Nicht einsam, nur allein
Mario Gomez fehlen bei Schlusslicht Stuttgart die Treffer – und die Unterstützung
LEVERKUSEN - Irgendwann gleicht sich alles aus, geht jeder Lauf zu Ende. Vor sieben Monaten gewann der VfB Stuttgart bei Bayer Leverkusen mit 1:0, trotz einer eher gegenläufigen Statistik von 1:22 Torschüssen. Die Perfektion der Effizienz, das lehrte Tayfun Korkut die Stuttgarter. Wie ein AntiLauf aussieht, erfuhren sie am Freitag beim 0:2 an gleicher Stätte: Zum achten Mal in zwölf Spielen blieb der VfB ohne Treffer, der Quotient aus Tore/ Chancen unter Trainer Markus Weinzierl nähert sich bedenklich der FünfProzent-Marke. Selbst ein naheliegender Elfmeter wurde den Gästen verweigert. Als Pablo Maffeo nach 44 Sekunden fiel, sah sich Schiedsrichter Robert Schröder nicht einmal bemüßigt, Videos anzuschauen.
Der VfB steckt tiefer denn je im Abstiegsstrudel, und ob es das Schlusslicht am Ende schafft, die Kellerrivalen Nürnberg, Hannover und Düsseldorf hinter sich zu lassen, ist nicht mehr so sicher. Als Sinnbild der Krise musste Mario Gomez herhalten. Der Ex-Nationalstürmer, der vor einem Jahr als Retter gekommen war und auch seinen Teil zum Endspurt auf Platz sieben beitrug, vergab erneut zwei vielversprechende Chancen. Seit fünf Spielen ist der 33-Jährige nun ohne Erfolgserlebnis, und Statistiker verweisen darauf, dass seine drei Saisontreffer – von nur acht insgesamt, der VfB hat den mit Abstand schlechtesten Angriff der Liga – dem Club bis dato nur einen Zähler einbrachten, beim 3:3 in Freiburg, als Gomez doppelt traf.
„Es geht nicht um mich“
Wieder mal muss der gebürtige Riedlinger erfahren, wie sehr er auf Treffer reduziert wird, das Problem allerdings ist: Allein an ihm liegt Stuttgarts Offensivschwäche nicht. Nebenmann Nicolas Gonzalez etwa hat überhaupt noch nicht getroffen im VfB-Trikot, die potenziellen Scharfschützen Didavi und Donis sind weiter verletzt, und aus dem Mittelfeld fehlt Gomez die Unterstützung. Rechtsverteidiger Andreas Beck räumte das selbstkritisch ein. „Mario ist unser Schlüsselspieler“, sagte Beck: „Aber er ist keiner, der sich im Mittelfeld die Bälle holt und alle überspielt. Wir müssen mehr tun, um ihn einzubinden und in Szene zu setzen.“
Gomez selbst wirkte extrem frustriert nach Abpfiff: Eine Vielzahl von Ecken und Freistößen hatte sich der VfB erkämpft – fast alle versandeten, zum Leidwesen des Routiniers: „Das ist auch etwas, das ich immer zu meinen Mitspielern sage, dass das auch meine Stärke ist und wir das noch mehr nutzen müssen. Und wenn wir das nicht tun, muss vielleicht jemand anderes für mich spielen. Wir kommen aktuell zu selten in die Situation, dass, wenn wir außen durch sind, der Ball auch reinkommt. Und wenn der Ball reinkommt, sind wir oft in der Mitte nicht stark genug besetzt.“Es sei kein Problem, wenn er mal nicht spiele, fügte Gomez an: „Ich will nur, dass wir gewinnen. Wenn wir die nächsten fünf Spiele alle mit 1:0 gewinnen und ich nicht einmal aufs Tor schieße, ist es total okay für mich. Es geht nicht um mich. Ich fühle mich nicht einsam.“Vor dem Spiel hatte Gomez erklärt: „Jede Mannschaft braucht einen Torjäger, der die Buden macht. Der bin ich normalerweise – und der werde ich auch wieder sein.“
Dass Weinzierl tatsächlich auf Gonzalez oder Chadrac Akolo auf der Neun setzt, ist nicht zu erwarten. Der Kongolese zog vor dem Bayer-Konter zum 0:2 den Fuß vor einem Pressschlag zurück, auch das sei sinnbildlich gewesen, sagte Weinzierl und nahm Gomez in Schutz: „Mario hatte in jedem Spiel eine hundertprozentige Torchance. Wichtig ist, dass er Chancen hat. Irgendwann wird er wieder Tore machen.“
Tatsächlich ist das Potenzial begrenzt im Kader, sowohl Gomez als auch Kapitän Gentner sind starke Befürworter von Verstärkungen im Winter: Jeder, der mehr Qualität bringe, sei willkommen, sagte Gentner, denn: „Die, die bisher spielten, haben ihre Leistung noch nicht gebracht. Wir sind nicht umsonst Schlusslicht.“Auch Manager Michael Reschke erkannte die Defizite: „Wir haben nicht die Chancen rausgespielt, um gewinnen zu können.“Reschke hofft weiter auf die Rückkehr von Didavi und Donis: „Das sind zwei absolute Schlüsselspieler in der Offensive. Sie fehlen uns. Mit ihnen werden wir eine ganz andere Aggressivität und Stärke in der Offensive haben.“
Das Dumme ist nur: Auch die Aussetzer in der Defensive wird der VfB, der 75 Minuten lang ordentlich verteidigte, abstellen müssen. Dass bei Kevin Vollands Führung keiner mit einer kurz ausgeführten Ecke rechnete, ja kaum einer auf den Ball schaute, war zweitligareif. Immerhin bleibt der VfB demütig: „Wir wissen jetzt, wer unsere Rivalen sind: nicht Leverkusen oder Bremen. Wir müssen auf die Vereine unten in der Tabelle schauen und zusehen, dass wir mit ihnen im Gleichschritt in die Winterpause kommen“, forderte Gomez. Ein Sieg am Samstag im Derby gegen Augsburg würde sicherlich dabei helfen.