Das Gefühl dauerhafter Bedrohung
63-Jähriger leidet an Paranoia, kauft verbotenen Schreckschussrevolver zur Selbstverteidigung und landet vor dem Amtsgericht
LINDAU/WESTALLGÄU - Der Mann sah sich überall von Feinden umgeben. Deshalb hatte er einen Schreckschussrevolver griffbereit bei sich zu Hause auf dem Tisch liegen. Dieser ist jedoch in Deutschland verboten. Tatsächlich hat der Mann weniger Feinde, als vielmehr eine ausgeprägte Paranoia – die Folge einer Alkoholsucht. Das Amtsgericht verurteilte den 63-Jährigen jetzt wegen unerlaubter Einfuhr und des Besitzes verbotener Waffen zu drei Monaten Haft auf Bewährung.
Vor dem Amtsgericht landen immer wieder Menschen, die am Leben zerbrochen sind. So ein Fall ist auch der 63-Jährige. Der gebürtige Bulgare war zu DDR-Zeiten nach Deutschland gekommen. Er hat die deutsche Staatsbürgerschaft. Nach einer Scheidung geriet sein Leben aus den Fugen. Er gab sich mehr und mehr dem Alkohol hin, lebte sogar zeitweise auf der Straße. In den vergangenen Jahren sammelte er sechs Vorstrafen an, alle wegen kleinerer Delikte. Wie ein Gutachten belegt, ist der 63-Jährige seit langem schwer alkoholkrank. Er leidet an einer Leberzirrhose.
Mit seiner Alkoholkrankheit hat auch das Delikt zu tun, das ihn jetzt vor Gericht brachte. Anfang 2016 hatte er in Bulgarien eine Schreckschusspistole erworben, die nicht das in Deutschland erforderliche Prüfzeichen hat und damit verboten ist. Nach einem Gutachten des Bundeskriminalamtes kann der Revolver aus türkischer Herstellung vergleichsweise einfach in eine scharfe Waffe umgebaut werden. Der 63-Jährige brachte den Revolver nach dem Kauf mit nach Deutschland. Bei einer Wohnungsdurchsuchung fanden Polizeibeamte die Waffe mit zwei Platzpatronen geladen und schussbereit auf dem Tisch.
Sowohl die illegale Einfuhr als auch den Besitz gab der Angeklagte unumwunden zu. „Zur Selbstverteidigung“habe er sich die Waffe besorgt, erklärte er. Er müsse sich gegen seine Feinde verteidigen können, sagte er. Und Feinde habe er „überall, in Österreich und in Bulgarien“. Darum hatte er in seiner Wohnung nicht nur einen Revolver. Bei der Durchsuchung fanden die Polizeibeamten auch ein langes Messer, einen Geißfuß und einen Teleskop-Stock. Alles Dinge, die notfalls auch als Waffe genutzt werden können.
Einem psychiatrischen Gutachten zufolge leidet der Mann an einer Paranoia und einer krankhaft übersteigerten Angst. Er lebe „mit dem Gefühl dauernder Bedrohung“. Selbst zur Begutachtung durch den Psychiater hatte der 63-Jährige ein Teppichmesser Der Angeklagte und ein Pfefferspray mitgenommen. Alkoholmissbrauch hatte die Paranoia ausgelöst. Wegen dieser „dauerhaften psychischen Störung“bescheinigte der Gutachter dem Angeklagten auch eine verminderte Schuldfähigkeit.
Das Gericht blieb in seinem Urteil am unteren Rand des Strafrahmens und verurteilte den 63-Jährigen zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten. Richter Harter setzte sie für drei Jahre zur Bewährung aus. Zusätzlich muss der Angeklagte, der von Grundsicherung lebt, 500 Euro an das Lindauer Hospiz bezahlen, aufgeteilt in zehn Monatsraten.
Der Angeklagte, dem ein Betreuer zur Seite steht, hatte Mühe, das Urteil zu verstehen. Sollte er sich in den nächsten drei Jahren etwas zuschulden kommen lassen, muss er die Freiheitsstrafe absitzen. Das Ende der Bewährungszeit wird der 63-Jährige nach eigenem Bekunden aber nicht mehr erleben: „Da bin ich schon lange tot. Ich habe nur noch Monate zu leben“, sagte er mit Blick auf seine fortgeschrittene Leberzirrhose.
„Da bin ich schon lange tot. Ich habe nur noch Monate zu leben.“