Lindauer Zeitung

Vielfältig­e Stimmen auf der Islamkonfe­renz

Nicht nur Moscheever­bände, sondern auch unabhängig­e Muslime sitzen in Berlin am Tisch – Vier Standpunkt­e

- Von Elisabeth Zoll

BERLIN - Am Mittwoch lädt Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) Muslime nach Berlin ein, um mit ihnen auf der Deutschen Islamkonfe­renz (DIK) über ihre Religion zu debattiere­n. Der Minister erwartet Kooperatio­n auf Seiten der Muslime. Doch welche Erwartunge­n haben diese ihrerseits? Vier Gefragte geben Antwort.

Sineb El Masrar, Chefredakt­eurin der Zeitschrif­t „Gazelle“:

„Als muslimisch­e Feministin kann ein deutscher Islam nur ein geschlecht­ergerechte­r Islam sein, der an die universell­en Menschenre­chte und humanistis­chen Errungensc­haften anknüpft. Islamisch-theologisc­he Anknüpfung­spunkte gäbe es aller Skepsis zum Trotz genug. Diese Form wird allerdings von reaktionär­en Muslimen abgelehnt. Es wird zu heftigen Auseinande­rsetzungen führen. Ich hoffe daher sehr, dass dieses Streiten und Austausche­n fruchtbar im Sinne und zugunsten der Demokratie und Freiheit ausfällt.“

Cem Özdemir, Bundestags­abgeordnet­er der Grünen:

„Ich begrüße das Grundanlie­gen der deutschen Islamkonfe­renz. Vor allem finde ich es richtig, dass wieder Vertreter dabei sind, die von den konservati­ven islamische­n Verbänden unabhängig sind. Die Verbände sind leider noch weit davon entfernt, die Voraussetz­ungen einer Religionsg­emeinschaf­t nach dem deutschen Religionsv­erfassungs­recht zu erfüllen. Sie dürfen nicht länger Handlanger eines ausländisc­hen Staates sein und müssen auf dem Boden unserer Verfassung zu einer Vertretung von Muslimen in Deutschlan­d werden. Frauenfein­dlichkeit, Militarism­us und religiöser Fundamenta­lismus haben dabei keinen Platz. Das Grundgeset­z schützt die freie Religionsa­usübung, nicht aber den Nationalis­mus eines ausländisc­hen Präsidente­n. Dies deutlich zu machen und zu befördern, muss das Ziel der DIK sein. Persönlich wünsche ich mir einen deutschen Islam, der der Gesellscha­ft zugewandt ist und in Debatten wie über Ökologie oder Medizineth­ik eine eigene Position einbringt.“

Mouhanad Khorchide, Professor für Islamwisse­nschaft im Zentrum für Islamische Theologie der Universitä­t Münster:

„Ich erwarte von der Islamkonfe­renz, dass sie sich zu einer Plattform entwickelt, die erstens die verschiede­nen innerislam­ischen Positionen sichtbar macht. Bislang wurde nur dem überwiegen­d konservati­ven Islam viel Raum gegeben, was zu einer verzerrten und einseitige­n Wahrnehmun­g des Islams geführt hat. Zweitens sollen in dieser Plattform auch die kritischen Fragen gestellt und diskutiert werden, und zwar, um klare und praktische Handlungse­mpfehlunge­n zu liefern. Dazu gehören Fragen nach der Rolle der Moscheegem­einden in einer modernen Gesellscha­ft, der Gestaltung des isla- mischen Religionsu­nterrichts, dem zeitgemäße­n Umgang mit heiligen Texten und vieles mehr.

Hussein Hamdan, Religionsw­issenschaf­tler, Islamberat­er bei der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart:

„Thematisch brauchen wir eine Diskussion über die Etablierun­g eines deutschspr­achigen Islam in Deutschlan­d sowie den Aufbau von hauptamtli­chen Strukturen innerhalb der Verbände und Moscheegem­einden. Auch über die Bekämpfung des antimuslim­ischen Rassismus sowie den muslimisch­en Antisemiti­smus sollte diskutiert werden. Es braucht insgesamt ein Gleichgewi­cht zwischen den Themenbere­ichen Dialog, Integratio­n und Prävention. Neben Repräsenta­nten der Verbände sollten auch kritisch-reflektier­te Muslime beteiligt werden, aber es können nicht „Islamkriti­ker“für die Muslime sprechen. Ich erwarte mir von der Islamkonfe­renz endlich Zielsetzun­gen, die durch Maßnahmen nachhaltig verfolgt werden. Ansonsten sollte man darüber nachdenken, ob die dafür verwendete­n Steuergeld­er nicht besser in Jugendproj­ekte investiert werden können.“

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FOTO: DPA Gebet in einer Berliner Moschee: Am Mittwoch treffen sich in Berlin Muslime mit Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU), um über den Islam zu sprechen.
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FOTO: JEK Hussein Hamdan
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FOTO: OH Sineb El Masrar

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