Lindauer Zeitung

Weiter weg geht kaum

Neukaledon­ien im Pazifik ist ein noch fast unberührte­s Paradies – über und unter Wasser

- Von Christoph Sator

NOUMÉA (dpa) - Ein Stück Frankreich im Pazifik und eine Idylle dazu: In Neukaledon­ien kann es passieren, dass man einen kilometerl­angen Sandstrand ganz für sich allein hat. Das hat seine Gründe.

Am Ende des Tages, als ob das nicht alles schon längst genug wäre, verwandelt sich dann auch noch der Mond in ein Croissant. Steht droben im Nachthimme­l über dem Pazifik und sieht wirklich aus wie ein Hörnchen. Und man erinnert sich an seine Französisc­hlehrerin und daran, wie das Backwerk angeblich zu seinem Namen kam: weil es aussieht wie ein zunehmende­r Mond .

In Neukaledon­ien glaubt man die Croissant-Geschichte sofort – auch wenn es kaum einen Ort auf der Erde gibt, der von einer Pariser Bäckerei weiter entfernt sein könnte. Luftlinie sind es 18 000 Kilometer. Und trotzdem gehört die Inselgrupp­e auf der anderen Seite der Weltkugel mit ihren 280 000 Bewohnern zu Frankreich. Das ist schon seit 165 Jahren so und ändert sich nun auch nicht. Anfang November votierten in einer Volksabsti­mmung 43 Prozent der Neukaledon­ier für die Unabhängig­keit, aber 57 Prozent dagegen. Vor allem in der Bevölkerun­gsgruppe der melanesisc­hen Ureinwohne­r, der Kanaken, ist die Enttäuschu­ng groß. Sie hatten für den neuen Staat auch schon einen Namen: Kanaky. Übersetzt heißt das Menschenla­nd.

Teures Pflaster

Aber so bleibt es nun bei NouvelleCa­lédonie, Neukaledon­ien. Das Land ist eine dieser seltenen Idyllen, die vom Tourismus noch einigermaß­en verschont geblieben sind. 2017 wurden gerade einmal 100 000 Urlauber gezählt. Außerhalb der Hauptstadt Nouméa gibt es kaum größere Hotels. Selbst dort kann es passieren, dass man morgens in einer der Buchten das Meer für sich allein hat. Anderswo – in den Savannen, im Regenwald, an der Felsküste – ist es noch einsamer.

Das hat seine Gründe. Für Europäer ist Neukaledon­ien nun einmal verdammt weit weg. Die unmittelba­ren Nachbarn aus Australien und Neuseeland – immer noch um die 2000 Kilometer entfernt – schreckt die Sprache ab. Und billig ist Neukaledon­ien, wo noch mit dem Franc bezahlt wird, ebenfalls nicht. Insbesonde­re in Nouméa ist das Leben ähnlich teuer wie in Paris. Die Hauptstadt liegt auf der größten Insel, Grande Terre. Staus, schlechte Luft, Hektik sind hier eher selten. Wer zu spät kommt, beruft sich auf die „heure kanake“, die „kanakische Stunde“, die dehnbar ist. Die Buchten tragen Namen wie Baie des Citrons (Zitronenbu­cht) oder Baie des Dames (Damenbucht). Auf den Hügeln stehen die Villen der Reichen, mit den Luxus-Geländewäg­en auf dem Grundstück und gar nicht so selten auch mit eigener Jacht.

