Schmerzmittel im Wasser tut Fischen weh
Warum Wissenschaftler Simon Schwarz vom Umweltbundesamt eine Arzneimittel-Regulierung fordert
LANGENARGEN - Über die Hintergründe und die Risikobewertung von Arzneimitteln in der Umwelt hat beim letzten Kolloquium des Jahres Simon Schwarz vom Umweltbundesamt im Institut für Seenforschung in Langenargen referiert. Für Medikamente im Trinkwasser sieht der Wissenschaftler derzeit zwar keine akute Gefahr, hält allerdings die Langzeiteffekte noch nicht für ausreichend erforscht.
Ziel muss es Simon Schwarz zufolge sein, zu einer Arzneimittelregulierung und Umweltrisikobewertung bei der Humanmedizin zu kommen. Der Fachmann schilderte am vergangenen Freitag die Aufgaben des Umweltbundesamts, das in Dessau-Roßlau in Sachsen-Anhalt mit 900 von 1500 Mitarbeitern seinen Hauptsitz hat und unter anderem die Bundesregierung berät, Forschung fördert und den Vollzug der Umweltgesetze überwacht. Arzneimittel im Wasser seien ein permanentes Thema in der Öffentlichkeit und weltweit in Gewässern nachgewiesen, sagte er – und bedauerte, dass es kein systematisches Monitoring gibt. Allerdings: In Deutschland, so Schwarz, werde viel untersucht und deshalb viel gefunden. Der Jahresverbrauch an Medikamenten betrage in Deutschland etwa 10 000 Tonnen. Darunter befinden sich etwa 150 umweltrelevante Wirkstoffe, berichtete der Wissenschaftler. Nachgewiesen werden könnten sie in Kläranlagen, Sedimenten, Böden und Oberflächengewässern. Medikamente oder Drogen könnten auch in modernen Kläranlagen nur zum Teil oder gar nicht entfernt werden, weshalb die Gefahr bestehe, dass das in der Kläranlage gereinigte Wasser noch Medikamentenreste enthält, die mit dem Kläranlagenablauf in die Gewässer gelangen.
Verweiblichung beobachtet
Unter den in Seen und Flüssen nachgewiesenen Wirkstoffen – wenn auch in meist niedriger Konzentration – befänden sich besonders Schmerzmittel, Antibiotika und Hormone. Durch einige dieser Substanzen sei unterhalb von Kläranlagenabläufen eine Verweiblichung von männlichen Fischen beobachtet worden, die laut Schwarz in Kontakt mit hormonell wirksamen Arzneistoffen gekommen waren.
Psychopharmaka führten nicht nur bei Menschen zu Veränderungen, auch bei Fischen seien sie in erhöhten Aktivitäten und ihrem Sozialverhalten auszumachen. In Kanada seien dadurch innerhalb von drei Jahren ganze Populationsstrukturen bei Fischen zusammengebrochen. Als erschreckende medikamentöse Beispiele nannte Schwarz Entzündungshemmer und Schmerzmittel, deren schädliche Effekte auch bei Fischen nachgewiesen wurden.
Ein Problem ist laut Schwarz das Entsorgungsverhalten bei Arzneimitteln. Flüssige Medikamente würden in über 50 Prozent der Fälle der Spüle überlassen, sogar 80 Prozent der Tabletten würden falsch entsorgt. Apotheken seien nicht mehr verpflichtet, Medikamente zurückzunehmen. Vor Ort sollte man sich über den Hausmüll von veralteten Arzneimitteln trennen, da der zu 96 Prozent verbrannt wird. Auch beim Klärschlamm „tut sich was“, bemerkte Schwarz. Wurde dieser bislang auf Äckern ausgebracht – in Bayern ist das noch so – soll der Schlamm künftig verbrannt werden. Putzmittel, die zu „Unmengen“ins Klo geschüttet werden, könnten dagegen gut abgebaut werden.