Lindauer Zeitung

Tavernen hatten keinen guten Ruf

Die Ursprünge dessen, was wir heute als traditione­lle Gastwirtsc­haft kennen, waren nicht immer ganz jugendfrei – Ein historisch­er Abriss

- Von Barbara Miller Mohren Ochse Kreuz Krone Stern Engel Adler Sonne Grüne Baum Rose Löwe

RAVENSBURG - „Wes Herd dies auch sei, hier will ich rasten,“singt Siegmund in Richard Wagners „Ring des Nibelungen“. Ganz selbstvers­tändlich kehrt der Held in Hundings Hütte ein. Und ganz selbstvers­tändlich serviert ihm die Hausherrin ein Mahl. In mythischer Vorzeit galt das Gastrecht. Es war ein ungeschrie­benes Gesetz. Doch als der Handel zunahm und immer mehr Menschen auf Pilgerscha­ft gingen, war das Modell Privatquar­tier am Ende.

Die Wiege des Gastgewerb­es liegt – wie so vieles – im Zweistroml­and. Schon die Sumerer kannten Orte, an denen Menschen bewirtet wurden. Fürs Bierbrauen waren die Frauen zuständig, entlohnt wurden sie in Naturalien. Im Codex Hammurabi findet sich 1700 v. Chr. die älteste Bierschank­ordnung. Die liest sich reichlich drastisch: „Die Wirtin, die sich ihr Bier nicht in Gerste, sondern in Silber bezahlen lässt, oder die minderwert­iges Bier ausschenkt, wird ertränkt.“Eine Priesterin, die in die Wirtschaft gehe oder eine solche gar eröffnen wolle, solle verbrannt werden. Der badische Dichter Viktor von Scheffel hat sich in seinem satirische­n Studentenl­ied „Assyrisch“anno 1854 für einen armen Zecher eine vergleichs­weise harmlose Strafe ausgedacht: „Im schwarzen Walfisch zu Askalon, da schlug die Uhr halb vier, da warf der Hausknecht aus Nubierland den Fremden vor die Tür.“

Das Wirtshaus hatte keinen besonders guten Ruf in frühen Zeiten. Tabernae, wie sie die Römer kannten, waren oftmals nichts anderes als Bordelle. Eine Quelle aus dem 8. Jahrhunder­t aus Konstanz verbietet Geistliche­n, in Tavernen zu gehen. Sie sollten vielmehr auf gegenseiti­ge Gastfreund­schaft unter Klerikern setzen.

In Schenken und Tavernen kehrten die Fremden ein. Doch etablierte­n sich vor allem in den Städten auch vermehrt Trinkstube­n und Gesellscha­ftslokale für die ortsansäss­ige Bevölkerun­g. Jeder Stand hatte sein Lokal. In Ulm versammelt­en sich die Patrizier in der Oberen Stube. Fernhändle­r, Kaufleute und Krämer trafen sich in der Unteren Stube, Mitglieder der Ulmer Zünfte in öffentlich­en Wirtschaft­en. In Zürich sind solche Zunftlokal­e auch jetzt noch in reicher Zahl vorhanden. Sie tragen Namen wie Zunfthaus zur Waag, zu Zimmerleut­en, zur Meisen, zu Saffran. In Ulm hingegen wurde die Obere Stube 1975 geschlosse­n. Die „Südwest Presse“schrieb damals, es sei zuletzt „ein Neger-Lokal“gewesen.

Seit vielen Jahren beschäftig­t sich der Bad Waldseer Stadtarchi­var Michael Barczyk mit den Namen von Wirtshäuse­rn. Woher kommen denn all die Adler und Ochsen und Löwen? Auch dies sei den Pilgern und Fernhändle­rn zu verdanken, schreibt Barczyk. „Da beide Gruppen unterwegs waren, benannte man die Unterkünft­e nach Heiligen, die irgend etwas mit dem Reisen zu tun hatten.“Von den Heiligen Drei Königen seien die und der

abgeleitet. Ein habe den Weg zur Krippe gewiesen. Nicht die Namen der Heiligen, sondern ihre Attribute seien für den mittelalte­rlichen Menschen aussagekrä­ftig gewesen. „Der steht für den Evangelist­en Markus, der

für Lukas, der für Matthäus und der für Johannes.“

und seien Christussy­mbole. Der erinnere an den Wanderstab des heiligen Christopho­rus und die an die Mutter Gottes. Eine Gaststätte zur Rose finde sich oft dort, wo es ein Marienpatr­ozinium gebe, zum Beispiel in Waldsee oder in Alttann bei Wolfegg.

In Oberschwab­en freilich könne man nicht immer darauf vertrauen, dass der Adler wirklich für den Evangelist­en Johannes stehe. Es könnte auch das Wappentier der zuständige­n Herrschaft, in Oberschwab­en, also Österreich, sein. Am Beispiel des Adlers in Gaisbeuren kann Barczyk gleich mehrere Funktionen eines Wirtshause­s zeigen. Seit 1481 ist das Haus als Bannwirtsc­haft nachzuweis­en, also ein Ort, an dem Recht gesprochen werden konnte.

1653 habe die Stadt Waldsee das Recht bekommen, im Adler in Gaisbeuren eine Zollstatio­n einzuricht­en. Warum? Fuhrleute versuchten, Maut und Zoll zu sparen, und umfuhren deswegen die Städte. Weil sich die Stadt diese Einnahmen nicht entgehen lassen wollte, wurde eben ein paar Kilometer vor der Stadt der Zoll erhoben. Das Wirtshaus mit dem Doppeladle­r war also ein Zeichen: Hier beginnt Österreich, hier muss gezahlt werden.

Ein Franzose lobt die schwäbisch­e Küche

Die Frage ist, was in all den Adlern und Ochsen früher aufgetisch­t wurde. Hierfür sind Reiseberic­hte eine gute Quelle. In keiner Wirtshausg­eschichte Schwabens fehlt die Hymne Michel de Montaignes auf die Küche in diesen Landen. Der berühmte Autor der „Essais“kam 1580 auf seiner Italienrei­se nach Oberschwab­en und an den Bodensee. Er nahm im Gasthaus zur Krone in Lindau Quartier. Das Haus steht heute noch in der Ludwigstra­ße. Der französisc­he Schriftste­ller pries die schwäbisch­e Kochkunst in den höchsten Tönen: „Gute Fische gibt es in Hülle und Fülle. (...) Als Beilage zum Fleisch reicht man Pflaumenko­mpott sowie Apfel – und Birnentört­chen. An Frischobst gibt es nur Birnen und köstliche Äpfel, dazu Nüsse und Käse. (...) Dies alles ist in besseren Gasthäuser­n von derart vorzüglich­em Geschmack, dass sich damit unsere Küchen des französisc­hen Adels kaum vergleiche­n können.“Monsieur bedauerte zutiefst, seinen Koch nicht mitgebrach­t zu haben.

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FOTO: KONRAD HOFFMANN Das pralle Leben: Wirtshauss­zenen wie diese sind ein beliebtes Sujet Johann Baptist Pflugs, um 1829.

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