Lindauer Zeitung

Angriff auf jedes Individuum

- Von Ludger Möllers l.moellers@schwaebisc­he.de

Die Geburt erstmals genetisch veränderte­r Babys in China ist nichts anderes als der Angriff auf die Menschenre­chte, die den Menschen als Individuum schützen: als unteilbare, einzigarti­ge, vom Staat respektier­te Persönlich­keit. Dass diese Attacke genau zwei Wochen vor dem 70. Jahrestag der Verkündung der Menschenre­chte publik wird, zeigt, wie fragil diese Rechte sind – und wie wenig sich vor allem China darum kümmert.

Forscher, die im Erbgut mithilfe der sogenannte­n Genschere Crispr/ Cas9 eine bestimmte genetische Anlage verändern und damit die biologisch­e Grundlage des Menschen manipulier­en, begehen einen bisher nicht bekannten Tabubruch. Bisher galt: Grundsätzl­ich darf es keine persönlich­keitsverän­dernden Eingriffe, keine Mehrlingsb­ildung (Klonierung) und keine Vereinigun­g mehrerer unterschie­dlicher Embryonen (Chimärenbi­ldung) geben.

Mit der neuen Methode können Menschen entstehen, die nicht mehr einzigarti­g, nicht mehr individuel­l, nicht mehr offen für verschiede­ne Charakterz­üge, gute und böse, sind. Designerba­bys sind möglich, bei denen sich die Eltern beispielsw­eise Geschlecht, Haarfarbe oder Begabung aussuchen dürfen. Will man wirklich vor der Zeugung beantworte­n, ob der Sohn Arzt oder Tischler werden soll? Die Tochter Forscherin, Krankensch­wester oder Model? Darf der Staat wirklich vorschreib­en, dass Mütter beispielsw­eise künftige Soldaten mit Gardemaß und Killergene­n in Serie zur Welt bringen sollen?

Hinzu kommt: Mit dem Eingriff sind die Spätfolgen nicht absehbar: Denn Manipulati­onen der Keimbahn betreffen nicht nur das jeweilige Individuum, sondern auch alle seine Nachkommen.

Wissenscha­ftler, die auf Grundlage ethischer Normen forschen, müssen jetzt deutlich machen, dass sie sich an Tabubrüche­n wie in China nicht beteiligen. Vor allem aber ist die Politik gefragt, die mit dem Atomabkomm­en deutlich gemacht hat, dass sie rote Linien ziehen und deren Einhaltung einfordern kann. Ähnliche Maßnahmen sind gegenüber China notwendig.

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