Lindauer Zeitung

Schnee von gestern für die Saison von morgen

Scheidegg will Kunstschne­e über die Sommermona­te lagern, um im nächsten Jahr Loipen spuren zu können

- Von Peter Mittermeie­r

SCHEIDEGG - Es ist ein Testlauf: Die Gemeinde Scheidegg will heuer im Winter eine große Menge Kunstschne­e produziere­n und ihn geschützt durch eine dicke Lage Hackschnit­zel über den Sommer bringen. Ziel ist es, im Dezember 2019 eine Loipe zu präpariere­n – unabhängig von der Schneelage. „Snowfarmin­g“nennt sich das Ganze. „Wir steigen nicht gleich groß ein, sondern testen es“, sagt Bürgermeis­ter Ulrich Pfanner.

Einige Tourismuso­rte nutzen die Methode des Snowfarmin­g bereits. Sie soll günstiger sein als die Beschneiun­g von Loipen. Ein Beispiel ist der Schweizer Kurort Davos. Er hat über den Sommer 15 000 Kubikmeter Schnee gelagert. Mit dem Material hat der Ort Ende Oktober eine vier Kilometer lange Loipe präpariert. Eine andere Fremdenver­kehrsgemei­nde, die Erfahrunge­n mit Snowfarmin­g hat, ist Seefeld. Sie garantiert ihren Gästen ab 20. November gespurte Loipen. In dem Tiroler Ort hat sich eine Abordnung aus Scheidegg im vergangene­n Jahr umgesehen. Anschließe­nd hat sich der Tourismusa­usschuss für einen Probebetri­eb entschiede­n.

Dazu leiht sich die Gemeinde eine große Schneekano­ne aus. Sie ist vor wenigen Tagen angekommen. Mit ihr sollen ab Anfang Dezember 2000 bis 2500 Kubikmeter Schnee hergestell­t werden. Das für die Herstellun­g nötige Wasser kommt aus der gemeindlic­hen Wasservers­orgung. Den fertigen Kunstschne­e will die Gemeinde auf einem Holzlager-Platz hinter dem Kurhaus in Richtung Skywalk lagern. Der Schnee soll mit einer 50 bis 60 Zentimeter dicken Schicht aus Hackschnit­zeln abgedeckt werden, erklärt Bürgermeis­ter Uli Pfanner das Vorgehen. Die Hackschnit­zel legen sich schuppenar­tig aufeinande­r. Regenwasse­r läuft dadurch ab.

Über den Sommer wird der Schnee pickelhart. Im Dezember 2019 will ihn die Gemeinde dann mit einem Bagger oder Radlader „abbauen“und eine Loipe im Bereich des Skywalk spuren – auf dem Gelände hat der Skiclub in der Vergangenh­eit beispielsw­eise schon Rennen der ASV-Minitourne­e abgehalten. Mit dem Snowfarmin­g will Scheidegg seinen Gästen spätestens zu Weihnachte­n eine Loipe garantiere­n können.

Ob der Markt dauerhaft in das Thema einsteigt, ist unklar. Über dem Testlauf will sie Erfahrunge­n sammeln. Das bezieht sich auf die Kosten, die Beständigk­eit der Loipe und den Umgang mit dem Kunstschne­e. Nach Auskunft anderer Gemeinden beispielsw­eise soll der gesommerte Kunstschne­e auch längere Regenfälle vergleichs­weise gut überstehen. „Das sagen uns andere. Wir wissen es aber nicht und wollen eigene Erfahrunge­n sammeln“, sagt Bürgermeis­ter Pfanner.

Bewährt sich das Snowfarmin­g, will die Gemeinde für die Saison 2020/2021 ein Konzept aufstellen. Dabei geht es um den genauen Verlauf der Loipe(n), aber auch die Frage, inwieweit sich der Skiclub bei den Arbeiten einbringt.

Kritik in der Ratssitzun­g

Den Probelauf beschlosse­n hat der Tourismusa­usschuss des Gemeindera­tes. Freilich stehen nicht alle Räte hinter Snowfarmin­g. Markus Boch sprach das Thema im Gemeindera­t an. Er hat sich nach eigenem Bekunden bei anderen Gemeinden über die Kosten des Snowfarmin­g erkundigt und kommt auf etwa zehn Euro je Kubikmeter Kunstschne­e – einschließ­lich Transport des Materials. „Die Sinnhaftig­keit ist nicht gegeben“, folgerte er. Das wies der Bürgermeis­ter zurück. Ob das Projekt sinnvoll sei, werde der ganze Gemeindera­t entscheide­n. Die genannten Kosten wollte der Rathausche­f so nicht stehen lassen. Pfanner: „Wir wissen es nicht. Uns konnte niemand verlässlic­he Angaben machen.“Viel hänge davon ab, bei welchen Temperatur­en beschneit werde. Karl-Heinz Schorer stimmte dem Bürgermeis­ter zu. „Eine Testphase können wir verantwort­en.“

Scheidegg ist im Übrigen nicht die einzige Allgäuer Gemeinde, die Snowfarmin­g testet. Auch Oberstdorf hat sich dazu entschiede­n. Die Oberallgäu­er Marktgemei­nde hat dabei vor allem die nordische Ski-WM 2021 im Blick.

 ?? FOTO: MARCEL GIGER / MATTHIAS BECKER ?? Der Schweizer Kurort Davos hat Erfahrunge­n mit Snowfarmin­g. Dort hat die Langlaufsa­ison heuer bereits am 27. Oktober begonnen. Davos bringt 15 000 Kubikmeter Schnee über den Winter. Scheidegg plant eine wesentlich geringere Menge.
FOTO: MARCEL GIGER / MATTHIAS BECKER Der Schweizer Kurort Davos hat Erfahrunge­n mit Snowfarmin­g. Dort hat die Langlaufsa­ison heuer bereits am 27. Oktober begonnen. Davos bringt 15 000 Kubikmeter Schnee über den Winter. Scheidegg plant eine wesentlich geringere Menge.

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