Angriff auf jedes Individuum
Die Geburt erstmals genetisch veränderter Babys in China ist nichts anderes als der Angriff auf die Menschenrechte, die den Menschen als Individuum schützen: als unteilbare, einzigartige, vom Staat respektierte Persönlichkeit. Dass diese Attacke genau zwei Wochen vor dem 70. Jahrestag der Verkündung der Menschenrechte publik wird, zeigt, wie fragil diese Rechte sind – und wie wenig sich vor allem China darum kümmert.
Forscher, die im Erbgut mithilfe der sogenannten Genschere Crispr/ Cas9 eine bestimmte genetische Anlage verändern und damit die biologische Grundlage des Menschen manipulieren, begehen einen bisher nicht bekannten Tabubruch. Bisher galt: Grundsätzlich darf es keine persönlichkeitsverändernden Eingriffe, keine Mehrlingsbildung (Klonierung) und keine Vereinigung mehrerer unterschiedlicher Embryonen (Chimärenbildung) geben.
Mit der neuen Methode können Menschen entstehen, die nicht mehr einzigartig, nicht mehr individuell, nicht mehr offen für verschiedene Charakterzüge, gute und böse, sind. Designerbabys sind möglich, bei denen sich die Eltern beispielsweise Geschlecht, Haarfarbe oder Begabung aussuchen dürfen. Will man wirklich vor der Zeugung beantworten, ob der Sohn Arzt oder Tischler werden soll? Die Tochter Forscherin, Krankenschwester oder Model? Darf der Staat wirklich vorschreiben, dass Mütter beispielsweise künftige Soldaten mit Gardemaß und Killergenen in Serie zur Welt bringen sollen?
Hinzu kommt: Mit dem Eingriff sind die Spätfolgen nicht absehbar: Denn Manipulationen der Keimbahn betreffen nicht nur das jeweilige Individuum, sondern auch alle seine Nachkommen.
Wissenschaftler, die auf Grundlage ethischer Normen forschen, müssen jetzt deutlich machen, dass sie sich an Tabubrüchen wie in China nicht beteiligen. Vor allem aber ist die Politik gefragt, die mit dem Atomabkommen deutlich gemacht hat, dass sie rote Linien ziehen und deren Einhaltung einfordern kann. Ähnliche Maßnahmen sind gegenüber China notwendig.