Der Superheld hat das Glück gefunden
Wie ein junger Mann als Batman, Spiderman oder Deadpool seine Depression besiegt hat
STUTTGART - Batman gibt es wirklich. Er ist 30 Jahre alt, Chef einer Superheldenagentur und heißt Benjamin. Seinen vollen Namen will er nicht nennen. Klar: „Superhelden verraten ihre Identität nicht“, sagt er und lächelt verschmitzt..
Die Stuttgarter kennen Benjamin auch noch als Spiderman und den Antihelden Deadpool. Seit er nach einer Kostümparty vor vier Jahren auf seinen Auftritt als Spiderman angesprochen wurde, zieht Benjamin an den Wochenenden durch die Stadt und verdient damit sein Geld. „Batman, lass mal ein Foto machen!“oder „Spiderman, können wir ein Selfie machen?“– diese Fragen bedeuten bares Geld. Denn für jedes Foto wandern ein paar Euro in ein Kässchen. Und weil er bei den Bewohnern und Besuchern der Landeshauptstadt ankam, gründete er eine Agentur für Superhelden. Man kann ihn also auch mieten: für Kindergeburtstage oder Werbeveranstaltungen. Ein Kleingewerbetreibender Superheld quasi.
Großer Aufwand für die Kostüme
„Ich habe mich auf Dauer nie in einem normalen Job gesehen“, sagt Benjamin über seinen außergewöhnlichen Broterwerb. Als Superheld zum Anfassen aber fühlt er sich sehr wohl. Er könne seine Arbeitszeiten flexibel gestalten, sei sein eigener Chef und habe seine Freiheiten. Das heißt viel freie Zeit, um ins Fitnessstudio zu gehen und an seinen selbstgemachten Kostümen zu basteln. Die sollen möglichst echt aussehen und einen Wow-Effekt bei den Leuten auf der Straße hervorrufen. „Ich will gerne der beste sein, in dem was ich mache“, sagt Benjamin.
Sich selbst bezeichnet er als ehrgeizigen Mensch, sofern es die Sache Wert ist. Deshalb investiert er auch einen Großteil seiner Zeit in seine Kostüme. Dafür hat er bisher schätzungsweise um die 6000 Euro ausgegeben, plus 3-D-Drucker für Accessoires wie Gürtel, seine Geldkässchen oder ein Schwert für ein neues Superhelden-Alter-Ego. „So was funktional zu gestalten, das ist, was ich gerne mache.“Staunende Kinderaugen und das Getuschel betrunkener Stuttgarter Nachtschwärmer hinter seinem Rücken sieht Benjamin als Bestätigung für seine authentischen Auftritte.
So zufrieden wie heute war der 30-Jährige allerdings nicht immer. „Ich wusste nie, wo mein Leben hinführt.“Benjamin wuchs in Oberkochen im Ostalbkreis auf. Nach dem Abitur begann er dort ein Informatikstudium, versuchte sich als Lehramtsstudent und schnupperte ganz kurz in den Studiengang „Mobile Medien“hinein. „Doch auch das Studium hat mich mal wieder unglücklich gemacht.“Er brach alles ab. „Die ganzen Optionen, die ich hatte, waren nicht mein Ding“, sagt der 30Jährige. Seinen ersten beruflichen Lichtblick hatte er, als ihm eine Ausbildung zum Fluglotsen winkte. „Die hätte ich gerne gemacht.“Doch er fiel durch beim letzten Test – wegen mangelnden Teamgeists.
Nach einer acht Jahre andauernden Depression und weiteren missglückten Ausflügen ins Berufsleben zog er einen Schlussstrich. „Wenn ich an die Zukunft gedacht habe, habe ich mich nicht glücklich gesehen.“Er kehrte der Ostalb den Rücken und baute sich in Stuttgart sein heutiges Leben auf, mit dem er zufrieden ist, wie er sagt. Wichtig dafür ist auch seine Superheldenmaskerade. Die hilft Benjamin, zu reflektieren: „Diese guten Rollen geben einem eine Orientierung, wie man selber sein will.“
Auch wenn das Geld öfter knapp ist und nicht alle in Benjamins Familienund Freundeskreis mit seiner Berufswahl einverstanden sind – er wird seinen Superheldenberuf weiter ausüben, denn der macht ihn glücklich. „Und die Suche nach Glück sollte jeder Mensch als Priorität Nummer 1 haben, finde ich.“