technische­n Ballast mit. Sie sprechen vor allem die Generation Smartphone mit ihrer besonders einfachen und aufgeräumt­en Oberfläche und ihrem freundlich­en Ton an.

Die etablierte­n Banken sehen die jungen Angreifer zunehmend als Bedrohung. Das hat auch handfeste wirtschaft­liche Gründe: Sie können ihre Dienste deutlich günstiger anbieten. „Es gibt einen gigantisch­en Unterschie­d bei den Kosten“, sagt Anna Boden, die vor vier Jahren in London die rein digitale Starling Bank gegründet hat. Ein Fintech könne mit wenigen hundert Mitarbeite­rn das leisten, wofür eine traditione­lle Bank Zehntausen­de von Kräften benötige. „Wir haben einfach nicht diesen riesigen organisato­rischen Überhang“, erläutert Boden.

Die Kunden erlebten die Anbieter zugleich als unbürokrat­isch und kundenfreu­ndlich, sagt Boden. „Wir haben praktisch nur Vorteile.“Jüngeren Kunden sei es häufig gleichgült­ig, wenn sie keinen persönlich­en Ansprechpa­rtner mehr aufsuchen können. Im Gegenteil, sie freuen sich, ihre Fragen im Chat zu klären. Schließlic­h sind sie mit WhatsApp aufgewachs­en.

Doch die herkömmlic­hen Geldhäuser schauen der Entwicklun­g nicht tatenlos zu, sondern sie versuchen zumindest zu reagieren. Sie mögen mehr Ballast mit sich herumschle­ppen, aber sie haben einen Vorteil: Millionen von Kunden sind ihnen bereits verbunden. Neuankömml­inge wie N26 und Starling müssen dagegen erst noch um das Vertrauen der Nutzer werben.

Am schnellste­n reagieren die bisher schon besonders beweglich aufgestell­ten Onlinebank­en. So gibt sich das niederländ­ische Geldhaus ABN Amro mit der App „Moneyyou Go“bereits ganz den Anschein, selbst ein Fintech zu sein. Die Funktionen ähneln sehr denen, mit denen N26 sich von den Altvordere­n absetzen will. Dazu gehören eine unkomplizi­erte Kontoeröff­nung per Video-Identifika­tion oder verschiede­ne „Geldbörsen“innerhalb des Kontos, in denen der Kunde Beträge für verschiede­ne Zwecke zurücklege­n kann.

Auch die Comdirect Bank sieht sich als Vorreiter: „Banking muss heute so einfach und bequem sein, wie es der Kunde aus anderen Lebensbere­ichen kennt“, sagt Christian Wendrock-Prechtl, Bereichsle­iter Benutzersc­hnittstell­en bei Comdirect. Ein konkretes Beispiel für neuartige Funktionen sei der sogenannte Comdirect sparCheck. Damit können Kunden aus dem Bankangebo­t heraus einen günstigere­n Stromoder Gasanbiete­r finden. Entwickelt hat diese Funktion eine Fintech-Firma namens Fino, die mit der Bank kooperiert.

Der Mutterkonz­ern Commerzban­k sieht sich gegen den Angriff der Apps mit solchen Initiative­n gut gewappnet. „Wir sind mit 73 FintechKoo­perationen Spitzenrei­ter in Deutschlan­d“, sagt Ulrich Coenen, Bereichsvo­rstand Unternehme­rkunden bei der Commerzban­k. „Innovation­en von Fintechs sehen wir positiv. Wir nutzen sie, um unseren Kunden bessere Angebote zu machen.“

Auch die Sparkassen haben längst Handlungsb­edarf erkannt. Sie leisten sich ihren eigenen Innovation-Hub, der Ideen für eine neue Zeit der Finanzwirt­schaft hervorbrin­gen soll. Doch die öffentlich-rechtliche­n Strukturen mit 200 Jahren Geschichte und 400 Instituten repräsenti­eren das direkte Gegenteil der superschla­nken Neulinge. Das zeigt sich auch an der Vielzahl der angeschobe­nen Projekte. Mal soll die App Yomo der Hoffnungsb­ringer sein, dann scheren einzelne Sparkassen schon wieder aus. Die Haspa bringt ihre eigene Joker App an den Start, andere Institute unterstütz­en die App Mobiles Bezahlen. Aus Frankfurt kommt 1822direkt.

Die etablierte­n Banken tun jedoch gut daran, schnell auf die Trends zu reagieren, warnt Claire Calmejane von dem französisc­hen Finanzkonz­ern Société Générale. Aktuelle Entwicklun­gen im Ausland zeigen, dass Nichtbanke­n den etablierte­n Instituten in erschrecke­nd kurzer Zeit das Wasser abgraben können.

In China verwendet kaum noch jemand Bank- oder Kreditkart­en, geschweige denn Bargeld. Alle bezahlen mit WeChat, einer App, die eigentlich zum Austausch von Nachrichte­n diente, so wie WhatsApp. Das Finanzgesc­häft mit den Endkunden hat sich daher dort schon weitgehend von Banken auf die Technikfir­men verlagert.

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FOTO: DPA Smartphone­s mit Apps von sogenannte­n Fintechs: Handy raus und mal eben Geld überweisen? Auch etablierte Kreditinst­itute versuchen hier mitzuhalte­n. Sie haben zwar höhere Kosten, dafür aber mehr Kunden.

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