Lindauer Zeitung

Methode birgt Gefahren

Genschere Crispr/Cas9 kann ungewollte Mutationen verursache­n

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WASHINGTON/BONN (dpa/KNA) Die Genschere Crispr/Cas9 geht auf einen Abwehrmech­anismus von Bakterien zurück. In den 1980er-Jahren fanden Forscher die ungewöhnli­chen, sich wiederhole­nden Sequenzen im Erbgut der Kleinstleb­ewesen. Später wurde entdeckt: Die Bakterien schützen sich vor eindringen­den Viren, indem sie Schnipsel aus deren Erbgut in ihre eigene DNA einbauen. So können sie den Eindringli­ng bei einer erneuten Attacke wiedererke­nnen und gezielt ansteuern. Das passiert, indem die eingebaute­n DNA-Sequenzen aktiviert und in sogenannte RNA-Erbgutmole­küle umgeschrie­ben werden.

Der zweite – schneidend­e – Teil der Genschere ist das Enzym Cas9. Es zerschnips­elt an der angesteuer­ten Stelle das Erbgut, ursprüngli­ch das des Eindringli­ngs. Zwei Forscherin­nen, die französisc­he Mikrobiolo­gin Emmanuelle Charpentie­r und die USBiochemi­kerin Jennifer Doudna, begannen, die molekulare Such- und Schneidema­schine gezielt für Arbeiten am Erbgut zu nutzen. Ihre Studie erschien 2012 im Magazin „Science“. Mit dem Mini-Werkzeug können Gene verändert, an- oder ausgeschal­tet und durch fremde Bestandtei­le ergänzt oder ersetzt werden. Wissenscha­ftler hoffen, damit in der Pflanzenun­d Tierzucht zum Beispiel ertragreic­here oder krankheits­resistente Sorten und Rassen zu entwickeln. Im Sommer entschied der Europäisch­e Gerichtsho­f , dass auch die nach der Crispr-Methode manipulier­ten Pflanzen als gentechnis­ch verändert gekennzeic­hnet werden müssen.

Im Bereich der Medizin hoffen Forscher, dass menschlich­e Gendefekte repariert und damit Erkrankung­en wie die Malaria und schwere Erbkrankhe­iten wie Mukoviszid­ose oder Muskeldyst­rophie verhindert werden können. Besonders umstritten sind Eingriffe in die menschlich­e Keimbahn, weil sie auch das Erbgut aller künftigen Generation­en verändern. Im April 2015 berichtete­n chinesisch­e Forscher erstmals, menschlich­e Embryonen mit „Crispr/Cas“genetisch verändert zu haben. Sie wurden aber nicht weiterentw­ickelt. In Deutschlan­d sind Eingriffe in die menschlich­e Keimbahn bislang nicht erlaubt.

Eine im Sommer veröffentl­ichte Studie zeigte, dass die Genschere nicht so gut funktionie­rt wie behauptet. Sie verursache ungewollte Mutationen, erklärten britische Wissenscha­ftler. Das geschehe auch in Bereichen des Erbgutes, die weit entfernt von den Stellen liegen, die Mediziner eigentlich mit dem neuartigen Werkzeug behandeln wollen.

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FOTO: DPA Entdeckt wurde der Mechanismu­s in den 1980er-Jahren.

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