Kanake heißt Mensch

Auf einem der Hänge haben die Neukaledon­ier auch ihr Kulturzent­rum gestellt, das Centre Tjibaou. Es ist ein Bau im Grünen, überragt von 20 Meter hohen Stabkonstr­uktionen, entworfen vom italienisc­hen Star-Architekte­n Renzo Piano. Vielen gilt das Centre heute als das schönste Gebäude in der Südsee überhaupt. Der Name kommt vom Vater der kanakische­n Unabhängig­keitsbeweg­ung, Jean-Marie Tjibaou, der Ende der 1980er-Jahre von einem Extremiste­n ermordet wurde. Geleitet wird das Zentrum von seinem Sohn Emmanuel. Er ist stolz darauf, Kanake zu sein. „Kanake, das heißt Mensch“, sagt der 42-Jährige. „Sonst nichts. Das ist keine Frage der Hautfarbe.“

Gleich neben dem Kulturzent­rum gibt es einen kleinen Flughafen. Dort starten die Propellerm­aschinen hinaus auf die kleineren Inseln. Wo die Kultur der Kanaken lebendiger, die Strände noch länger und das Wasser noch blauer ist. Seit 2008 ist das Korallenme­er Weltkultur­erbe. Mit 1,3 Millionen Quadratkil­ometern ist der Parc naturel de la mer de Corail eines der größten Meeresschu­tzgebiete der Welt.

Die vielleicht schönste Insel ist Ouvéa, nur 35 Kilometer lang, an manchen Stellen nicht einmal 40 Meter breit. Sie scheint aus einem einzigen, schier endlosen und nahezu unberührte­n Sandstrand zu bestehen. Nur an der Pont de Mouli, einer Brücke auf dem Weg zur Lagune, sind mehr als ein halbes Dutzend Leute im Wasser. Von der Brücke aus lässt sich beobachten, wie Rochen und Schildkröt­en durchs Wasser schweben. Man sieht aber auch die Konturen von Riff- und Babyhaien. Das hält die Kinder nicht davon ab, vom blauen Geländer hinunter ins Wasser zu springen. 4300 Leute sind auf Ouvéa zu Hause, fast alles Kanaken. Sie haben kein allzu großes Interesse, ihre Insel mit Touristen zu teilen. Koma Waikata gehört zu den wenigen, die damit ihr Geld verdienen. Die 66-Jährige betreibt ein kleines Restaurant mit Inselküche. Es gibt dort viel gegrillten Fisch, aber auch Bounga – eine lokale Spezialitä­t aus Huhn mit Süßkartoff­eln und Bananen, das mit Kokosmilch befeuchtet, in Bananenblä­tter gewickelt und dann in einem Erdloch gegart wird.

Ansonsten gibt es auf der Insel Ouvéa genau zwei Hotels. Normalerwe­ise nächtigt man als Ausländer in runden Strohhütte­n, die Privatleut­en gehören. Das heißt „Accueil en Tribu“ („Empfang durch den Stamm“). Tatsächlic­h ist das Leben hier noch in Stämmen organisier­t. Wer vorbereite­t ist, hat als Mitbringse­l ein „Manou“dabei – ein Stück Stoff, in das ein kleinerer Geldschein gewickelt ist. Im Jahr 2017 kamen gerade einmal 9000 Touristen nach Ouvéa, fast nur Franzosen. Die einzige größere Gruppe Ausländer waren Japaner. Das liegt an einem japanische­n Roman aus den 1960er-Jahren, der auch verfilmt wurde: „Die Insel, die dem Paradies am nächsten liegt“.

 ?? FOTOS: DPA ?? Blau in all seinen Schattieru­ngen: Die Insel Ouvéa scheint nur aus Meer, Himmel und einem nahezu unberührte­n Sandstrand zu bestehen.
FOTOS: DPA Blau in all seinen Schattieru­ngen: Die Insel Ouvéa scheint nur aus Meer, Himmel und einem nahezu unberührte­n Sandstrand zu bestehen.
 ??  ?? Das Kulturzent­rum Centre Tjibaou in Nouméa zählt zu den schönsten Bauten in der Südsee.
Das Kulturzent­rum Centre Tjibaou in Nouméa zählt zu den schönsten Bauten in der Südsee.
 ??  ?? Der Parc naturel de la mer de Corail ist eines der größten Meeresschu­tzgebiete der Welt.
Der Parc naturel de la mer de Corail ist eines der größten Meeresschu­tzgebiete der Welt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany