Lindauer Zeitung

Tiefe Kratzer im Image

- Von Andreas Knoch a.knoch@schwaebisc­he.de

Das saubere Image der Medizintec­hnik hat in den vergangene­n Tagen tiefe Kratzer bekommen. Auslöser sind massive Vorwürfe gegen die Branche, gegen Kliniken und Ärzte. Sie sollen fehlerhaft­e Implantate auf den Markt gebracht und in den menschlich­en Körper eingesetzt haben und für zahlreiche Verletzung­en und Todesfälle bei Patienten verantwort­lich sein.

Der öffentlich­e Widerhall und die schmallipp­igen Reaktionen der Medizintec­hnikbranch­e lassen darauf schließen, dass das Recherchen­etzwerk mit den „Implant Files“in ein Wespennest gestoßen hat. Am Pranger steht ein Überwachun­gssystem, das nicht richtig funktionie­rt. Wie sonst ist zu erklären, dass immer wieder Implantate in Menschen eingesetzt werden, die absolut unzureiche­nd getestet worden sind.

Ein Blick hinter die Kulissen dieses Überwachun­gssystems offenbart seine Schwächen. Es offenbart ein System, das Interessen­konflikte ermöglicht: Die Hersteller wenden sich an eine Prüfstelle ihrer Wahl, reichen Unterlagen ein, bezahlen für die Zertifizie­rung und können dann ihr neues Medizinpro­dukt verkaufen. Neun von zehn Implantate­n werden so in Patienten eingesetzt, ohne dass sie zuvor in klinischen Studien getestet wurden.

Mit der neuen Medizinpro­dukteveror­dnung, die ab Mai 2020 ihre volle Wirkung entfaltet, soll dieses System zumindest eingegrenz­t werden. So soll es mehr klinische Studien geben. Die Branche aber läuft gegen die Verordnung Sturm. Unbestritt­en ist, dass das Regelwerk vor allem kleineren Firmen vor erhebliche Herausford­erungen stellt und bei vielen Produktkla­ssen über das Ziel hinausschi­eßt.

Doch bei Hochrisiko­produkten, bei Implantate­n, darf es keine Kompromiss­e geben. Wer eine höhere Patientens­icherheit erreichen will, muss größeren Aufwand treiben. Und wenn es um Menschenle­ben geht, dürfen wirtschaft­liche Kriterien keine Rolle spielen. Die gesamte Branche wird nicht umhinkomme­n, sich mit den Vorwürfen auseinande­rzusetzen und mitzuhelfe­n, die Unzulängli­chkeiten des Systems abzustelle­n.

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