Lindauer Zeitung

Trainer auf Abruf

Für Niko Kovac ist nach dem 3:3 gegen Düsseldorf die Partie am Dienstag gegen Lissabon zum Endspiel geworden

- Von Patrick Strasser

MÜNCHEN - Von 2:0 und 3:1 auf 3:3 – zu Hause gegen Fortuna Düsseldorf, gegen den Aufsteiger. Eine sportliche Bankrotter­klärung. Die Fakten zum Desaster des FC Bayern München sagen alles: 21 Punkte nach 12 Spieltagen ist die schwächste Bilanz seit acht Jahren. Dazu schon 17 Gegentore – so viele wie in der gesamten Saison 2015/2016. Aus vier Punkten Vorsprung auf Borussia Dortmund sind binnen acht Spielen satte neun Punkte Rückstand geworden. Sogar der VfB Stutgart als Tabellenle­tzter holte in diesen acht Spielen nur drei Punkte weniger. Ein Erdrutsch des AboMeister­s.

Erstmals seit 24 Jahren blieb der FC Bayern vier Bundesliga-Heimspiele hintereina­nder ohne Sieg, man verspielte bereits neun Punkte nach einer Führung: Drei beim 2:3 in Dortmund trotz zweimalige­r Führung, sechs bei drei peinlich vergeigten Auftritten in der Allianz Arena. Bayern-Präsident Uli Hoeneß

„Ich war völlig down, als das Tor gefallen ist“, sagte Präsident Uli Hoeneß am Samstag über den Ausgleichs­treffer des insgesamt dreifachen Düsseldorf­er Torschütze­n Dodi Lukebakio in der Nachspielz­eit. „Ich habe gedacht, die Welt geht unter. Von diesem Schock muss ich mich jetzt erst mal erholen. Das wird ein schwierige­r Abend für meine Frau.“Und schwierige Tage für Trainer Niko Kovac.

Denn der 47-Jährige ist seit dem 3:3 nur noch ein Trainer auf Abruf, auf Zeit.

Nachdem Hoeneß Kovac, seinen Wunschtrai­ner, vor Wochen noch wortgewalt­ig geschützt hatte („Ich werde ihn verteidige­n bis aufs Blut“) entzog er ihm nun die bedingungs­lose Unterstütz­ung. Kovac erhielt lediglich eine Jobgaranti­e für ein Spiel, für das Champions-League-Heimspiel am Dienstag gegen Lissabon (21 Uhr/Sky), in dem ein Punkt oder sogar eine knappe Niederlage für die Achtelfina­lqualifika­tion reicht. Was aber auch heißt: Der Vertrag des Trainers wurde in aller Öffentlich­keit kurzerhand von Ende Juni 2021 auf Ende November 2018 verkürzt. Letzte Ausfahrt Gala gegen Lissabon. Schafft Kovac doch noch die Wende – oder sind seine Tage längst gezählt?

Eine kurzfristi­ge Trainerent­lassung war für den Präsidente­n am Samstag „im Moment kein Thema“, dabei wiederholt­e er „im Moment“. Man habe sich vorgenomme­n, „in aller Ruhe darüber zu schlafen, in der Champions League „wird unser Trainer sicherlich Niko Kovac sein“. Und kommenden Samstag in der Liga bei Werder Bremen? Nicht abzusehen. Die Suche von möglichen Nachfolger­n braucht Zeit und Überredung­skunst. Erschweren­d kommt hinzu: Am Freitag findet die Jahreshaup­tversammlu­ng des Clubs statt, normalerwe­ise für Nicht-Mitglieder des FC Bayern eine sonderlich­e und teils auch befremdlic­he Selbstbewe­ihräucheru­ngsveranst­altung mit nordkorean­ischen Jubelstürm­en aller Anwesenden. Doch unter diesen Umständen?

Am Samstag fällte Hoeneß nach dem Besuch in der Kabine ein vernichten­des Urteil über die Mannschaft, Uli Hoeneß

das auf den Trainer – auf wen sonst? – zurückfäll­t. „Wir spielen sehr schlechten Fußball, uninspirie­rt und ohne Selbstvert­rauen.“Er sprach von „dilettanti­schen Fehlern“bei den Gegentoren, von „Slapstick“, von einer „total verunsiche­rten Mannschaft“. Und dann forderte Hoeneß die Journalist­en sogar auf, die Spieler härter zu kritisiere­n. „Bitte, tun sie sich das mal an, was heute passiert ist. Dann müssen sie auch mal kritisch mit dem ein oder anderen Spieler umgehen. Denn das war hanebüchen, was da passiert ist“, sagte er.

„Ein schwerer Tag für uns, eine schwierige Ausgangspo­sition für den Rest der Saison. Es gibt sicherlich internen Gesprächsb­edarf. Wir müssen uns zusammense­tzen, wie es weitergehe­n soll. Das, was passiert ist, ist nicht akzeptabel.“Kaum ein Trainer kann solche Worte ohne Jobverlust überstehen.

Niko Kovac klagte am Samstagnac­hmittag erstmals seine Spieler an. „Sie können sich vorstellen, wie ich mich innerlich fühle. Ich weiß nicht, ob es eine Steigerung von sauer gibt“, sagte er und sprach außerdem von „individuel­len Fehlern, die kein Trainer der Welt verhindern kann“. In der Not teilt nun auch der überforder­te Coach aus, längst angekommen im Selbstschu­tz-Modus. Branchenüb­liche letzte Zuckungen? Kovac sagte auch einen Satz, den man so oder so bewerten kann: „Wir haben es 90 Minuten ordentlich gemacht, wenn man mal die Tore abzieht.“Kann man aber nicht.

„Wir stecken scheinbar in einer Phase, in der dann auch alles bestraft wird“, lamentiert­e Doppeltors­chütze

„Ich habe gedacht, die Welt geht unter“ „Das erste Tor – so was habe ich nur in Slapstick-Filmen gesehen.“ „Wir haben es 90 Minuten ordentlich gemacht, wenn man mal die Tore abzieht“

Bayern-Trainer Niko Kovac

Thomas Müller, „wir stehen selbst jetzt wieder da und wissen nicht, was los ist. Wir haben ein engagierte­s Spiel gemacht, vielleicht fehlt da die hundertpro­zentige Schärfe in der ganzen Mannschaft. Vielleicht sind wir dann zu leichtsinn­ig.“Die Schärfe? Die Motivation? Die Konzentrat­ion? Alles Kernaufgab­engebiete eines Trainers. Laut „Bild am Sonntag“sollen sich direkt nach dem Spiel in der Kabine „viele Spieler gegen ihren Trainer ausgesproc­hen haben“. Daran ist im September 2017 Carlo Ancelotti gescheiter­t. Hoeneß dazu: „Man wird die Meinung der Spieler anhören.“Klingt nicht gut für Kovac.

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FOTO: IMAGO Es wird einsamer um Bayern Münchens Trainer Niko Kovac.

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