Die Messe, die sich selbst überflüssig machte
Aus für die Computermesse Cebit nach 32 Jahren – Ganz verschwinden soll sie dennoch nicht
HANNOVER (dpa) - Nach über 30 Jahren ist die Cebit Geschichte: Die einst weltgrößte Computershow wird eingestellt. Rückläufige Buchungen für 2019 erhöhten zuletzt den Druck auf die Deutsche Messe AG. Die deutsche Wirtschaft habe in den vergangenen Jahren immer wieder thematische Überschneidungen der Cebit und der weitaus größeren Hannover Messe beklagt, sagte Deutsche-Messe-Vorstandschef Jochen Köckler. Darüber hinaus ist Digitalisierung der Megatrend der meisten Branchen – und damit der meisten Messen. Eine Messe wie die Cebit stoße daher auf sinkende Nachfrage. Der Metallarbeitgeberverband Niedersachsenmetall sprach von einem „Schlag ins Kontor“, der Branchenverband Bitkom bedauerte die Entscheidung.
Wie geht es weiter? Die „industrienahen Digitalthemen“sollen in die Hannover Messe, die weltgrößte Industriemesse, eingebunden werden. Und der Rest? Dafür sind nach Veranstalterangaben Fachveranstaltungen geplant, die sich „gezielt an Entscheider ausgewählter Branchen“richten sollen. Dabei hatten die Organisatoren im Sommer noch vergeblich versucht, die Cebit als „Europas führendes Digital-Event“neu zu positionieren. Insgesamt lockte die Cebit in neuem Gewand aber nur 120 000 Menschen aufs Messegelände – noch einmal deutlich weniger als 2017 mit 200 000 Besuchern. Zu besten Zeiten um die Jahrtausendwende hatte die Messe noch bis zu 800 000 Besucher gezählt, dann ging die Kurve kontinuierlich nach unten. Ein Grund war dafür auch hausgemacht: Die Cebit wollte sich zu den Hochzeiten des Personal Computers immer wieder von den als „Beutelratten“verschmähten Privatbesuchern trennen und speziell auf Businesskunden ausrichten. Unterhaltungselektronik wie Spielekonsolen war nicht mehr gern gesehen. Und nicht zuletzt zog auch die stetig wachsende Mobilfunkmesse Mobile World Congress nach ihrem Umzug von Südfrankreich nach Barcelona immer mehr Stammkunden aus der Telekommunikationsbranche aus Hannover ab. Die alte und neue Cebit seien nicht zu vergleichen, betonte Messe-Vorstand Oliver Frese Mitte Juni. Aussteller und Partner seien allesamt zufrieden gewesen. In wirtschaftlichen Zahlen spiegelte sich diese Begeisterung allerdings nicht unbedingt wider: Event statt Messe, Streetfood statt Bratwurst – das funktionierte offensichtlich nicht.
Die Entscheidung bedeutet auch einen tiefen Einschnitt für Frese: Der Messechef bat den Aufsichtsrat um Entbindung von seinen Aufgaben zum 31. Dezember – das Gremium erfüllte seinen Wunsch. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil bedauerte das Cebit-Aus: „Der digitale Wandel findet inzwischen überall statt, auch auf allen anderen Messen. Die Cebit ist insofern ein Opfer des eigenen Erfolges“, sagte der SPD-Politiker. „Ein wichtiges Kapitel der Messen in Hannover geht zu Ende, und das ist sehr schade.“Der Hauptgeschäftsführer von Niedersachsenmetall, Volker Schmidt, erinnerte an die Cebit als „Aushängeschild“, das „maßgeblich zum Renommee der gesamten deutschen Informations- und Kommunikationswirtschaft beigetragen hat“.
Zumal die Computershow 1986 – vor 32 Jahren – als Paukenschlag begann: Denn ihre Premiere wurde gleich von einem Todesfall überschattet. Der Computerunternehmer Heinz Nixdorf brach auf einer Messeparty auf der Tanzfläche mit einem Herzinfarkt zusammen und starb. 1995 stimmte Microsoft-Gründer Bill Gates auf der Cebit auf das – damals – neue Zeitalter des Betriebssystems ein. Ein Jahr später war Windows 95 etabliert. Aber auch die Messe-Konkurrenz wurde stärker.
Die Deutsche Messe AG sei trotz des Cebit-Aus aber „sicher und solide“aufgestellt, sagte Köckler. Zudem will das Unternehmen die Marke Cebit im Ausland weiter nutzen. Ganz verschwindet die Cebit also nicht.