Ziemlich guter Tag auf Arbeit
Nach zwölf Remis zeigt Magnus Carlsen im Tiebreak der Schach-WM seine Klasse, siegt dreimal und bleibt Weltmeister
LONDON (dpa/SID) - Magnus Carlsen hat den Angriff auf seinen Schachthron erneut abgewehrt und bleibt Weltmeister. Der 27 Jahre alte Norweger setzte sich am Mittwoch in den Schnellschach-Partien im Tiebreak unerwartet deutlich mit 3:0 gegen seinen US-Herausforderer Fabiano Caruana durch. Der Tiebreak war nötig geworden, nachdem sich die beiden Kontrahenten zuvor in ihrem zähen WM-Duell in London in zwölf Partien mit klassischer Bedenkzeit zwölfmal remis getrennt hatten.
Im Schnellschach aber erwies sich Carlsen gegen den 26 Jahre alten Caruana als haushoch überlegen. Nach seinem ersten WM-Triumph 2013 verteidigte die Nummer 1 der Welt nun schon zum dritten Mal erfolgreich den Titel. Aus dem Preisfonds von insgesamt einer Million Euro sicherte sich Carlsen damit 550 000 Euro. „Ich würde sagen, ich hatte heute einen ziemlich guten Tag auf der Arbeit“, scherzte der sichtlich erleichterte Norweger anschließend. „Fabiano war der härteste Konkurrent, den ich in einem WM-Kampf je hatte. Ich bin froh, diese Herausforderung gemeistert zu haben.“
Machtdemonstration in Partie zwei
In der ersten Partie des Tiebreaks wählte Carlsen mit Weiß die Englische Eröffnung und eine seltene Variante. Er opferte zu Beginn einen Bauern, doch er besaß das starke Läuferpaar und die bessere Bauernstruktur. Nachdem Caruana seinen Springer im 19. Zug auf das falsche Feld platziert hatte, forcierte Carlsen ein Turm-Endspiel mit einem Mehrbauern. Hier agierte er mit starker Technik souverän und gewann letztendlich dank zweier unaufhaltsamer Freibauern am Königsflügel.
Die zweite Partie des Tiebreaks war eine Machtdemonstration Carlsens. Die Großmeister wiederholten die gleiche Variante aus der zwölften Partie mit klassischer Bedenkzeit. In sehr komplizierter Stellung ging Caruana mit einem Bauernvorstoß auf der c-Linie voll ins Risiko. Carlsen opferte eine Figur, um den Bauern aufzuhalten, baute aber im Zentrum gegen die weiße Dame und den in der Brettmitte verbliebenen König so große Drohungen auf, dass Caruana schon nach 28 Zügen aufgeben musste.
In der dritten Partie setzte Caruana mit Schwarz alles auf eine Karte. Er wählte die Sizilianische Verteidigung, doch er war nie in der Lage, entscheidend Druck aufzubauen. Im Endspiel schob Carlsen seine Freibauern vor und holte sich sogar eine neue Dame. Caruana gratulierte seinem Gegner in aussichtsloser Lage nach 54 Zügen. „Ich hatte nie wirklich eine Chance“, befand der US-Amerikaner anschließend. „Ich habe nicht ansatzweise auf seinem Level gespielt.“
Die WM war zuvor von Beginn an sehr ausgeglichen verlaufen. In fast allen Partien neutralisierten sich die Kontrahenten und teilten sich ohne große Aufreger den Punkt. Es gab aber auch Momente, in denen das Match einen ganz anderen, viel dramatischeren Verlauf hätte nehmen können. Gleich zum Auftakt verpasste Magnus Carlsen mit Schwarz mehrere Chancen zum Sieg. Es war ein großer Kampf und ein Marathon mit sieben Stunden Spielzeit und 115 gespielten Zügen. Danach scheuten beide Spieler das Risiko. Erst in der sechsten Partie hatte Caruana seine erste klare Gelegenheit, in Führung zu gehen, ließ sie aber ungenutzt.
Caruanas vergebene Chance
Beide Großmeister und ihre Teams hatten speziell ihre Eröffnungen mit Schwarz für die WM hervorragend vorbereitet. Die zweite Hälfte des Matches war insbesondere durch den Verlauf der dramatischen Weißpartien Caruanas gekennzeichnet. In der achten Partie ließ sich Caruana auf einen offenen Kampf in der Sizilianischen Verteidigung ein, die Carlsen in jeder Schwarzpartie wählte. Er überraschte den Weltmeister mit einer neuen Idee und besaß die Chance, Carlsens geschwächten König entscheidend anzugreifen. Caruana zögerte aber, und der Norweger kam mit dem Schrecken davon.
„Ich hatte nie wirklich eine Chance. Ich habe nicht ansatzweise auf seinem Level gespielt.“
Fabiano Caruana nach den drei Tiebreak-Niederlagen
Am Ende suchte Carlsen den Weg in den Tiebreak, dort galt er als der klar stärkere Spieler. Der Plan ging auf.
Weltmeisterlich.