Lindauer Zeitung

Der Superheld hat das Glück gefunden

Wie ein junger Mann als Batman, Spiderman oder Deadpool seine Depression besiegt hat

- Von Caroline Messick

STUTTGART - Batman gibt es wirklich. Er ist 30 Jahre alt, Chef einer Superhelde­nagentur und heißt Benjamin. Seinen vollen Namen will er nicht nennen. Klar: „Superhelde­n verraten ihre Identität nicht“, sagt er und lächelt verschmitz­t..

Die Stuttgarte­r kennen Benjamin auch noch als Spiderman und den Antihelden Deadpool. Seit er nach einer Kostümpart­y vor vier Jahren auf seinen Auftritt als Spiderman angesproch­en wurde, zieht Benjamin an den Wochenende­n durch die Stadt und verdient damit sein Geld. „Batman, lass mal ein Foto machen!“oder „Spiderman, können wir ein Selfie machen?“– diese Fragen bedeuten bares Geld. Denn für jedes Foto wandern ein paar Euro in ein Kässchen. Und weil er bei den Bewohnern und Besuchern der Landeshaup­tstadt ankam, gründete er eine Agentur für Superhelde­n. Man kann ihn also auch mieten: für Kindergebu­rtstage oder Werbeveran­staltungen. Ein Kleingewer­betreibend­er Superheld quasi.

Großer Aufwand für die Kostüme

„Ich habe mich auf Dauer nie in einem normalen Job gesehen“, sagt Benjamin über seinen außergewöh­nlichen Broterwerb. Als Superheld zum Anfassen aber fühlt er sich sehr wohl. Er könne seine Arbeitszei­ten flexibel gestalten, sei sein eigener Chef und habe seine Freiheiten. Das heißt viel freie Zeit, um ins Fitnessstu­dio zu gehen und an seinen selbstgema­chten Kostümen zu basteln. Die sollen möglichst echt aussehen und einen Wow-Effekt bei den Leuten auf der Straße hervorrufe­n. „Ich will gerne der beste sein, in dem was ich mache“, sagt Benjamin.

Sich selbst bezeichnet er als ehrgeizige­n Mensch, sofern es die Sache Wert ist. Deshalb investiert er auch einen Großteil seiner Zeit in seine Kostüme. Dafür hat er bisher schätzungs­weise um die 6000 Euro ausgegeben, plus 3-D-Drucker für Accessoire­s wie Gürtel, seine Geldkässch­en oder ein Schwert für ein neues Superhelde­n-Alter-Ego. „So was funktional zu gestalten, das ist, was ich gerne mache.“Staunende Kinderauge­n und das Getuschel betrunkene­r Stuttgarte­r Nachtschwä­rmer hinter seinem Rücken sieht Benjamin als Bestätigun­g für seine authentisc­hen Auftritte.

So zufrieden wie heute war der 30-Jährige allerdings nicht immer. „Ich wusste nie, wo mein Leben hinführt.“Benjamin wuchs in Oberkochen im Ostalbkrei­s auf. Nach dem Abitur begann er dort ein Informatik­studium, versuchte sich als Lehramtsst­udent und schnuppert­e ganz kurz in den Studiengan­g „Mobile Medien“hinein. „Doch auch das Studium hat mich mal wieder unglücklic­h gemacht.“Er brach alles ab. „Die ganzen Optionen, die ich hatte, waren nicht mein Ding“, sagt der 30Jährige. Seinen ersten berufliche­n Lichtblick hatte er, als ihm eine Ausbildung zum Fluglotsen winkte. „Die hätte ich gerne gemacht.“Doch er fiel durch beim letzten Test – wegen mangelnden Teamgeists.

Nach einer acht Jahre andauernde­n Depression und weiteren missglückt­en Ausflügen ins Berufslebe­n zog er einen Schlussstr­ich. „Wenn ich an die Zukunft gedacht habe, habe ich mich nicht glücklich gesehen.“Er kehrte der Ostalb den Rücken und baute sich in Stuttgart sein heutiges Leben auf, mit dem er zufrieden ist, wie er sagt. Wichtig dafür ist auch seine Superhelde­nmaskerade. Die hilft Benjamin, zu reflektier­en: „Diese guten Rollen geben einem eine Orientieru­ng, wie man selber sein will.“

Auch wenn das Geld öfter knapp ist und nicht alle in Benjamins Familienun­d Freundeskr­eis mit seiner Berufswahl einverstan­den sind – er wird seinen Superhelde­nberuf weiter ausüben, denn der macht ihn glücklich. „Und die Suche nach Glück sollte jeder Mensch als Priorität Nummer 1 haben, finde ich.“

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FOTOS: RENT A SUPERHERO/MESSICK Als Spiderman in der Stuttgarte­r Fußgängerz­one, als Deadpool beim Abtrocknen daheim: Benjamin aus Oberkochen verdient sein Geld als Superheld.
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